Ebola: Die Epidemie ist noch nicht vorbei

03.03.2015
Das Ebola-Virus wütet in Westafrika weiter, wenn auch mit geringerer Intensität. Während die Zahl neuer Erkrankungen in Liberia abnimmt, schwankt sie in Guinea und Sierra Leone noch immer. Bisher haben sich über 23.700 Menschen mit dem Virus infiziert - mit Videobericht.

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Jariatu, an MSF 'care-giver' looking after a 9mo baby
Fabio Basone/MSF/MSF
Freetown, Sierra Leone, 02.02.2015: Jariatu hat Ebola überlebt - sie war in unserem Behandlungszentrum in Freetown in Behandlung. Jetzt kümmert sie sich um Kleinkinder im Zentrum, die während ihrer Behandlung im Isolationsbereich von ihren Eltern getrennt sind.

Das Ebola-Virus wütet in Westafrika weiter, wenn auch mit geringerer Intensität. Während die Zahl neuer Erkrankungen in Liberia abnimmt, schwankt sie in Guinea und Sierra Leone noch immer. Insgesamt 99 Neuinfizierte wurden in der Woche bis zum 22. Februar 2015 in den drei am stärksten betroffenen Ländern gemeldet. Seit der Ausbruch vor elf Monaten offiziell erklärt wurde, haben sich über 23.700 Menschen in dieser Region mit dem Virus infiziert. Die Unvorhersehbarkeit der Epidemie zwingt unsere Teams dazu, weiterhin flexibel zu reagieren und in den betroffenen Ländern dort zu helfen, wo sie am meisten gebraucht werden.

Guinea: Weiterhin viel Aufklärungsarbeit nötig

Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gab es diese Woche 35 neue bestätigte Ebola-Fälle in Guinea, die meisten davon in der Hauptstadt Conakry. Trotz der groß angelegten Aufklärungskampagnen halten immer noch viele Menschen die öffentlichen Gesundheitsempfehlungen von Behörden und internationalen Organisationen nicht ein. Unsere Teams hatten diesen Monat in Faranah und einigen Dörfern mit mehreren Zwischenfällen zu kämpfen. So wurden zum Beispiel ein Fahrzeug von Ärzte ohne Grenzen in Brand gesetzt und Helfer mit Steinen beworfen. „Die Menschen haben Angst vor dem Virus und viele im Dorf haben das Vertrauen in das Gesundheitswesen verloren“, erklärt Claudia Evers, Notfall-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Guinea. „Die jüngsten Angriffe auf Mitglieder von Hilfsorganisationen zeigen, dass noch immer viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.“

Trotz dieser Schwierigkeiten konnte Ärzte ohne Grenzen die Kapazitäten weiter ausbauen und zwei mobile Einsatzteams in die Präfekturen Faranah und Boffa entsenden. Dort beurteilen sie den aktuellen Status der Epidemie. Die Situation in den beiden Gebieten wird kaum von den Überwachungssystemen erfasst und der Widerstand der Bevölkerung gegen die Gesundheitsempfehlungen ist hier sehr hoch. „Wir müssen unsere Arbeit fortsetzen und mit allen einflussreichen Vertretern der Bevölkerung sprechen, um weitere Dörfer zu erschließen“, betont Evers. „Das ist die einzige Möglichkeit, die Epidemie in den Griff zu bekommen.“ Auch die Rückverfolgung von Kontakten und das Erkennen von Übertragungsketten stellen in Guinea weiterhin eine grosse Herausforderung dar.

Ärzte ohne Grenzen betreibt derzeit zwei Ebola-Zentren in Guinea – in Guéckédou und Conakry. Unsere Teams kümmern sich auch um die Überwachung von sozialen Kontakten Erkrankter und führen Schulungen im Bereich der Infektionskontrolle durch.

Liberia: Mangelnde Gesundheitsversorgung

In Liberia konnte mit nur acht gemeldeten bestätigten Ebola-Fällen der stärkste Rückgang verzeichnet werden. Im Ebola-Behandlungszentrum ELWA 3 in Monrovia befinden sich derzeit drei Patienten mit Verdacht auf Ebola. Unsere Teams konzentrieren sich jetzt auf die Bedürfnisse derjenigen, die die Krankheit überlebt und mit den verschiedensten körperlichen und psychischen Problemen zu kämpfen haben. Dafür wurde eine speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Klinik eröffnet.

Das ohnehin schwache Gesundheitswesen in Liberia wurde von der Epidemie empfindlich getroffen, viele Spitäler wurden geschlossen. Ärzte ohne Grenzen eröffnete in Monrovia ein Kinderspital mit 100 Betten für Kinder mit Gesundheitsproblemen, die nicht im Zusammenhang mit Ebola stehen.

Da nun die ersten Gesundheitseinrichtungen wieder geöffnet werden, spielt Infektionskontrolle eine wichtige Rolle, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitswesen wiederherzustellen. Dazu unterstützt Ärzte ohne Grenzen in Monrovia das „James David Jr. Memorial Hospital“ in den Bereichen Rehabilitation sowie Infektionsprävention und -eindämmung. Außerdem wurden ein Arzt und zwei Krankenpflegekräfte in das Spital entsandt, um gemeinsam mit dem Personal vor Ort die Qualität der Pflege zu verbessern. In Monrovia hilft Ärzte ohne Grenzen 16 weiteren Kliniken mit einem Gesamtpaket für Infektionsprävention, das den Aufbau einer Triage-/Isolierungsabteilung sowie medizinische Schulungen und Trainings im Bereich Wasser und Abwasserentsorgung beinhaltet. Sechs Einrichtungen werden bei der Infektionskontrolle unterstützt.

