Nordwest-Syrien im Winter: Verzweiflung und Vertreibung

10.01.2020
Laut UN-Angaben wurden alleine seit Dezember letzten Jahres mehr als 300.000 Menschen durch Kampfhandlungen neu vertrieben, hauptsächlich aus dem Süden von Idlib. Auf Grund der begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten und kalten Temperaturen ist ihre Situation besonders schwierig.
Despair and displacement in wintery northwest Syria
MSF
A kid goes back to his tent, carrying blankets that he received during an MSF distribution. On the 7th of January 2019, MSF distributed hygiene kits and winter relief supplies (blankets, mattresses, jerrycans) in a camp located in the Jebel Harem area of Northwest Syria. The camp currently hosts about 120 families, including approx. 50 newly displaced families who have had to flee due to the recent military offensive in Northwest Syria. MSF carried out an emergency distribution for these families.

Laut UN-Angaben wurden alleine seit dem 1. Dezember letzten Jahres mehr als 300.000 Menschen durch Kampfhandlungen neu vertrieben, hauptsächlich aus dem Süden von Idlib. Im nördlichen Teil von Idlib, nahe der türkischen Grenze, lebten bereits rund 1,5 Millionen schutzbedürftige Menschen. Die Vertriebenen sind verängstigt und fühlen sich entwurzelt. Auf Grund der begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten und kalten Wintertemperaturen ist ihre Situation besonders schwierig.

„Wir hören verstörende Geschichten, wenn wir mit unseren mobilen Kliniken unterwegs sind“, berichtet einer der Logistik Manager. „Trotz Wintertemperaturen erzählen uns die Menschen, dass sie sonnige Tage fürchten; für sie ist das ein schlechtes Zeichen. Denn die Flugzeuge werfen Bomben ab, wenn der Himmel klar ist. Deshalb bevorzugen sie Tage, die kalt, neblig und regnerisch sind. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist sonnig….“

„In den Camps erlebt man viel Traurigkeit und Verzweiflung,“ fährt der Logistik-Manager fort. „Ich habe mit einem Mann gesprochen, der in einer Reihe auf eine Hilfsgüterverteilung wartete. Ich fragte ihn nach seiner Hoffnung und seinen Plänen für die Zukunft. Seine Stimme zitterte als er mir von seinem größten Wunsch erzählte: dass seine Familie diesmal zum letzten Mal fliehen musste. Welche Antwort gibt man darauf?“

Teams von Ärzte ohne Grenzen betreiben im Nordwesten Syriens vier mobile Kliniken, die in mehr als 15 Vertriebenenlagern und informellen Ansiedlungen medizinische Hilfe leisten. Sie behandeln etwa 4.500 Patienten pro Monat, die Hälfte von ihnen sind Kinder unter 15 Jahren. Die Teams verteilen auch Hilfsgüter in den Lagern und kümmern sich um Wasserversorgung und Sanitäranlagen. Eine spezialisierte Klinik im Nordwesten Syriens behandelt zudem Opfer häufig vorkommender Verbrennungen stationär. Sie nimmt Operationen und Hauttransplantationen vor, leistet Physiotherapie und psychologische Hilfe. Die Teams unterstützen zudem mehrere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in den Provinzen Idlib und Aleppo.

Um von politischem Einfluss jeglicher Konfliktpartei unabhängig zu sein, finanziert Ärzte ohne Grenzen seine Hilfe in Idlib ausschließlich aus Privatspenden und nimmt keine staatlichen oder UN-Gelder an. Ärzte ohne Grenzen ist kein Implementierungspartner von UN-Organisationen und arbeitet unabhängig von ihnen.