Sudan: Die aktuelle Lage
Im April 2023 eskaliert der Konflikt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF). Seitdem wird in vielen Teilen des Landes erbittert gekämpft, besonders in Khartoum und Darfur. Wir operieren unter anderem Kriegsverletzte in zwei Krankenhäusern im südlichen Khartoum und einem Krankenhaus in Nord-Darfur. Zusätzlich unterstützen wir Einrichtungen zur Traumabehandlung im Westen von Khartoum.
Seit Ausbruch des Konflikts sind Millionen Menschen innerhalb des Landes und in Richtung Nachbarländer auf der Flucht. Die anhaltende Gewalt führt dazu, dass täglich immer mehr Menschen vertrieben werden. Schon vor dem aktuellen Konflikt gab es im Sudan eine große Zahl von Vertriebenen.
Viele Flüchtlingslager im Sudan sind überfüllt, die humanitäre Gesundheitslage ist katastrophal. Es besteht ein enormer ungedeckter Bedarf an medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, Unterkünften und Nahrungsmitteln. Täglich behandeln wir Dutzende neue Fälle mit Verdacht auf Masern und Mangelernährung, großteils Kinder unter fünf. Auch den Frauen im Sudan fehlt es an medizinischer Versorgung - wir bieten daher spezielle Programme zur Frauengesundheit an.
Schon vor dem Ausbruch der Kämpfe hat die Mehrheit der Bevölkerung im Sudan keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das unterfinanzierte und kaputte Gesundheitssystem ist durch den Ausbruch des Konflikts noch fragiler geworden. Das Ausmaß an Gewalt, das unsere Teams derzeit vor Ort erleben, ist enorm.
Ärzte ohne Grenzen im Sudan: Unsere Nothilfe
Seit dem Ausbruch der Kämpfe haben wir unsere Hilfe ausgeweitet und sind in zehn Provinzen des Landes tätig.
- Wir versorgen Verletzte und Verwundete in drei Krankenhäusern in Khartum-Stadt und Omdurman und unterstützen Gesundheitseinrichtungen in insgesamt zehn sudanesischen Bundesstaaten.
- Wir organisieren Personal- und Materialtransporte, wo und wann immer möglich.
- Wir versorgen Geflüchtete und Vertriebene im Sudan und seinen Nachbarländern wie im Tschad, in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan.
- Wir bieten, vor allem im Osten und Süden des Sudans, Impfungen sowie Wasser- und Sanitärversorgung für Vertriebene an.
- Wir behandeln Mangelernährung und Masern, unterstützen Mädchen und Frauen im Sudan mit speziellen Programmen zur Frauengesundheit und behandeln chronische Krankheiten wie Diabetes, Asthma und Bluthochdruck.
Wir bauen unsere Aktivitäten im und um den Sudan überall dort aus, wo es möglich ist. Derzeit sind wir in elf Bundesstaaten aktiv. Doch die Gewalt im Land behindert unsere Arbeit: Hilfsgüter werden beschlagnahmt, Einrichtungen geplündert und Mitarbeitende bedroht. Wir fordern alle Konfliktparteien auf, Zivilist:innen zu schützen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen.
Konflikt im Sudan: Eine Timeline
Katastrophale humanitäre Situation nach sechs Monaten des Konflikts (13.10.23)
Seit sechs Monaten behandeln unsere Teams, die unter anderem durch Luftangriffe, Explosionen und Granatenbeschuss verletzt wurden. Mehr als fünf Millionen Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht, die Flüchtlingslager sind stark überfüllt. Darüber hinaus gibt es große Engpässe bei der humanitären Versorgung. Wir fordern größere internationale Aufmerksamkeit und eine Ausweitung der humanitären Unterstützung.
Angriff auf Al Nao Krankenhaus (9.10.23)
Gegen 7:20 Uhr wurde das von uns unterstützte Al Nao Krankenhaus in Khartum angegriffen. Eine Granate traf die Notaufnahme und tötete zwei Angehörige von Patient:innen. Fünf Menschen wurden verletzt und sofort in andere Einrichtungen gebracht.
Weitere vier Granaten explodierten in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses, töteten zwei weitere Menschen und verletzten mehrere andere.
