Was ist eigentlich ein „Pneumokokk“? - Public Talk in Wien

Wieso können sich viele Menschen auf der Welt keinen Impfschutz vor Lungenentzündung leisten? Und was können wir dagegen tun?
Kommentar von
17.03.2016

Was genau ist eigentlich ein „Pneumokokk“? Wieso können sich viele Menschen auf der Welt keinen Impfschutz vor Lungenentzündung leisten? Und was können wir dagegen tun? Diese Fragen wurden beim Public Talk „Wenn Impfen Luxus ist“ am 16. März im AKH Wien beantwortet.

"Der Pneumokokk ist kein Klacks, sondern einer der gefürchtetsten Erreger. Auch wenn es eine Therapie gibt, schützt sie nicht vor Komplikationen, daher ist es gescheit, die Sache präventiv anzulegen." Mit diesen Worten unterstrich Prof. Dr. Stefan Winkler, Infektiologe am AKH in Wien, seinen Einführungsvortrag über die Welt der Pneumokokken. Diese hochansteckenden Bakterien sind die Hauptauslöser für Lungenentzündung – und für Kinder und Ältere besonders gefährlich. Eine Million Kinder sterben pro Jahr weltweit an Pneumonie.

Warum müssen so viele Menschen sterben, obwohl es einen wirksamen Impfschutz gibt?

Weil Impfen für viele Menschen Luxus ist. Die Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema im Hörsaal 4 des AKH Wien wurde von Ärzte ohne Grenzen Österreich in Zusammenarbeit mit UAEM Vienna organisiert, einer europaweiten Studierendenbewegung. Die „Universities Allied for Essential Medicines“ setzen sich für den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten ein und sind an über 100 Universitäten aktiv, erläuterte Keith Asselborn bei der Eröffnung des Abends dem interessierten Publikum - darunter auch zahlreiche Medizin-Studierende:

Eröffnung durch @keithasselborn der die Studierendenbewegung @UAEMAustria für essentielle Medikamente vorstellt: pic.twitter.com/JBB29YfzOL

— Ärzte ohne Grenzen (@MSF_austria) 16. März 2016

Im Fachvortrag zeigt Dr. Winkler auch die weltweite Verbreitung des Erregers, der für 40% aller Lungenentzündungen verantwortlich ist. Die Sterblichkeitsrate von Kindern ab dem 1. Lebensmonat bis zum 5. Lebensjahr zeigt in der globalen Übersicht eine starkes Nord-Süd-Gefälle. Denn während in westlichen Gegenden meist ärztliche Hilfe oder ein Krankenhaus erreichbar ist, haben Menschen in sub-/tropischen Regionen oft kaum Zugang zu medizinischer Hilfe – darunter Nigeria, Äthiopien oder Angola, aber auch Afghanistan und Indien. Das und mangelnder Impfschutz führen in den am schwersten betroffenen Gebieten zu bis zu 500 Pneumokokken-Toten pro 100.000 Einwohnern im Jahr, so Dr. Winkler:

„Das ist gigantisch für eine Erkrankung, die man eigentlich mit einer Impfung verhindern kann!“

So sehen übrigens #Pneumokokken aus, zeigt AKH-Infektiologe Prof. Dr. Stefan Winkler #Lungenentzündung #Pneumonia pic.twitter.com/YCJI8a7AAB

— Ärzte ohne Grenzen (@MSF_austria) 16. März 2016

Deshalb rät der Experte, präventiv – also vorbeugend – zu arbeiten, und Kinder wie Erwachsene zu impfen.

Diese Aussage unterstreicht auch Birthe Redeppening in ihrer anschließenden Präsentation über Arbeit der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. Die Initiative wurde 1999 infolge der Vergabe des Friedensnobelpreises an die Organisation gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten, Diagnostika und Impfstoffen zu verbessern. Denn:

„Die Frage von Leben oder Tod darf keine des Geldbeutels sein.“

Im Jahr 2014 hat Ärzte ohne Grenzen mehr als 4 Millionen Impfdosen verabreicht – ein wichtiger Aspekt der öffentlichen Gesundheit, vor allem in ressourcenarmen Ländern mit einer schwachen Infrastruktur. Auch zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen sind solche Maßnahmen essentiell. Doch 75% der Kinder weltweit haben keinen Zugang zu Impfstoffen – und alle 35 Sekunden stirbt ein Kind an Lungenentzündung, die u.a. auch durch Pneumokokken ausgelöst wird.

Warum werden dann nicht alle Kinder vor Pneumokokken geschützt?

Weil der Impfstoff zu teuer ist! Deshalb fordert Ärzte ohne Grenzen von den beiden Hauptherstellern Pfizer & GSK, den Preis für die Pneumokokken-Impfung auf 5 US-Dollar pro Kind zu senken – für ärmere Länder und humanitäre Organisationen. Um diese Forderung zu verstärken hat Ärzte ohne Grenzen eine internationale Petition für bezahlbaren Impfstoff gestartet – und bereits knapp 200.000 Menschen unterstützen den Aufruf. Die gesammelten Unterschriften werden Ende April 2016 übergeben.

Im deutschsprachigen Raum wird die Kampagne von Online-Videos begleitet, die unfaire Preise und intransparente Verhandlungen thematisieren – ob beim Kauf von Kaffee, Cupcakes oder Benzin. Diese wurden in Österreich mit der kostenlosen Unterstützung von Studio Rot und Sprecher Harald Jokesch umgesetzt – vielen Dank an dieser Stelle für die großartige Hilfe!

Hier Petition unterzeichnen

Danke für Ihre Unterschrift und allen Gästen beim "Public Talk" für das Interesse!

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