Von Null auf Hundert – Noteinsatz im Kongo

Die Krankenschwester Vera Schmitz aus Wien ist von ihrem letzten Einsatz aus Gbadolite, Demokratischen Republik Kongo, zurückgekehrt Dort hat sie als medizinische Projekt-Referentin einen Noteinsatz auf die Beine gestellt, um den ankommenden Flüchtlingen zu helfen.
Kommentar von Vera Schmitz
02.01.2018

Die Krankenschwester Vera Schmitz aus Wien ist gerade von ihrem letzten Einsatz aus Gbadolite in der Demokratischen Republik Kongo zurückgekehrt. Dort hat sie als medizinische Projekt-Referentin für Ärzte ohne Grenzen einen Noteinsatz auf die Beine gestellt, um der großen Anzahl an ankommenden Flüchtlingen zu helfen.

 

Tribalet Mélanie /MSF
Unsere Teams arbeiten in Limozia. Dort haben sie einen Brunnen saniert, um der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Tausende Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik haben sich in den letzten Monaten in Gbadolite, Demokratische Republik Kongo, niedergelassen.

Seit Mai 2017 sind rund 80.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik über den Grenzfluss Oubangui auf die kongolesische Seite geflohen. Der Konflikt in ihrem Heimatland, der zu den vergessenen Krisen zählt, kommt nicht zur Ruhe. Die Region ist geprägt von Rebellengruppen, die sich gegenseitig attackieren und gezielt die Zivilbevölkerung angreifen. Kleine Kinder und (schwangere) Frauen sind betroffen, aber auch alle anderen, die einfach nur in Frieden leben möchten und oft keine andere Wahl haben, als Stellung zu beziehen, wenn sie nicht umgebracht werden wollen.

Die 80.000 Flüchtlinge entsprechen in etwa 80% der ursprünglichen Bevölkerung nördlich der zwei Distrikte Gbadolite und Mobayi-Mbongo, in denen Ärzte ohne Grenzen seit Mitte September tätig ist. Weiter östlich gibt es noch zahlreiche mehr. Laut OCHA befinden sich derzeit insgesamt 167.000 Geflüchtete aus der Zentralafrikanischen Republik im Norden der Demokratischen Republik Kongo.

Es gibt kaum Hilfe für die geflohene Bevölkerung

Die Menschen leben oftmals in provisorischen Camps, andere haben Zuflucht bei Freunden und Verwandten in Gastfamilien gefunden. Zugang zu Gesundheitsversorgung, Trinkwasser und sanitären Strukturen ist kaum oder überhaupt nicht vorhanden, Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren weit verbreitet. Malaria steht bei den Krankheitsursachen an erster Stelle. Soweit die generellen Informationen die das Team von Ärzte ohne Grenzen überhaupt hierhergeführt hat.

Es gibt kaum Unterstützung für die geflohene (aber auch die einheimische) Bevölkerung. Der Bedarf ist immens und offensichtlich. Doch bevor die eigentlichen Aktivitäten gestartet werden können, heißt es in der Anfangsphase vor allem: Informationen sammeln. So können die geplanten Interventionen auch am richtigen Ort und mit den richtigen Maßnahmen stattfinden.

 

Mélanie Tribalet/MSF
Die Straße, die Gbadolite von dem Fluss trennt, ist schwer zu überqueren. Es dauert zwei Stunden bis man das Dorf Kambo erreicht, um die Kanus zu nehmen, die sich auf dem Fluss am Ende der Straße - 18 km von Gbadolite entfernt - befinden.

Erster Schritt: Evaluation der Situation

Einmal vor Ort gilt es die Situation möglichst schnell und effizient zu erfassen. Wie ist die Gesundheitssituation der Bevölkerung? Wie viele Menschen sind im letzten Monat gestorben? Und wie viele davon waren Kinder unter fünf Jahren? Kinder unter fünf Jahren sind eine der anfälligsten Bevölkerungsgruppen und meist die ersten, bei denen sich die Auswirkungen von prekären Lebensbedingungen zeigen. Was sind die Ursachen von Krankheit und Tod? Gibt es vermehrt Fälle von Durchfall – ein möglicher Hinweis auf schlechte Hygienezustände wie z.B. Mangel an sauberem Trinkwasser oder fehlendem Zugang zu Latrinen. Wovon ernähren sich die Menschen und gibt es Fälle von (schwerer) Mangelernährung? Und schließlich – welche Möglichkeiten zur Gesundheitsversorgung gibt es? Die strategische und geographische Aufteilung von Gesundheitszentren ist generell nicht schlecht, doch ist die Versorgung dort kostenpflichtig und somit gerade für Flüchtlinge oft nicht bezahlbar.

