Die häufigsten Fragen zum Thema Erbrecht

In diesem Video interviewt Benjamin Zessner-Spitzenberg den Notar Dr. Christoph Völkl zu den häufigsten Fragen zum Thema Erbrecht.
Kommentar von Benjamin Zessner-Spitzenberg
23.04.2020

Jedes Jahr organisiert Ärzte ohne Grenzen Informationsveranstaltungen, bei denen Notar:innen Vorträge über das Erbrecht halten. Dies war aufgrund der Corona-Krise in diesem Frühjahr leider nicht möglich. Deshalb habe ich als Ansprechperson für Testamentsspenden Notar Dr. Christoph Völkl in einem Video-Interview die häufigsten Fragen zum Thema Erbrecht und Nachlassplanung gestellt.

 

Herr Dr. Völkl ist seit 20 Jahren Notar, zuerst in Niederösterreich und seit 2007 in Wien. Das Interview mit ihm finden Sie hier schriftlich zusammengefasst.

Was sind die Vorteile, wenn ich meinen Nachlass mit einem Testament regle?

Wenn es mir wichtig ist, dass der Nachlass an die Personen geht, die mir nahestehen, dann sollte ich entweder wissen, wie das gesetzliche Erbrecht lautet oder ein Testament machen, um sicherzugehen, dass diejenigen Personen, denen ich etwas zukommen lassen möchte, auch tatsächlich meinen Nachlass erhalten.

Eine Frage, die ich oft in meiner täglichen Arbeit gestellt bekomme ist: was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen einer Erbschaft oder dem Erbe und einem Vermächtnis?

Manchmal ist das gar nicht so leicht zu erklären. Um es kurz und vielleicht nicht ganz so genau zu umreißen, ein Testament errichte ich dann, wenn ich einer:n Rechtsnachfolger:in für alle meine Rechte und Pflichten einsetzen möchte. Also jemand, der in meine gesamte Rechtsposition eintritt. Das geht als Universalerb:in oder zu einem Anteil, zu einer Quote.

Wenn ich einer Person einen bestimmten Gegenstand, eine bestimmte Sache, zukommen lassen möchte, dann sprechen wir von einem Vermächtnis. Das kann auch der Großteil des Nachlasses sein, aber das sind immer nur einzelne Sachen: ein Haus, Schmuckgegenstände. Diese Einzelsachen sind Vermächtnisse.

Nun regelt das Gesetz, wer was nach dem Ableben bekommen soll, wie funktioniert dann die gesetzliche Erbfolge bei Blutsverwandten?

Im Gesetz ist die Erbfolge nach sogenannten Parentelen, nach Linien, geregelt. Es wird hier von vier Parentelen gesprochen. Die gliedern sich auf in die 1. Parentel, das sind die Kinder und deren Nachkommen. Die 2. Parentel, das sind die Eltern und deren Nachkommen. Darunter fallen dann auch schon Geschwister. Die dritte Parentel sind die Großeltern und deren Nachkommen. Hier wird die Verwandtschaft schon weiter. Und die vierte und letzte Parentel, das sind Urgroßeltern, allerdings ist das eher Theorie als Praxis.

Wie ist das dann mit Ehepartner:innen?

Ehepartner:innen, und dem gleichgestellt eingetragene Partner:innen, definieren ihr Erbrecht abhängig von den sonst vorhandenen Blutsverwandten. Ehepartner:innen sind neben Kindern zu einem Drittel erbberechtigt, neben Eltern zu zwei Drittel des Nachlasses erbberechtigt. Sollte ein Elternteil schon verstorben sein, dann tritt der:die Ehepartner:in in den Teil des verstorbenen Elternteiles ein.

Können wir uns das anhand eines Beispiels ansehen? Wenn ich jetzt beispielsweise zwei Kinder habe und eine Ehepartnerin, wie sieht die gesetzliche Erbfolge dann aus?

Ja, mit Beispielen tut man sich leichter. Die Kinder sind zusammen zu zwei Drittel erbberechtigt. Also bekommt jedes Kind ein Drittel. Die Ehegattin ist neben den Kindern zu einem Drittel erbberechtigt.

Nun kann ich mit einem Testament diese gesetzliche Erbfolge auch außer Kraft setzen. Wo sind denn hier die Grenzen und was ist überhaupt ein Pflichtteil?

Pflichtteilsberechtigt sind ausschließlich die Nachkommen und der:die Ehepartner:in. Dort liegen auch die Grenzen. Um die Pflichtquote zu berechnen, rechne ich mir die gesetzliche Erbquote aus. Die Pflichtteilsquote ist dann die Hälfte der gesetzlichen Quote.

Also nochmals zu unserem Beispiel zurückkommend: zwei Kinder, eine Ehefrau, dann wäre der Pflichtteil eines Kindes, die Hälfte des Pflichtteils, also ein Sechstel. Genauso bei der Ehefrau.

Das heißt diese Personen müssen dann auch wirklich etwas bekommen, auch wenn es ein Testament gibt?

Diese Personen können auf den Pflichtteil gesetzt werden, das bedeutet, dass sie einen Geldanspruch haben. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass sie bestimmte Nachlasswerte bekommen, aber sie müssen zumindest Geld in der Höhe ihrer Pflichtteilsquote bekommen. In unserem Fall ist das bei allen drei Angehörigen eben ein Sechstel.

Welche Testamentsformen gibt es denn eigentlich und wie verfasst man ein gültiges Testament? Was ist ratsam aus Ihrer Sicht?

