Ebola: Krankheitsfälle rückläufig, aber es bleibt noch viel zu tun

26.01.2015
Die Epidemie kann nur besiegt werden, wenn Schwachstellen bekämpft werden.

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Zwei MitarbeiterInnen von Ärzte ohne Grenzen mit Schutzkleidung in der Hochrisiko-Zone des Ebola-Behandlungszentrums "Elwae" in Monrovia.
Yann Libessart/MSF
Monrovia, Liberia, 13.01.2015: Zwei MitarbeiterInnen von Ärzte ohne Grenzen mit Schutzkleidung in der Hochrisiko-Zone des Ebola-Behandlungszentrums "Elwa3" in Monrovia. In Liberia sind die Ebola-Fallzahlen am stärksten zurückgegangen.

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) berichtet von einem Abwärtstrend neuer Ebola-Fälle in seinen Behandlungszentren in Guinea, Liberia und Sierra Leone. Derzeit befinden sich nur über 50 Patienten und Patientinnen in den acht Zentren der Organisation. Dies gibt zwar Anlass zu Hoffnung, die medizinische Hilfsorganisation warnt aber davor, dass verminderte Wachsamkeit die Fortschritte im Kampf gegen die Epidemie gefährden würde.

„Dieser Rückgang ist eine Gelegenheit, die Anstrengungen nun auf die gravierenden Schwachstellen zu konzentrieren, die nach wie vor vorhanden sind" erklärt Brice de la Vingne, Leiter der Einsätze von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel. „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber das Ende der Epidemie werden wir nur erleben, wenn signifikante Verbesserungen beim Melden neuer Fälle und beim Zurückverfolgen der Kontakte der neu Erkrankten durchgeführt werden."

Die Weltgesundheitsorganisation hat letzte Woche verkündet, dass nur etwa die Hälfte der neuen Fälle in Guinea und Liberia bei Personen aufgetreten sind, von denen man wusste, dass sie in Kontakt mit Erkrankten waren. In Sierra Leone verfügt man über keine diesbezüglichen Daten. „Ein einziger neuer Fall ist für einen neuerlichen Ausbruch der Epidemie ausreichend", so de la Vingne weiter. „Solange nicht jeder Mensch, der mit Ebola-Kranken in Kontakt war, identifiziert wurde, können wir nicht ruhig sein."

Es gibt fast keinen Informationsaustausch beim Zurückverfolgen der Kontakte zwischen den drei am meisten betroffenen Ländern. „Die Menschen überqueren häufig die Grenzen, daher ist es essentiell, dass es in jedem Land Kontrollteams gibt, die eng zusammenarbeiten, damit keine neuen Fälle in Regionen eingeschleppt werden, die als Ebola-frei angesehen werden", erklärt de la Vingne. „Dies ist ein regionales Problem, kein nationales. Es wird aber nicht entsprechend damit umgegangen."

Sierra Leone: Fälle rückläufig, Hotspots bleiben bestehen

In den vergangenen zwei Wochen sind die dokumentierten Ebola-Fälle in ganz Sierra Leone auf den niedrigsten Stand seit August zurückgefallen. Die Situation scheint sich in entlegenen, ländlichen Gebieten wie zum Beispiel in Kailahun, einem ehemaligen Ebola-Hotspot, wo Ärzte ohne Grenzen Ende Juni 2014 zu arbeiten begann, schneller zu bessern.Die umfassende Reaktion mit frühzeitigem Fokus auf Aufklärung, Zurückverfolgung von Kontakten und Kontrolle sowie die Zusammenarbeit einer kleinen Zahl von Hilfsorganisationen haben dazu beigetragen, die Krankheit in diesem Distrikt unter Kontrolle zu bringen. Seit 12. Dezember gibt es dort keine neuen Fälle mehr.

Trotz dieser ermutigenden Anzeichen gibt es noch ein paar Hotspots, vor allem die Hauptstadt Freetown, Western Area und den Distrikt Port Loko. Das derzeit vollste Ebola-Behandlungszentrum ist das Prince of Wales-Zentrum in Freetown mit 30 Patienten (Stand: 24. Jänner).

In den überfüllten Slum-Gegenden der Hauptstadt Freetown ist es besonders schwierig, Ansteckungen zu verhindern. An anderen Orten werden die Kontakte von Ebola-Patienten immer noch nicht systematisch zurückverfolgt. Viele werden in ihren Häusern unter Zwangsquarantäne gestellt und erleiden dabei oft Nahrungsmittel- oder Wassermangel. Diese Quarantäne-Maßnahmen können Familienmitglieder auch davon abhalten, sich um eine frühe Behandlung ihrer kranken Angehörigen zu kümmern, weil sie Angst davor haben, zu Hause eingesperrt zu werden.

