
Die wichtigsten Werkzeuge einer Hebamme
Die junge Hebamme Conny Ablasser ist momentan auf ihrem ersten Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen. Im Südsudan arbeitet sie bis März in einem Projekt zur Schwangeren-Vorsorge. In einer "Email aus dem Einsatz" berichtet sie von ihrer Anreise und den ersten Eindrücken aus Pamat im Nordwesten des Landes.
Mittwoch, 17.12.2014
Ich startete von Wien in den Südsudan. Die Vorbereitungen sind innerhalb der letzten 3 Wochen sehr zügig vorangegangen und so stehe ich nun mit knappen 20kg Reisegepäck in Juba, der Hauptstadt des Südsudan. Nach einer kurzen Überprüfung meines Gesundheitszustandes – es geht um Ebola, das wird bei der Einreise in jedes afrikanisches Land durchgeführt, auch wenn es die Krankheit hier NICHT gibt – bekomme ich mein Visum und werde von einem Kollegen von Ärzte ohne Grenzen schon vor der Ankunftshalle erwartet.
Mein Aufenthalt in Juba dauert nur eine Nacht, denn der Ort meines Projektes liegt 1,5 Flugstunden entfernt im Norden des Landes. Die Weiterreise wird von hier aus organisiert und ich erhalte auch noch einen letzten gesundheitlichen Check, unterschiedliche Informationen und die wichtigsten Unterlagen für meine Weiterreise in das Projekt als Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen.
Samstag, 20.12.2014
Ankunft in Aweil: Die Bezeichnung „Flughafen“ wäre hier mittlerweile sehr übertrieben – staubige Landebahn trifft es da schon eher. In einer Wellblech-Hütte warten die nächsten Passagiere auf den Rückflug mit unserer 20-Sitzer Propellermaschine. Mich erwartet auch hier wieder ein Jeep von Ärzte ohne Grenzen, um mich ins 90 km entfernte Pamat im Bundesstaat Nord-Bahr-el-Ghazal zu fahren:
Montag, 22.12.2014
Heute trete ich meine Arbeit an – oder vielmehr beginne ich damit, mein Team, die Klinik (kurz „PHCC“ für „Primary Health Care Center“) und die Arbeit in den Dörfern, die so genannten „Outreach“-Aktivitäten zu überschauen. Unser Projekt befindet sich verhältnismäßig weit entfernt vom nächsten Spital – insgesamt sind es 90km sandige Straße.
Der Fokus meiner Arbeit liegt auf der klinischen sowie außerklinischen Schwangeren-Vorsorge: Wir untersuchen und behandeln pro Woche knapp 500 werdende Mütter aus der unmittelbaren Umgebung sowie in bis zu 30 km entfernten Vertriebenenlagern. Dazu fährt von Montag bis Freitag ein Teil des Hebammenteams die Lager ab und untersucht die schwangeren Frauen auf Malaria, Syphilis, Anämie und andere schwangerschafts-bedrohliche Infekte. Alle Frauen erhalten eine zweiteilige Tetanus-Impfung.
Auch verteilen wir je nach der entsprechenden Schwangerschaftswoche vorbeugende Medikamente gegen die gängigen Erkrankungen und klären die Frauen auf bezüglich Moskito-Schutz und hygienischen Geburtsverhältnissen. Gleichzeitig palpieren (betasten) wir das Baby, hören dessen Herztöne ab und berechnen die Schwangerschaftswoche. Ich benutze dafür meine wichtigsten Hebammen-Werkzeuge: Hände und Hörrohr.
Die Menschen werden also am Beginn eines Projekts aufgesucht, aufgeklärt und darüber informiert, was wir vorhaben. Erst dann kann die Arbeit, die ich hier JETZT ausübe, gemacht werden. Dazu braucht es viel Vertrauen, das die Menschen zu uns erst aufbauen müssen – und somit die Übersetzung aller Inhalte, die wir vermitteln wollen. Also auch auch die Mithilfe der Einheimischen – ohne unsere lokalen KollegInnen hier ginge sonst gar nichts.
Und: Alles wird genauestens dokumentiert. Medikamente, Moskitonetze und Geburten-Hygienesets werden verteilt. Jede Mutter besitzt eine Karte, auf der wir jede Untersuchung aufschreiben, um beim nächsten Besuch zu wissen, was sie braucht.
Im Gesundheitszentrum in Pamat werden diese Schwangerschaftsuntersuchungen von Montag bis Donnerstag durchgeführt. Nebenbei läuft der ‚ganz normale‘ Klinikalltag ab: Frauen kommen zur Geburt – teils zu Fuß aus weit entfernten Dörfern.
Mein Resümee bisher: So unterschiedlich unsere Kulturen und Welten auch sein mögen, der Kontakt zwischen Mutter, ihrem Ungeborenen und meinen Hebammen-Händen auf ihrem Bauch ist mit keinem Ultraschall, möge er noch so viel mehr vom Baby preisgeben, gleichzusetzen. Ich bin froh, dass ich nie aufgehört habe, schwangere Bäuche abzutasten und den Umgang mit dem Hörrohr durchzuführen.
Denn mit genau diesen „Werkzeugen“ muss ich jetzt sehr gut zurechtkommen, um die wichtigen Informationen einzuholen, die wir für unsere Arbeit brauchen.
Die eskalierende Gewalt im Südsudan erhöhte den Bedarf an medizinischer Nothilfe im Verlauf des Jahres. Mehr über unsere Nothilfe vor Ort erfahren: Einsatzland Südsudan
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