Mobile Teams von Ärzte ohne Grenzen haben in den Vororten New Gardnersville, Bardnesville und New Georgia von Monrovia Maßnahmen zur Gesundheitsförderung gestartet, schulen lokales Gesundheitspersonal in Triage und Infektionskontrolle und schließen Lücken in der medizinischen Grundversorgung. Größere Lücken bestehen auch bei der Betreuung von Schwangeren und der Behandlung von Unfalltraumata. Zudem gibt es zu wenige Betten für stationäre Behandlungen. „Die Wiederherstellung und Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung muss eine erste Etappe des Wiederaufbaus des Gesundheitswesens in dieser Region darstellen“, erklärt Dr. Adi Nadimpalli, unser Einsatzleiter in Liberia.

Auch Impfmaßnahmen gegen vermeidbare Krankheiten sind dringend nötig. In den Bezirken Lofa, Margib und Montserrado, wo Ärzte ohne Grenzen das Gesundheitsministerium in den Bereichen Überwachung und Behandlung unterstützt, kam es zu Masernausbrüchen, im Bezirk Maryland zu Fällen mit Verdacht auf Keuchhusten. „Es ist äußerst wichtig, so rasch wie möglich auf diese Ausbrüche von Infektionskrankheiten zu reagieren, statt abzuwarten, bis es zu einer größeren Epidemie kommt“, warnt Dr. Adi Nadimpalli.

Sierra Leone: Schwerpunkt verlagert sich in die Dörfer

Mit 63 neuen bestätigten Fällen in sieben Bezirken in der Woche bis zum 25. Februar 2015 ist Sierra Leone noch immer das am stärksten von Ebola betroffene Land. Am schlimmsten ist es im Nordwesten des Landes sowie in der dicht besiedelten Hauptstadt Freetown.

In der letzten Woche hat Ärzte ohne Grenzen in Sierra Leone einen Richtungswechsel vorgenommen: In Kailahun, im äußersten Westen des Landes, und in Freetown wurden zwei Ebola-Behandlungszentren von Ärzte ohne Grenzen geschlossen. Das Zentrum in Kailahun wurde am 20. Februar geschlossen, nachdem der Distrikt für ebolafrei erklärt wurde – seit dem 12. Dezember waren keine neuen Fälle gemeldet worden. Das Prince-of-Wales-Zentrum in Freetown wurde am 23. Februar geschlossen, nachdem die Regierung angekündigt hatte, dass alle auf Schulgeländen errichteten Ebola-Zentren vor Wiederaufnahme des Schulbetriebs Ende des Monats abgerissen und dekontaminiert würden.

Dank zahlreichen Ebola-Zentren im Land, die von anderen Organisationen betrieben werden, und dem abnehmenden Bedarf an Betten kann Ärzte ohne Grenzen sich jetzt verstärkt dort einsetzen, wo es am nötigsten und am schwierigsten ist: direkt vor Ort bei der Bevölkerung. „Durch diese Schließungen können wir unsere Ressourcen auf Aktivitäten in den Dörfern umverteilen. Dazu gehört zum Beispiel die Überwachung von Krankheitsfällen und die Gesundheitsförderung. Außerdem liegt unser Schwerpunkt weiterhin auf den Gesundheitsdiensten für die Überlebenden, wozu je nach Bedarf auch Überweisungen und die Betreuung bei psychischen Beschwerden gehören“, fasst Dana Krause zusammen, unsere Notfallkoordinatorin in Sierra Leone.

Gleichzeitig hat Ärzte ohne Grenzen zusätzliche Teams nach Freetown entsandt, wo neue Hotspots entstanden sind. Dazu ist im Kambia-Distrikt ein grenzübergreifendes Überwachungsteam im Einsatz – in diesem Grenzgebiet zu Guinea sind wöchentlich rund 10.000 Grenzgänger unterwegs.

„In dieser Region ist ein weiterreichendes Gesundheitsüberwachungssystem erforderlich, wenn wir die Epidemie aufhalten wollen“, macht Krause deutlich. „Die Anzahl der Neuinfizierten ist in Sierra Leone noch immer alarmierend und die Entwicklung in den kommenden Wochen wird entscheidend sein.“

In Kissy, außerhalb von Freetown, eröffnete Ärzte ohne Grenzen Ende Januar eine Station für schwangere Frauen mit Ebola. Dort erhalten die Frauen mit bestätigter Ebola-Diagnose oder solche, bei denen Verdacht darauf besteht, spezialisierte Schwangerschaftsbetreuung. Diese Abteilung war zuvor auf dem Schulgelände der Methodist Boys High School untergebracht gewesen, worauf die Regierung entschied, diese an einen anderen Ort zu verlegen.

Forschung & Entwicklung in vollem Gange

Eine klinische Studie über die experimentelle Behandlung von Ebola mit Favipiravir wird derzeit in Ebola-Zentren von Ärzte ohne Grenzen in Guinea durchgeführt. Gleichzeitig werden weitere Möglichkeiten erforscht, darunter eine Studie in Conakry, bei der Ebola-Kranken das Blutplasma von Überlebenden verabreicht wird. Im März wird, ebenfalls in Guinea, mit einer Studie über einen experimentellen Impfstoff gegen Ebola begonnen. „Alle diese Bemühungen sollten zu Innovationen führen, die in den betroffenen Ländern angewendet werden können“, erklärt Dr. Bertrand Draguez, medizinischer Leiter von Ärzte ohne Grenzen. „Diese werden wesentlich zum Schutz der Bevölkerung sowohl bei dieser Epidemie als auch bei zukünftigen Ausbrüchen beitragen.“