Frauengesundheit in Afghanistan – eine Anthropologin forscht

Kommentar von Doris Burtscher
31.03.2016
Bei meinem letzten Projektbesuch war ich in einem Krankenhaus im Osten von Kabul. Diesmal bin ich in einer anderen Provinz, in Khost. Es geht in meiner Studie um die Themen Frauengesundheit, Schwangerschaft und Geburt.

Doris Burtscher ist Anthropologin und arbeitet in der Evaluation Unit von Ärzte ohne Grenzen Österreich. Bei ihrem Projektbesuch in unserer Geburtsklinik in Khost in Afghanistan untersucht sie das Thema Frauengesundheit und berichtet von ihren Eindrücken.

Ich bin bereits zum zweiten Mal in Afghanistan, seit nun schon zwei Wochen. Ich kann es selbst kaum glauben. Eine Umstellung ist immer der verschobene Wochenrhythmus: Wir haben hier Donnerstag und Freitag Wochenende, aber wir arbeiten auch am Donnerstag und haben nur am Freitag frei. Am Samstag beginnt dann die Woche wieder. Mittwoch wäre bei uns zu Hause sozusagen Freitag.

Der Flug hierher war spektakulär, über verschneite Berge und tiefer gelegene Täler in einer wilden Landschaft, ich habe Fotos vom Flieger aus gemacht:

Doris Burtscher/MSF
Blick aus dem Flugzeug über die verschneiten Berge.

Bei meinem letzten Projektbesuch war ich in einem Krankenhaus im Osten von Kabul, wo ich eine Studie zum Thema von Gebrauch und Missbrauch von Antibiotika durchgeführt habe. Diesmal bin ich in einer anderen Provinz, in Khost – 150km südöstlich von Kabul. Es geht in meiner Studie um die Themen Frauengesundheit, Schwangerschaft und Geburt. Ärzte ohne Grenzen betreibt hier eine Geburtsklinik, eigentlich nur für komplizierte Fälle, aber es wollen alle Frauen zu uns kommen, weil sie gute Qualität und gute Versorgung suchen, und das finden sie hier. Das führt jedoch auch dazu, dass wir bis zu 1.700 Geburten im Monat begleiten, was unsere Kapazitäten bei Weitem übersteigt.

Das Krankenhaus hier betreiben wir seit 2012, nachdem es wiederaufgebaut und renoviert wurde. Es ist zu klein, aber alle wollen zu uns. Nun stellt sich die Frage: Was tun? Die Klink vergrößern – oder die Frauen in das staatliche Provinzkrankenhaus überweisen, obwohl es ihnen aber lieber wäre, bei uns behandelt zu werden?

Es ist nicht leicht, weil die Familien und vor allem die Frauen sehr enttäuscht sind, wenn wir sie in ein anderes Krankenhaus überweisen. Deshalb mache ich nun eine Studie zur Wahrnehmung der verschiedenen medizinischen Institutionen in der Provinz Khost, um zu sehen, was wir ändern oder verbessern können. Weiters versuche ich herauszufinden, wer entscheidet, wo die Frau für die Geburt hingeht, welche Faktoren eine Rolle spielen, ob die Frauen auch zu Hause gebären, wer ihnen dabei hilft, wer sich um die Mutter und das Kind kümmert, was sind die Traditionen nach der Geburt etc.

Viele kommen aus entlegenen Dörfern, die manchmal auch in den Bergen liegen, haben lange Wege zurückzulegen und oft kommen sie auch zu spät. Auch ist es in der Nacht nicht sicher zu reisen, manche haben kein Geld oder es ist überhaupt zu spät und die Frau bringt ihr Kind zu Hause zur Welt oder manchmal auf dem Weg.

Ich habe schon 17 Interviews geführt: Am Vormittag arbeite ich im Wartebereich der Klinik, wo die Männer sind. Sie erhalten nebenbei Gesundheitsinformation über Empfängnisverhütung, Probleme während der Schwangerschaft und das Neugeborene. Es ist schön, zu sehen, wie interessiert sie alle sind.

