Sichelzellenanämie: Eine vernachlässigte Krankheit im Niger

Im Abschlussblog berichtet unsere Kinderärztin Julia Rappenecker von der Sichelzellenanämie in Magaria, Niger.
Kommentar von
08.09.2017
Die Kinderärztin Julia Rappenecker war mit Ärzte ohne Grenzen im Einsatz in Magaria, im Süden des Nigers. Im letzten Blogeintrag berichtete Sie bereits eindrücklich von der Versorgung mangelernährter Kinder. Diesmal widmet sie sich der Sichelzellenanämie, einer chronischen Erkrankung der roten Blutkörperchen.    
Julia Rappenecker
Das Team der Sichelzellklinik Magaria mit ihrem Aufklärungsmaterial zur Erkrankung.
Wenn Sie genau hinschauen, finden Sie sie überall: Kinder mit nach vorne gewölbtem Bauch und einer leichten Gelbfärbung der Lederhaut (weißer Außenmantel des Augapfels). In den meisten Fällen scheint zunächst alles normal – die Kinder wachsen allmählich heran und spielen mit ihren Geschwistern vor den Hütten ihrer Eltern – bis sie plötzlich einen Schmerz in ihren Händen und Füßen verspüren oder sogar im Brust- und Bauchbereich. Wenn der Schmerz zu stark wird, sehen wir sie mit ihren Müttern im Krankenhaus. Die Diagnose: Sichelzellenkrankheit. Eine erbliche Blutstörung, die die Bevölkerung hier "Sikila" nennt. Sie betrifft vor allem Menschen in afrikanischen, karibischen, nahöstlichen, osteuropäischen und asiatischen Ländern.  

Ursache und Symptome der Betroffenen

Die Sichelzellkrankheit wird durch ein fehlerhaftes Gen verursacht, das beeinflusst, wie sich rote Blutkörperchen entwickeln. Bei Kindern, die an der Krankheit leiden, haben sie die Form von kleinen Halbmonden. Sie unterscheiden sich von gesunden Blutzellen, die normalerweise rund geformt sind. Diese roten Blutkörperchen transportieren weniger Sauerstoff. Zusätzlich kann es vorkommen, dass sie Blutgefäße verstopfen und blockieren und dadurch in einigen Teilen des Körpers eine Unterversorgung mit Sauerstoff auslösen. Dieser Zustand heißt Sichelzellkrise. Das Ergebnis ist ein starker Schmerz in den Extremitäten, aber auch in der Brust oder im Bauch. Gemeinsam damit treten häufig eine Reihe von medizinischen Komplikationen wie Infektionen, Blutarmut, verzögertes Wachstum, Gelbsucht oder eine verbreiterte Milz, die zu einer Bauchwölbung führt, auf.  
Julia Rappenecker
Bei der Sichelzellenkrankheit haben Blutkörperchen die Form von Halbmonden.
  In den Industrieländern kann die Krankheit durch eine Knochenmark-Transplantation geheilt werden - undenkbar hier in Magaria, im Süden des Nigers. Die Familien leben also von einer akuten schmerzhaften Krise zur anderen. Im Laufe der Jahre geht es den Kindern immer schlechter - bis sie schließlich an medizinischen Komplikationen sterben.  

Durch ambulante Versorgung wird das Leid der Kinder gelindert

Um den Kindern zu helfen, die von der Sichelzellkrankheit betroffen sind, hat unser Team im April eine kleine Ambulanz eingerichtet, die in die Kinderstation des Krankenhauses Magaria integriert ist. Dort behandeln  Ärzte ohne Grenzen zusammen mit medizinischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Mangelernährung, Infektionskrankheiten und andere Erkrankungen der kleinen Patienten und Patientinnen wie z.B. Malaria, Lungenentzündungen oder Durchfall.   Von April bis Juni wurden mehr als 350 Patienten und Patientinnen in unserer Ambulanz registriert. Einmal im Monat werden die Blutwerte dieser Kinder überprüft. Sie erhalten auch Medikamente, um die Symptome zu behandeln und das Leiden zu lindern. Parallel dazu werden die Mütter über die Krankheit und mögliche Maßnahmen zur Verringerung der schmerzhaften Krisen, die ihr Kind durchmacht, aufgeklärt. Es ist ein schön zu sehen, wie sich die Gesichter der Mütter aufhellen, wenn sie endlich Informationen über den Zustand ihres Kindes erhalten. Ihre Sorgen werden endlich gehört und sie haben ein Ort, an den sie kommen können, um ihre Kinder behandeln zu lassen. Unsere tägliche Motivation ist es daher, die Unterstützung, die wir ihnen bieten können, zu verbessern.   Wir stehen mit der Behandlung dieser Kinder immer noch am Anfang. Aber durch eine kontinuierliche Versorgung über Monate hinweg, hoffen wir, dass sie weniger unter akuten schmerzhaften Krisen leiden, mehr Zeit mit ihren Geschwistern zu Hause verbringen und wir den Müttern helfen, die Krankheit ihrer Kinder häufiger zu vergessen.    Fortsetzung folgt!

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