Orte des Leidens – Einblicke in Libyens Internierungslager

"Europas Grenzen rücken immer weiter von Europa weg. Wollen wir akzeptieren, dass das Schicksal von Flüchtenden ebenso von uns wegrückt, uns nicht mehr berührt?" Marcus Bachmann über unsere neue Broschüre, in der wir die triste Situation libyscher Internierungslager beleuchten.

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Kommentar von Marcus Bachmann
06.11.2017

Seit über einem Jahr leistet Ärzte ohne Grenzen medizinische Hilfe für Flüchtende in Internierungslagern in Tripolis. Die Mehrheit der psychischen und physischen Beschwerden der Inhaftierten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den katastrophalen Bedingungen, die in den Internierungslagern herrschen. Am 7. September wandte sich Ärzte ohne Grenzen in einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.

Seither wurde ich in vielen Gesprächen gefragt, ob sich die Situation für die Flüchtenden verbessert habe, ob deren grundlegende Menschenrechte nunmehr respektiert werden. Leider können unsere Teams in Libyen von keinen messbaren Verbesserungen berichten. Mit der Broschüre Orte des Leidens – Einblicke in Libyens Internierungslager wollen wir die weiterhin unmenschlichen Haftbedingungen vor Augen führen.

Europas Grenzen rücken immer weiter von Europa weg. Wollen wir akzeptieren, dass das Schicksal von Flüchtenden ebenso von uns wegrückt, uns nicht mehr berührt? Insbesonders wenn Flüchtende unter menschenverachtenden Bedingungen festgehalten werden, wie es in Libyschen Internierungslagern der Fall ist. Was Flüchtlinge und Migranten in Libyen erleiden, sollte unser kollektives Gewissen und das der demokratisch gewählten europäischen Regierungen zutiefst erschüttern. Mit Geldern der EU bzw. von EU-Mitgliedsstaaten wird das System der Internierungslager direkt und indirekt unterstützt und die EU bzw. die EU-Staaten sind daher in Verantwortung zu nehmen.

Selbst besonders schutzbedürftige Flüchtende wie schwangere Frauen, Kinder und unbegleitete Minderjährige sind der Internierungshaft unterworfen. Menschen, die mit HIV bzw. Tuberkulose leben, haben keinen bzw. unzureichenden Zugang zu medizinischer Betreuung.

Erschwerend kommt hinzu, dass es keine gesicherten Daten zur Zahl der Inhaftierten gibt, geschweige denn, wie lange Menschen inhaftiert bleiben. Mangelnde Transparenz kennzeichnet generell den Umgang der EU mit Flüchtenden an den weit außerhalb Europas verschobenen Grenzen. In Hinblick auf die von EU-Politikern angekündigten Abkommen mit z. B. Niger und dem Tschad muss die Einhaltung von humanitären Mindeststandards und Transparenz gefordert werden.

Broschüre: "Orte des Leidens - Einblicke in Libyens Internierungslager"

  

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