Wir sind schockiert und empört, dass ein voll funktionsfähiges Krankenhaus getroffen wurde. Wir fordern wiederholt, dass medizinische Einrichtungen und das Leben der Zivilbevölkerung geschützt werden müssen.
"Die Kämpfe in Süd-Darfur dauern an." (24.8.23)
"Die Kämpfe in Nyala, Süd-Darfur, dauern an. Gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilist:innen haben ein katastrophales Ausmaß erreicht, und alle Straßen in und aus dem Gebiet sind durch die Kämpfe praktisch abgeschnitten.
Unsere Mitarbeiter:innen, die zusammen mit Zehntausenden anderen Zivilist:innen in dem Gebiet festsitzen, haben uns herzzerreißende Geschichten erzählt.
Nach den Kämpfen in Nyala mussten sie Nachbarn, Familienmitglieder und Freunde begraben. Die Märkte und Wohngebiete wurden zu Schlachtfeldern. Die Märkte und Wohngebiete wurden zu Schlachtfeldern.
Uns wurde auch erzählt, dass bewaffnete Kämpfer Häuser gestürmt und sich darin versteckt haben, wobei sie Zivilist:innen als menschliche Schutzschilde benutzten und ihnen keine geschützten Räume zur Verfügung stellten.
Allein an einem Tag (den 23.8.) starben bei Beschuss 27 Zivilist:innen, zumeist Frauen und Kinder, die sich unter einer Brücke versteckt hatten und ins Kreuzfeuer gerieten.
Das Krankenhaus von Kas, das nur anderthalb Autostunden vom Fuße des Jebel Marra-Gebirges entfernt liegt und das einzige Krankenhaus in der Region ist, wird inzwischen von bewaffneten Gruppen kontrolliert. Dadurch hat die Zivilbevölkerung nur wenige bis gar keine Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung.
Ärzte ohne Grenzen hat vor kurzem seine Arbeit in der Kalo Kitting Clinic, drei Stunden von Nyala und eine Stunde von Kas entfernt, wieder aufgenommen. Aufgrund der instabilen Lage können wir jedoch die dringend benötigte medizinische Versorgung in Nyala nicht leisten."
Anna Bylund, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen im Sudan
Warten auf Visa (10.8.23)
Visaanträge für einiger unser Notfallmitarbeiter:innen - darunter Chirurg:innen, Krankenpfleger:innen und andere Spezialist:innen - stehen seit mehr als acht Wochen aus. Ohne die dringende Erteilung von Visa durch die sudanesischen Behörden könnten wir bald gezwungen sein, unsere Unterstützung für eines der Krankenhäuser in Khartum einzustellen.
Neben der Erteilung der bereits beantragten Visa appellieren wir an die sudanesischen Behörden, transparente Verfahren für die Visabewilligung einzuführen. Es muss uns möglich sein, Personal im Land regelmäßig zu ersetzen.
Sudan: Karte mit unseren Einsatzgebieten (23.06.23)

Flucht in die Nachbarländer des Sudans (23.06.23)
Seit der Eskalation des Konflikts im Sudan sind nach Angaben des UNHCR rund 150.000 Menschen in den Tschad geflohen.
Unsere Teams impfen Kinder in Flüchtlingslagern an der Grenze, um sie vor Masern zu schützen. Außerdem untersuchen und behandeln wir Kinder auf akute Mangelernährung.
Rund 30.000 sind seit der Eskalation des Konflikt aus dem Sudan geflohen.
Bereits vor den Kämpfen im Osten des Tschad waren 400.000 Menschen aus dem Sudan in überfüllten Lagern ohne ausreichende sanitäre Einrichtungen untergebracht. Sie hatten kaum Zugang zu humanitärer Hilfe.
Vielen flüchten außerdem in andere Nachbarländer, wie dem Südsudan oder die Zentralafrikanische Republik.
OP-Team in Khartoum behandelt Schuss- und Stichwunden (19.05.23)
Im Sudan ist die politische Lage weiterhin angespannt. Über 1000 Mitarbeiter:innen von Ärzte ohne Grenzen helfen im Sudan, wo verschiedene Gruppen brutal kämpfen. Unter ihnen ist ein OP-Team im Bashair Teaching Hospital in Khartoum. Das Team besteht aus Chirurg:innen, Anästhesist:innen, Pflegekräften und OP-Personal.
