Indien: Der Kampf gegen die Krankheit Kala Azar

Diagnose- und Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in Bahir
08.11.2011
Eine Mutter trägt ihr Baby und hält das Medikament in der Hand
Anna Surinyach/MSF
Vaishali, Indien, 08.08.2011: Eine junge Mutter mit ihrem Kind im Kala Azar-Diagnose- und Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen

Viszerale Leishmaniose kennt man weltweit unter dem Namen Kala Azar. Seit 2007 baut Ärzte ohne Grenzen im Bundesstaat Bihar in Nord-Indien ein Programm für Diagnose und Behandlung von Kala Azar auf. 

Es ist zehn Uhr morgens und es warten schon einige Menschen vor den Türen des Testlabors, um auf Kala Azar getestet zu werden. Das Labor liegt im Kala Azar-Diagnose- und Behandlungszentrum im Krankenhaus Sadar. Sadar ist das Referenzkrankenhaus des Distriktes Vaishali, in dem etwa drei Millionen Menschen leben. Baby ist 27 Jahre alt und hat zwei Kinder. Sie lebt in der Nähe des Krankenhauses und seit einigen Wochen leidet sie an Fieber und Appetitlosigkeit – zwei der häufigsten Symptome der Krankheit Kala Azar. Der Test ist positiv und Baby bleibt zur Behandlung der Krankheit im Krankenhaus. „Bis zum heutigen Morgen habe ich noch nie von Kala Azar gehört“, erklärt sie im Krankenbett, „aber wenn es mir danach besser geht, macht es mir nichts aus, ein paar Tage im Krankenhaus bleiben zu müssen.“

Ohne Behandlung ist Kala Azar meist tödlich

Kala Azar ist in Vaishali, das im Herzen des indischen Bundesstaates Bihar liegt, endemisch. Übertragen wird die Krankheit von einer Sandfliege und sie führt zu einer Vergrößerung der Milz. Wenn sie nicht behandelt wird, verläuft die Krankheit in fast allen Fällen tödlich. „Die Behandlung, die wir hier in Vaishali durchführen, ist sehr sicher und wirkungsvoll. Normalerweise besteht sie aus vier Einheiten eines speziellen Medikaments („LAmB“). Ab der zweiten Dosis tritt bei manchen Patientinnen und Patienten schon eine Besserung ein“, erklärt Dr. Gaurab Mitra, Koordinator der medizinischen Aktivitäten in diesem Projekt von Ärzte ohne Grenzen. 

Seit Juli 2007 betreibt Ärzte ohne Grenzen in Vaishali das Projekt zur Diagnose und Behandlung von Kala Azar. In den vier Jahren seit Projektstart wurden etwa 8.000 Patientinnen und Patienten im Sadar Krankenhaus und in fünf von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Gesundheitszentren behandelt. Die Heilungsrate liegt derzeit bei 98 Prozent. „Im Augenblick geben wir den Erkrankten 20mg des Medikaments und wir wissen, dass es sehr wirkungsvoll ist. Wir halten aber auch nach möglichen Alternativen Ausschau, etwa 10mg des Medikaments in einer Einzeldosis oder auch kombinierte Therapien mit bewiesener Wirksamkeit“, erklärt Dr. Marta González, Ärztin in Vaishali. 

Die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, empfiehlt eben diese Behandlungsformen in ihrer letzten Publikation zur Kontrolle der Leishmaniose. Ärzte ohne Grenzen hofft, dass in Indien die Empfehlungen in die nationalen Programme aufgenommen werden. 

Komplikationen und Ko-Infektionen

Auch der 30-jährige Chandeshwar ist im Sadar Krankenhaus. Er hat eine Post-Kala-Azar dermale Leishmaniose (PKDL), eine Komplikation, die bei Patientinnen und Patienten auftreten kann, die schon auf Kala Azar behandelt wurden. PKDL stellt kein Gesundheitsrisiko für den Patienten dar, aber es kann Hautausschläge verursachen, die die Lebensqualität verschlechtern. Die Behandlung von PKDL dauert lang und Patienten wie Chandeshwar müssen stationär behandelt werden, da sie über einen Zeitraum von 20 Tagen drei Mal pro Tag Medikamente bekommen müssen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Behandlung dieser Patientinnen und Patienten sehr wichtig, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. „Hautschäden sind ein Reservoir für den Parasiten. Bei Nicht-Behandlung kann die Sandfliege andere Menschen leichter infizieren“, so Dr. Deepak Kumar, Arzt im Kala Azar-Projekt. 

Auch die Behandlung von mit HIV-Koinfizierten Menschen ist nicht einfach. Die beiden Erkrankungen beeinträchtigen einander negativ: Kala Azar setzt die Körperabwehr von HIV-positiven Menschen herunter und erhöht damit die Gefahr von anderen Infektionen. HIV-infizierte Menschen sind anfälliger, sich mit Kala Azar anzustecken und die Behandlung ist weniger wirkungsvoll. „Wenn wir HIV-infizierte Menschen mit dem Medikament LamB behandeln, ist die Gefahr eines Rückfalles größer als bei Menschen, die nur an Kala Azar erkrankt sind“, erklärt Dr. Deepak Kumar. 

Ambulante Behandlung

Bilanpur ist eine von Reisfeldern umgebene Stadt mit 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Auch der 15-jährige Vinod lebt hier, zusammen mit seinen sieben Geschwistern und seinen Eltern. Vor ein paar Wochen begann Vinod sich schlecht zu fühlen. Er ist an Kala Azar erkrankt und wird nun ambulant im Lalgang Gesundheitszentrum behandelt. Für ihn und seine Familie ist es einfacher, wenn er alle zwei Tage in das Zentrum kommt, um dort die Einheiten des lebensrettenden Medikaments zu erhalten, als wenn er stationär im Sadar Krankenhaus behandelt würde. Denn das Krankenhaus ist weiter weg von seinem Wohnort. 

So wie Vinod, wird auch die 50-jährige Kamli ambulant behandelt. Sechs Monate hatte es gedauert bis bei Kamli Kala Azar festgestellt wurde und sie jetzt kostenlose Behandlung erhält. Bis dahin hatte sie einige private Ärzte aufgesucht und sich Geld zur Bezahlung ihrer Behandlung ausgeliehen. Die meisten Menschen, die mit Kala Azar infiziert sind, sind arm und können die Mittel für eine Behandlung nicht aufbringen. „Ich konnte das Geld nicht zurückbezahlen. Also musste ich eine Hypothek auf meine beiden Grundstücke aufnehmen. Ich bin krank, aber wir haben nicht genug zu essen“, erzählt Kamli. 

In Vaishali kämpft Ärzte ohne Grenzen dafür, diese Situation zu ändern. Die Organisation verschafft den Menschen kostenlosen Zugang zu der lebenswichtigen Diagnose und der Behandlung der tödlichen Krankheit Kala Azar.