Doris Burtscher/MSF
Das ist ein Plakat zum Thema Gesundheitsuafklärung im Bereich, wo die Männer auf die Frauen warten, und dazu auch Informationen bekommen.

Am Nachmittag bin ich dann im Krankenhaus selbst und arbeite mit Patientinnen und deren Begleitpersonen. Die Arbeit geht gut und ist sehr interessant.

Die Sicherheit ist hier noch prekärer, wir sind vollkommen eingesperrt, kein Ausflug auf den Markt oder in die Stadt oder sonst wohin. Aber ich habe ein nettes Team um mich und es herrscht ein sehr positiver Teamspirit, das tut gut. In der Freizeit gibt es nicht viel zu tun, nach dem Essen reden wir meist noch, dann gehen alle in ihre Zimmer und lesen oder schauen einen Film. Damit wir nicht ganz bewegungslos werden haben wir einen Fitnessraum, wo ich fast jeden Abend nach der Arbeit bin. Am Wochenende kochen wir zusammen, ich backe einen Kuchen, manchmal schauen wir uns zusammen einen Film an oder spielen ein Spiel…

Bis zum nächsten Mal!

Viele liebe Grüße,
Doris

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24.10.2016
21:54
Mona Vogelsang

Viele Dank für Ihren Bericht, den ich jetzt über "Wienerin" bei Facebook fand. Unvorstellbar, dass die so erwünschte Schwangerschaft verborgen bleiben muss! Das mit der Macht der Schwiegermutter kann ich mir gut vorstellen, schließlich war eine Menge Geld, Vieh oder Land aufzubringen, um die Braut einzukaufen. Da fügt man sich als junges Mädchen klaglos und wortlos ein, sonst wird das Leben zur Hölle.
Ich betreue hier seit mehr als 1/2 Jahr eine 9-köpfige Asylbewerberfamilie aus Kabul und Djalalabad. 1 Paar hat 4 Kinder, 9, 7, 4 und 1 Jahr alt. Die Mutter ist 22. (!) Mit dem Vater (36) versteht sie sich wohl gut, Spannungen sind nicht zu registrieren. Die Mutter sagt auch im Beisein von Fremden deutlich ihre Meinung. So weit, so gut. - Wir haben ziemlich schnell das Thema Empfängnisverhütung besprochen, ich arbeite mit Bildern und ad hoc auch mit Zeichnungen. Danach war sehr schnell klar, dass die Frau keine Kinder mehr will im Gegensatz zum Mann. Er will sich nicht vasektomieren lassen, sie sagt, dass Präservative keine Lösung sind. - Jetzt ist sie geschützt über eine 3-Monats-Spritze. - In der Kommunikation hatte ich eindeutig einen Heimvorteil, bin deutlich älter und darin geübt, Anweisungen zu geben. Die Familie befindet sich sozusagen auf meinem Terrain. - Der 2 Mal bei weniger delikaten Themen hinzugezogene Dolmetscher war insofern nicht wirklich eine Hilfe, als er seine tradierten Vorstellungen einbrachte. - Die unverheiratete Schwester entspricht mehr der bei ihnen beschriebenen Art, wie Frauen sich zu verhalten haben. Sie ist schamhafter und spricht fast nicht. Sie wollte auch nicht duschen und fürchtet, dass ihre Eltern in Kabul erfahren, wenn sie kein Kopftuch trägt. Fotos mit den Frauen in unserem freieren Leben wünschen sie nicht, da die Familien in A. Sanktionen erwarten könnten. - Alle sind Analphabeten, was das Erlernen unserer Sprache verkompliziert. - Wir hoffen hier inständig, dass sie nicht zurück müssen. Die Kinder freuen sich so über Schule und Kindergarten ....
Für Ihre Untersuchungen wünsche ich Ihnen viel Glück, dasselbe natürlich auch bei Ihren Einsätzen für Ärzte ohne Grenzen. Kommen Sie heil zurück!

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