Kamerun: Überraschend Zwillinge

Es sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, die ich beeinflussen werde. Am Ende des Tages, ist es das, was zählt.
Kommentar von International Bloggers
26.01.2021

Kirsti Rinne/MSF

Diese Woche war es in der Klinik schwierig. Die Zahl der Patientinnen auf der Entbindungsstation nimmt stetig zu.  

Dauerhafte Wirkung 

Als Medizinerin konzentriere ich mich oft auf die Person, die vor mir steht. Wie kann ich in diesem Moment die bestmögliche Pflege sicherstellen?  

Bei Ärzte ohne Grenzen ist meine Rolle jedoch anders. Während Patientinnen und Patienten das Fundament des Projekts bilden, sind die Bausteine das lokale Personal. Was zählt, ihr Wissen und Können zu verbessern. Andernfalls wird sich das Projekt schnell verschlechtern, wenn diese Region stabil genug ist, damit sich Ärzte ohne Grenzen zurückziehen kann. 

Es sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, die ich beeinflussen werde. Am Ende des Tages, ist es das, was zählt.  

Als einzelne Person bin ich ein Rädchen in einem viel, viel größeren Getriebe. Ich bin ein Teil von etwas so viel Größerem als ich. Deshalb liebe ich es, mit Ärzten ohne Grenzen zu arbeiten. 

Mama-O 

Letzten Samstag traf das für mich ganz besonders zu.  

Der Tag begann wie die so oft. Einer unkomplizierten Entbindung folgten Stationsrunden mit der Hebamme des Krankenhauses und der neu eingestellten Hebamme von Ärzte ohne Grenzen, Madam Bridget, obwohl alle sie Mama-O nannten. 

Kirsti Rinne/MSF

Mama-O schult andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus. 

Wir gingen jede Patientin einzeln durch, besprachen ihre Diagnose und überprüften den Pflegeplan. Die Frauen und Babys auf der Entbindungsstation waren alle stabil. Wir beendeten die Runde mit guten Nachrichten. Ein 31 Wochen altes Zwillingspaar hatte Gewicht zugelegt und die Infektionswerte von frühgeborenen Zwillingen hatten sich verbessert.  

"Hab Geduld und entschuldige deinen Schmerz" 

Gerade als wir fertig waren, wurde ein Patientin mit Geburtskomplikationen aus einem abgelegenen Gesundheitszentrum zu uns gebracht. Gleichzeitig teilte mir eine ihrer Verwandten mit, dass ein anderes Familienmitglied, ihre Schwester, ihr fieberkrankes Baby mitgebracht hatte. 

Mama-O kümmerte sich um die Patientin mit den Geburtskomplikationen, während ich nach dem Baby sah. Gerade als ich mich setzte, klagte eine der Frauen, die vor wenigen Stunden eine Fehlgeburt hatte, über starke Blutungen. Wir brachten sie für eine MVA in den Kreißsaal. Das ist ein Verfahren, mit dem die Gebärmutter nach einer Fehlgeburt gereinigt werden kann. Ich erklärte Mama-O jeden einzelnen Schritt, damit sie das nächste Mal den Eingriff durchführen und ich ihre assistieren könnte. 

"Assia, assia", sagten wir alle während des Eingriffs zu ihr. Das bedeutet „hab Geduld und entschuldige deinen Schmerz". Es ist bemerkenswert zu sehen, wie sehr sich diese Frauen umeinander kümmern. Wie sehr sie füreinander da sind. 

Lebenszeichen 

Kirsti Rinne/MSF

Als ich den Kreißsaal verließ, traf ich auf drei Frauen. Während wir Visiten durchführten warteten zwei der Frauen auf ihre Untersuchung. Die dritte Frau hatte frühzeitige Wehen.  

Ich überprüfte die Vitalfunktionen der Frau. Sie war in der 37. Woche und hatten einen Blutdruck von 160/100. Sie litt an Präeklampsie, einer Erkrankung, die hohen Blutdruck und Schlaganfälle verursacht. 

Mama-O und ich gaben ihr Magnesiumsulfat, ein Medikament gegen präeklamptische Anfälle und begannen, die Wehen einzuleiten.   

Eine andere Frau, die mit frühzeitigen Wehen zu uns kam, litt unter Schmerzen. Ich kontrollierte ihren Zustand und war besorgt. Ihr Bauch war aufgebläht, ihr Muttermund hatte sich in den letzten zwölf Stunden nicht geweitet und der Kopf des Babys war nicht in Richtung Becken gerutscht.  

Ich verständigte den örtlichen Arzt, dass er einen Kaiserschnitt durchzuführen solle. Er bat mich jedoch noch etwas zuzuwarten. Ich stimmte widerwillig zu und kehrte zurück, um meine Unterlagen fertig zu stellen und meine letzte Patientin zu untersuchen. 

Sie wartete geduldig in der Schwesternstation. Während ich ihre Unterlagen fertig stellte, überprüfte Mama-O ihren Blutdruck- Er lag bei 210/140. Es war 17:30 Uhr. Ich verständigte den Sicherheitsposten in der Basis, dass ich es zur Ausgangssperre um 18 Uhr nicht zurückschaffen würde. Ich musste noch etwas essen. Mama-O schickte ich nach Hause.  

Im hier und jetzt 

Die ganze Nacht ging es so weiter, bis 22 Uhr. 

Gemeinsam mit der Hebamme des Krankenhauses begann ich einer Patientin zum zweiten Mal an diesem Tag mit Magnesium und Antihypertensive (Medikament gegen Bluthochdruck) zu verabreichen. Die Patientin war in der 22. Schwangerschaftswoche.   

Als ich den Flur zum Operationssaal entlangging, war ich erschöpft, aber auch erleichtert. Niemand befand sich in einem kritischen Zustand.  

Ich betrat gerade rechtzeitig den Flur, um zwei kleine Babys weinen zu hören. Das junge Mädchen mit frühzeitigen Wehen war überraschend mit Zwillingen schwanger gewesen! Das ganze Team feierte diese Überraschung. Jedes Baby wog 6 Pfund (rund 2,7 Kilo). Es waren ein Junge und ein Mädchen. 

Ich rannte zurück zur Geburtenabteilung. Die Mutter und die Großmutter warteten draußen mit erwartungsvollem Blick. "Es sind Zwillinge", ich konnte meine Erleichterung nicht zurückhalten. 

Sie umarmten mich und riefen zu den anderen Verwandten: "Zwillinge!" Ich war eine Außenseiterin, und dennoch fühlte ich mich, als würde ich in diesem Moment zu ihnen gehören. 

Verbunden mit den Menschen 

Als ich mich 2015 Ärzte ohne Grenzen anschloss, hatte ich nur einen Einsatz geplant.  

Ich wollte danach nach Hause kommen und dieses Kapitel meines Lebens abschließen. Ich hatte geplant, mich danach nur auf mein Leben zu Hause zu konzentrieren.  

Nach meinem ersten Einsatz ließen mich die Erfahrungen mit Ärzte ohne Grenzen nicht los.  

Für mich gibt es nichts Vergleichbares mit dem Gefühl, dass man im Einsatz hat. Teil dieser Organisation zu sein, bedeutet mich auch, näher an den Menschen zu sein. Die Wirkung meines Einsatzes besteht nicht nur in dem, wer ich bin oder was ich getan habe. Sie liegt auch darin, Teil von etwas zu sein, das größer ist als ich.  

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