13.04.2021
Mosambik. Menschen laufen tagelang um der Gewalt in der Stadt Palma zu entkommen. Psychologin Amparo Vilasmil hat mit Vertriebenen gesprochen. Hier schildert sie deren Erlebnisse.

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Mosambik. Am 24. März wurde die Stadt Palma im Norden von Cabo Delgado angegriffen. Der Konflikt zwischen der Armee und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in Cabo Delgado dauert seit 2017 an und hat sich im letzten Jahr verschärft. Seit den neuen heftigen Angriffen in Palma verzeichnen unsere Teams in umliegenden Städten einen stetigen Zustrom von Vertriebenen.  

Nach tagelangen Fußmärschen, um der Gewalt in Palma zu entkommen, ohne Zugang zu Wasser oder Nahrung, kommen viele mit Symptomen von Übelkeit, Muskelschmerzen oder kleineren Verletzungen in unsere Kliniken. Außerdem sind die meisten sehr aufgewühlt und überwältigt sind von dem, was sie gesehen haben. 

Amparo Vilasmil ist Psychologin bei Ärzte ohne Grenzen in Cabo Delgado, Mosambik. Sie ist Teil des Teams, das in Montepuez tätig ist, der zweitbevölkerungsreichsten Stadt der Provinz und Ziel für Menschen, die vor den jüngsten Angriffen in der Küstenstadt Palma fliehen. Amparo hat mit Vertriebenen gesprochen. Hier beschreibt sie, was die Menschen, die aus Palma geflohen sind, ihr erzählt haben.

 

Amparo Vilasmil  Clinical Psychologist
MSF
Amparo Vilasmil ist als klinische Psychologin in Mosambik.

"Viele weitere werden kommen"

Ärzte ohne Grenzen betreibt seit November 2020 ein medizinisches Projekt in Montepuez. Im letzten Jahr ist die Zahl der Menschen, die hierher fliehen mussten, aufgrund der Krise exponentiell gestiegen. Derzeit leben rund 50.000 Menschen entweder in Lagern oder sind bei der lokalen Bevölkerung untergebracht. 

Sobald das Ausmaß der Angriffe in Palma deutlicher wurde, begannen die Teams von Ärzte ohne Grenzen in ganz Cabo Delgado, einschließlich Montepuez, sich auf eine mögliche neue Welle von Ankünften vorzubereiten. In den letzten Tagen haben Hunderte Menschen Montepuez erreicht, mehr als ein Drittel davon Kinder.

Diejenigen, die ankommen, sagen, dass noch viele weitere auf dem Weg sind. 

"Sie haben Palma getötet"

Die Vertriebenen kommen schockiert über das, was sie gesehen haben, in Montepuez an. Sie weinen, während sie über ihre Situation sprechen. „Sie haben viele Menschen getötet, sie haben Palma getötet", sagte mir eine Person. Sie versteckten sich im Busch, um ihr Leben zu retten, und liefen vier oder fünf Tage lang - Tag und Nacht.  

Viele haben auf dem Weg Leichen gesehen. Menschen, die an Hunger oder Dehydrierung gestorben sind. Die einzige Wasserquelle stammte aus einem schmutzigen Fluss.

Die Menschen folgten meist den Hauptstraßen, schliefen aber zum Schutz in den Wäldern, mieden Dörfer und überlebten mit dem Wenigen, was sie auf dem Weg finden konnten.  

Eine der ersten größeren Städte, die sie erreichten, ist Nangade, 130 Kilometer landeinwärts von Palma entfernt. Von dort aus begeben sich die Glücklichen, die Geld von Verwandten bekommen können, auf Fahrzeuge und fahren weiter nach Mueda, einer Bergstadt, die vom Militär kontrolliert wird, und andere fahren weiter in den Süden nach Montepuez.  

Wir müssen wissen, wohin sie gehen, um ihnen zu helfen

Ärzte ohne Grenzen ist besorgt um diejenigen, die keine Familien haben, die ihnen helfen können, den Transport zu bezahlen. Denn das bedeutet, dass sie immer noch zu Fuß unterwegs sind, ohne Zugang zu Nahrung und Wasser. Sie werden in einem noch schlechteren Zustand ankommen.

Wir arbeiten sehr hart daran, die Routen auszumachen, die die aus Palma fliehenden Menschen nehmen. Wir müssen wissen, wohin sie gehen, um ihnen zu helfen.  

Kontakt zur Familie verloren

Wir haben an jedem der Einreisepunkte nach Montepuez ein Team positioniert, das psychologische Hilfe leistet, sobald die Menschen hier ankommen. Wir helfen ihnen, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und auf ihrem Weg weiterzukommen.

Viele von ihnen wollen weiter nach Pemba, der Provinzhauptstadt, in der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit anderen Familienmitgliedern.  

In den Lagern um Montepuez befinden sich viele Menschen, die bei früheren Angriffen in Cabo Delgado von ihren Familien getrennt wurden. Einige Familienmitglieder kamen nach Montepuez, während andere nach Palma gingen. Und jetzt haben sie jeden Kontakt zueinander verloren.

Sie wissen nicht, wo sie sind oder ob sie in Sicherheit sind, und das verursacht große Angst und Stress. 

Unser Einsatz in Cabo Delgado

Vor den Anschlägen lebten in Palma schätzungsweise mehrere zehntausend Menschen. Viele von ihnen sind nun Berichten zufolge in verschiedene Richtungen aus der Stadt geflohen: Einige haben Boote in Richtung Süden genommen, andere sind durch den Busch ins Landesinnere oder an die Grenze zu Tansania unterwegs, und viele scheinen sich noch in den Außenbezirken von Palma zu verstecken. Außer in Montepuez kümmern sich die Teams von Ärzte ohne Grenzen auch in Mueda, Nangade, Pemba und Macomia um die medizinischen und humanitären Bedürfnisse der Menschen, die aus Palma fliehen.  

Ein weiteres Team von Ärzte ohne Grenzen war diese Woche auf der Halbinsel Afungi, etwa 25 Kilometer von Palma entfernt, wo einige Verletzte aufgenommen wurden und andere Menschen Zuflucht gesucht haben. Der Konflikt zwischen der Armee und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in Cabo Delgado dauert seit 2017 an und hat sich im letzten Jahr verschärft. Mehr als 670.000 Menschen wurden laut UN OCHA bisher durch die Gewalt vertrieben.

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