„Ein zusätzliches großes Problem ist die Lähmung des öffentlichen Gesundheitssystems", erklärt Karline Kleijer, Noteinsatz-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Jeder zehnte Gesundheitsangestellte des Landes ist an Ebola gestorben. Die medizinischen Einrichtungen sind chaotisch, und Menschen, die an anderen Erkrankungen leiden, müssen darum kämpfen, behandelt zu werden."

Vergangene Woche haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen 1,8 Millionen Malaria-Medikamente in Freetown verteilt – es war die bisher größte Verteilung innerhalb eines Ebola-Ausbruchs.

Guinea: Stigma und Angst nach wie vor ein Problem

Auch in Guinea ist die Zahl der Neuinfektionen drastisch zurückgegangen. Dennoch gelten 14 der 33 Präfekturen des Landes nach wie vor als „aktiv". Neue Fälle scheinen derzeit in Landesteilen aufzutreten, die bislang als ruhig galten, wie zum Beispiel Boké, Dabola und Siguri.

Die Überwachung der Fälle, Gesundheitsaufklärung und die Einbeziehung der Bevölkerung finden in Guinea noch immer in nur unzureichendem Maße statt und tragen derzeit kaum zu einer Verbesserung der Lage bei. „Gesundheitspersonal und Ebola-Überlebende werden stigmatisiert, die Menschen haben immer noch Angst davor, sich behandeln zu lassen, und Ebola-Behandlungszentren werden nach wie vor häufig mit Argwohn und Angst betrachtet", erklärt Henry Gray, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen.

Ärzte ohne Grenzen betreibt in Guinea derzeit zwei Ebola-Behandlungszentren, kümmert sich um die Überwachung von Fällen, betreibt Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und bietet Ausbildungen im Bereich Infektionskontrolle an. Ein sogenanntes Rapid Response Team steht bereit, um bei Bedarf zu reagieren.

Liberia: Öffentliche Gesundheitseinrichtungen müssen dringend Betrieb wieder aufnehmen

Am stärksten sind die Ebola-Fallzahlen in Liberia zurückgegangen, wo es landesweit derzeit nur fünf bestätigte Fälle gibt. Im Ebola-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in Monrovia („Elwa3") befand sich am 17. Januar zum ersten Mal seit der Eröffnung des Zentrums kein Patient in Behandlung. Aktuell werden dort zwei Patienten behandelt.

Das ohnehin schwache liberianische Gesundheitssystem ist von der Ebola-Epidemie stark in Mitleidenschaft gezogen worden, und viele Krankenhäuser wurden geschlossen. Auch wenn die ersten Gesundheitseinrichtungen nach und nach ihren Betrieb wieder aufnehmen, muss die Infektionskontrolle oberste Priorität bleiben, um das Risiko eines erneuten Ausbruchs zu reduzieren und das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Gesundheitssystem wiederherzustellen. Aus diesem Grund unterstützt Ärzte ohne Grenzen dreizehn Gesundheitszentren im Bereich Infektionsprävention und -kontrolle und ist derzeit dabei, in Monrovia ein Kinderkrankenhaus mit 100 Betten einzurichten.

Ein Rapid Response Team betreibt außerdem mobile Kliniken, trainiert lokales Gesundheitspersonal im Bereich Triage und Infektionskontrolle und bietet bei Bedarf medizinische Grundversorgung an. Zwischen Oktober und Dezember 2014 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen zudem Malariamedikamente an fast 600.000 Einwohner Monrovias verteilt, um die Zahl der Malaria-Infektionen möglichst gering zu halten.

Ärzte ohne Grenzen betreibt derzeit acht Ebola-Behandlungszentren in Sierra Leone, Guinea und Liberia. Rapid Response Teams stehen bereit, um auftretende Fälle umgehend zu behandeln. Weitere Teams von Ärzte ohne Grenzen kümmern sich um die Überwachung der Fälle, leisten Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und trainieren Mitarbeiter von Gesundheitszentren im Bereich Infektionskontrolle. Seit Beginn des Ausbruchs hat Ärzte ohne Grenzen fast 5.000 Ebola-Patienten behandelt, das entspricht ungefähr 25% aller registrierten Fälle. Außerdem ist Ärzte ohne Grenzen derzeit an zwei klinischen Medikamentenstudien beteiligt: einer von der Universität Oxford geleiteten Studie in Liberia sowie einer vom INSERM durchgeführten Studie in Guinea. In den drei am stärksten von Ebola betroffenen Ländern sind derzeit mehr als 4.000 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz.