Apiὐs Geschichte

Kommentar von Emails aus dem Einsatz
25.06.2014
Apiὐs Geschichte

Bor, 23. Juni 2014:

Bei jedem Einsatz gibt es ein oder zwei Erlebnisse, die einen besonders berühren. Diesmal ist es das Schicksal des kleinen Apiὐ (Apiὐ heißt „klares Wasser“ in der Sprache der Dinka).

Vor drei Tagen fand ich Apiὐs Vater mit dem Ausdruck absoluter Verzweiflung und Hilflosigkeit auf den Stufen vor der Kinderstation sitzend. Es ist wohl jener Ausdruck, den wahrscheinlich nur Eltern haben, wenn sie um das Leben ihres Kindes fürchten.

Erst als ich mich dem Mann näherte, sah ich, dass er einen kleinen, schwachen Jungen von ca. vier Jahren in den Armen hielt. Als ich den Mann ansprach zog er sofort zwei Röntgenbilder aus einem Umschlag. Nun hörte ich auch, dass der Junge extrem schwer zu atmen schien - jeder Atemzug glich dem Geräusch eines brodelnden Dampfkessels.

Auf mein Nachfragen, was mit dem Jungen los sei, erklärte mir unser Kinderarzt, Dr. Ryan, der Junge habe “beim Spielen” eine Rasierklinge verschluckt, die nun in seiner Luftröhre stecke.

Der Vater war bereits mit seinem Sohn in der Hauptstadt (Juba)  gewesen, wo man auch die Röntgenaufnahmen gemacht hatte, man dem Jungen jedoch nicht helfen konnte, und so wurden die beiden wieder nach Bor zurückgeschickt.

Leider werden auch wir dem kleinen Apiὐ nicht helfen können, da er nur in einer Spezialklinik in Nairobi operiert werden kann. Wir tun aber alles in unserer Macht Stehende, um zu helfen. Wir versuchen den Krankenhausdirektor in Bor zu überzeugen, sein “Sonderbudget für Spezialfälle” zu verwenden, um den Jungen (zusammen mit seinem Vater) nach Nairobi zu schicken und dort operieren zu lassen.

Da wir wissen, wie lange solche Dinge im Südsudan dauern können, haben wir bereits alle notwendigen Briefe verfasst, erste Kontakte mit dem Krankenhaus in Nairobi aufgenommen und einen Dolmetscher organisiert. Nun hoffen wir, dass die Krankenhausadministration in Bor nun auch in die Gänge kommt. Ich bin mir nämlich nicht sicher, wie lange es sich mit einer Rasierklinge im Hals leben lässt.

Als ich zu Brima, unserem Krankenpfleger aus Sierra Leone,  sagte: “Der Fall ist so traurig und absurd zugleich, dass es ihn eigentlich gar nicht geben dürfte”, meinte Brima: “You see, my friend, that’s Africa. It’s crazy”

Lg aus Bor
Mario

Mario Thaler ist Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Österreich und derzeit auf Einsatz im Südsudan. Dort kümmert er sich als Koordinator um das Nothilfe-Projekt in Bor.

Mehr als 75.000 Menschen flohen wegen der intensiven Kämpfe zwischen Regierungs- und Rebellentruppen aus der Hauptstadt des Bundesstaates Jonglei. Die Flüchtlinge - meist Frauen und Kinder - haben in der Regel nur das bei sich, was sie tragen können. Sie brauchen dringend Nahrungsmittel, Wasser, Planen und medizinische Hilfe. Mehr als 330 internationale und 3.300 südsudanesische MitarbeiterInnen arbeiten teilweise unter Extrembedingungen und müssen flexibel auf Kämpfe und neue Flüchtlingsbewegungen reagieren.

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02.07.2014
12:32
Peep Matts

Oh mein Gott, ich hoffe, dem Kleinen konnte inzwischen geholfen werden. Ich werde beten für Ihn.

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