Die Testamentsformen waren in den letzten Jahren in der Judikatur ein großes Thema. Hier ist der Oberste Gerichtshof sehr streng, vor allem bei den fremdhändigen Testamenten. Und da komme ich jetzt schon zu den beiden maßgeblichen Formen, nämlich eigenhändiges und fremdhändiges Testament.

Eigenhändig, wie der Name sagt, ist handschriftlich selbst geschrieben und unterschrieben. Fremdhändig heißt, jemand anderer hat es geschrieben oder ich selbst habe es über Computer geschrieben, also nicht eigenhändig. Da gibt es sehr strenge Formvorschriften, die unbedingt einzuhalten sind.

Wie kann ich dann sicherstellen, dass ich diese Formvorschriften auch wirklich einhalte?

Also das eigenhändige Testament werde ich vielleicht zu Hause noch zusammenbringen. Da ist weniger die Form das Problem als möglicherweise der Inhalt, dass der juristisch korrekt formuliert ist.

Beim fremdhändigen Testament wird es schon heikler. Hier geht es darum, dass bestimmte Inhalte im Testament vorhanden sind, dass bestimmte Zeug:innen da sind, dass bestimmte Zusätze im Testament vorhanden sind. Das sind alles Gültigkeitsvoraussetzungen. Hier würde ich unbedingt zu einer fachkundigen Person gehen. Da bieten sich natürlich Notar:innen dafür an, die ständig mit dieser Thematik in Kontakt sind.

Wie kann ich mein Testament dann sicher verwahren und was mache ich, wenn ich mein Testament ändern möchte? Kann ich mein Testament überhaupt jederzeit ändern?

Ja, das ist ein wichtiger Grundsatz im Erbrecht: ein Testament ist immer wiederrufbar. Es gibt keine unwiderruflichen Testamente.

Die Verwahrung ist natürlich überall möglich, aber am sichersten, glaube ich, bei Notar:innen. Dort sind gesetzlich zwingend Testamente feuersicher zu verwahren und überdies im elektronisch geführten zentralen Testamentsregister zu speichern. Das bedeutet, dass bei einem Todesfall und einer Verlassenschaftsabhandlung automatisch dieses Testamentsregister abgefragt wird und damit eine Automatik in Gang gesetzt wird. Das Originaltestament wird an das zuständige Gericht, welches die Abhandlung abwickelt, übermittelt.

Das wäre die sicherste Form der Testamentsverwahrung. Widerrufbar ist jede letztwillige Verfügung immer.

Was passiert, wenn man keine gesetzlichen Erb:innen hat und auch kein Testament da ist?

Wenn es niemanden gibt, nicht einmal eine:n Lebensgefährt:in, und gar keine Blutsverwandten, dann sagt man, die Verlassenschaft wird heimfällig. Das bedeutet, der gesamte Nachlass fällt an den Staat.

Passiert das häufig?

Das ist eine Sache, die nicht besonders häufig passiert, aber hin und wieder doch. Mit einem einfachen Testament ist das natürlich sofort zu verhindern.

Mittlerweile wird jeder sechste Einsatz von Ärzte ohne Grenzen über eine Testamentsspende finanziert. Deswegen bekomme ich oft die Frage wie man eigentlich eine gemeinnützige Organisation im Testament bedenken kann und was man dabei beachten muss.

Es können gemeinnützige Organisationen genauso wie natürliche Personen nebeneinander oder ausschließlich in einem Testament als Erb:in oder als Vermächtnisnehmer:in bedacht werden. Das ist völlig unproblematisch. Wichtig ist allerdings die richtige Bezeichnung der Organisation. Wenn es ein Verein ist, dann die Vereinsnummer, die man jederzeit im Internet im Impressum einer Homepage finden könnte, angeben. Also die genaue Bezeichnung ist glaube ich das wichtigste, egal ob ich jetzt eine gemeinnützige Organisation oder auch eine natürliche Person als Erb:in oder als Vermächtnisnehmer:in einsetze.

Wie kann man Sie als Erbrechtsexperten, auch in einem Lockdown, erreichen?

Wir sind ganz normal telefonisch erreichbar, auch per E-Mail.

Wenn jemand besonders Sorge hat und jeglichen Kontakt zur Außenwelt vermeiden möchte, ist durchaus auch denkbar, dass man telefonisch Wort für Wort ein eigenhändiges Testament ansagt. Dieses wird dann zuhause eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Sicherheitshalber macht man am Ende noch ein Foto und dieses übermittelt man uns zur Letztkontrolle. Dann kann man in der Coronazeit einmal sicher sein, dass man zumindest zu Hause ein gültiges, auch inhaltlich richtiges, formgültiges, eigenhändiges Testament errichtet hat.

Also wenn jemand Interesse hat, kann man sich an Sie wenden. Ich bedanke mich für den spannenden Einblick in das Erbrecht. Danke für Ihre Unterstützung.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit hier über das Erbrecht etwas erzählen zu können und wünsche alles Gute für Ihre Arbeit. Danke.

 

Zur Webseite des Notariats Dr. Christoph Völkl: www.notar-voelkl.at

Vielen Menschen ist es ein Anliegen, am Ende ihres Lebens etwas Bleibendes zu hinterlassen. Mehr Informationen, wie Sie Ärzte ohne Grenzen mit einem Nachlass unterstützen können finden Sie hier: www.vermaechtnis-ohne-grenzen.at

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