Seit Beginn der Kämpfe im April konnte das Krankenhaus gar nicht oder nur eigenschränkt arbeiten. Es fehlt an Personal und Equipment. Freiwillige haben das Krankenhaus wieder in Betrieb genommen und Ärzte ohne Grenzen unterstützt mit einem Chirurgenteam.

Wir haben einen Operationssaal und eine Intensivstation eingerichtet. Wir behandeln täglich eine Vielzahl von Traumapatient:innen mit Schuss- und Stichverletzungen sowie Opfer von Luftangriffen. Außerdem führt das Team alltägliche Operationen wie nach Verkehrsunfällen oder Kaiserschnitte durch.
Humanitäre Hilfe ausweiten (26.04.23)
Unsere Teams setzen alles daran, den Menschen im Sudan die dringend benötigte medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Wir sehen allerdings, dass der Bedarf an medizinischer Hilfe immer größer wird.
„Weitere Notfallteams von Ärzte ohne Grenzen stehen bereit, in den Sudan zu reisen, sobald sie können. Andere Teams erarbeiten Pläne, um medizinische und humanitäre Hilfsgüter in den Sudan zu schicken", berichtet Kate Nolan, stellvertretende Einsatzleiterin.
Die Sicherheit unserer Teams hat nach wie vor oberste Priorität.
Vorräte werden knapp (24.04.23)
Im Sudan ist die aktuelle Lage weiterhin besorgniserregend. Derzeit geht nichts mehr. Die Flughäfen sind geschlossen.
Es gibt Kämpfe auf den Straßen. Daher können wir keine Hilfsgüter nach Nord-Darfur oder ins Land bringen. Der Tschad hat seine Grenze geschlossen.
Krankenhäusern gehen die medizinischen Vorräte zur Behandlung der Überlebenden aus. Das Blut für Transfusionen wird knapp. Bei der Anzahl der Verwundeten, die wir aufnehmen, werden die Vorräte bald aufgebraucht sein. Ohne diese lebenswichtigen Vorräte wird es zu weiteren Todesfällen kommen.
Menschen eingeschlossen und von medizinischer Hilfe abgeschnitten (24.04.23)
In Khartoum sind derzeit viele Menschen, darunter auch einige unserer Teams, eingeschlossen. Sie können keine lebenswichtigen medizinischen Güter an Krankenhäuser liefern – dabei brauchen diese dringend Nachschub. Sogar Rettungsautos werden zurückgeschickt – sie dürfen nicht durch, um Verletzte zu versorgen oder Leichen von den Straßen zu holen.
Viele Verletzte in Darfur (18.04.23)
In Nord-Dafur hat das Team in den ersten 48 Stunden nach Ausbruch der Kämpfe 136 verletzte Patient:innen versorgt – elf davon sind gestorben. Die Zahl steigt täglich. Alle anderen Krankenhäuer in der Gegend mussten schließen – entweder weil sie zu Nahe an den Kämpfen sind oder weil die Mitarbeitenden sie nicht erreichen können. Wir können daher auch keine Verletzten überweisen. Unsere Teams sind rund um die Uhr im Einsatz.
In Süd-Darfur wurde ein Gebäude von Ärzte ohne Grenzen geplündert. Der Weg in Gesundheitseinrichtungen ist für viele Menschen hier zu gefährlich geworden. Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.
Zivilist:innen und Krankenhäuser dürfen kein Ziel sein! (17.04.23)
Seitdem der Konflikt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) am 15. April eskaliert ist, werden auch Zivilist:innen, Krankenwägen und Gesundheitseinrichtungen angegriffen.
Der Großteil der Verwundeten sind Zivilist:innen, die in Schusswechsel gerieten – darunter viele Kinder.
Unsere Teams bieten im Sudan auch jetzt lebensrettende medizinische Hilfe für alle an, die sie benötigen. Das können wir aber nur tun, wenn wir wissen, dass unsere Patient:innen und Mitarbeiter:innen in Sicherheit sind.
Wir fordern deswegen alle Konfliktparteien dazu auf den Schutz von Zivilist:innen, humanitären Helfer:innen und Gesundheitseinrichtungen zu respektieren. Nur so können wir weiterhin medizinische Hilfe leisten.