Andere Information, die gesammelt werden, beziehen sich auf das Vorhandensein und den Zugang zu sauberem Trinkwasser als auch Latrinen – zahlreiche Einwohner und Einwohnerinnen beziehen ihr Trinkwasser aus dem großen Fluss Oubangui. In diesem werden bis heute noch tödlich verletzte Opfer des anhaltenden Konflikts in der Zentralafrikanischen Republik gefunden. Latrinen dagegen gibt es fast nirgendwo. Die meisten Menschen haben sich einfache Hütten zusammengezimmert, in denen teils mehrere Familien wohnen.Ob diese den teils heftigen Regengüssen standhalten, ist jedoch mehr als fraglich.

 

Mélanie Tribalet/MSF
Mit der Pirogge erreichen die Teams die Dörfer in Gunza, Ngai und Bombo, die sich auf der kongolesischen Seite des Flusses befinden.

Großer Bedarf, große Pläne

Die Explos sind fertig, jetzt kann es losgehen? Ganz so einfach ist es in der Realität dann leider oftmals doch nicht. In Gbadolite hat unsere Situationsanalyse gezeigt, dass der Bedarf der Geflüchteten immens ist. Also haben wir dementsprechend Aktivitäten geplant.Das Ziel? In erster Linie den Zugang zur primären als auch sekundären Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, als auch diverse präventive Maßnahmen zur Minimierung von Gesundheitsrisiken.

Im einzelnen bedeutet das: Die Unterstützung zweier Spitäler in der Region, vor allem für Kinder, Schwangere und Notfälle. In 13 peripheren Gesundheitszentren den Zugang zur primären und kostenlosen Gesundheitsversorgung gewährleisten. Zusätzlich vier sogenannte mobile Kliniken. All dies mit einem besonderen Fokus auf mangelernährte Kinder. Und schließlich ist auch eine Impfkampagne geplant und logistische Aktivitäten, wie Bohrlöcher zur Trinkwasserversorgung und der Bau von Latrinen.

Die Aktivitäten laufen

Seit September laufen die Aktivitäten in den beiden Spitälern. Dort unterstützen wir die Kinderstation inklusive der speziellen Einheit für schwer mangelernährte Kinder. Ebenfalls arbeiten wir in der Geburtsabteilung. Seit einigen Wochen sind zudem drei mobile Teams in abgelegenen Gebieten unterwegs, um bisher acht verschiedene Gesundheitszentren aktiv zu unterstützen. Auch die vier erwähnten mobilen Kliniken finden regelmäßig statt und werden an Orten eingerichtet, die teils nur mit Pirogge oder zu Fuß erreichbar sind und somit einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung in existierenden Strukturen haben.

Bereits mehr als 360 Kinder sind in das ambulante Ernährungsprogramm für schwer mangelernährte Kinder aufgenommen worden, diejenigen mit Komplikation werden stationär im Spital behandelt.

In ca. 25 Orten hat zudem der Bau von Latrinen begonnen. Drei Bohrlöcher zur Trinkwassergewinnung sind bereits fertiggestellt. Dazu kommen einige reparierte Wasserpumpen und Arbeiten zur Verbesserung der lokalen Wasserversorgung.

Die Impfkampagne steht in den Startlöchern und wird ca. 25.000 Kinder und schwangere Frauen mit den wichtigsten Impfungen versorgen. Dazu zählen Polio, Masern, Pneumokokken und eine 5fach-Impfung (Hepatits B, Tetanus, Diphterie, Keuchhusten, Haemophilus Influenza) für die Zielgruppe von Kindern unter 5 bzw. unter 2 Jahren – und die Tetanusimpfung für schwangere Frauen.

Es ist die Herausforderung wert

Noch gibt es im Alltag nicht wenige kleine und große Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Doch die Steine sind ins Rollen geraten, mehrere hundert Patienten und Patientinnen sind bereits behandelt worden.

Wenn man eine Mutter sieht, die ihr gesundes Neugeborenes in den Armen hält, nachdem sie es im Spital heil zur Welt gebracht hat - wissend, dass sie ihr Kind und ihr eigenes Leben mit Sicherheit verloren hätte, wenn sie nicht rechtzeitig eingewiesen worden wäre - das sind Momente, wo man merkt, dass es es jede Herausforderung wert ist.

Es ist kein kleiner Plan – aber auch nicht unmöglich. 

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06.02.2018
11:42
Franzi

Ich wünsche euch alles Gute, für diesen große Herausforderung.

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