Tadschikistan: Ärzte ohne Grenzen Pionier in der Behandlung von Kindern mit multiresistenter Tuberkulose

11.10.2012
Neues Programm in Machiton
Tadschikistan 2012
Natasha Sergeeva/MSF
Machiton, Tadschikistan, 10.10.2012: Kinder, die an Tuberkulose leiden, werden in der neu errichteten TB-Station zusätzlich zu ihrer Behandlung auch in ihrer Entwicklung gefördert.

Zum ersten Mal werden in Tadschikistan Kinder, die an multiresistenter Tuberkulose (MDT-TB) leiden, gegen diese lebensbedrohende Krankheit behandelt. Ärzte ohne Grenzen hat im Spital von Machiton, in der Nähe der Hauptstadt Duschanbe, eine neue Station eröffnet. Dort sollen in den nächsten drei Monaten 60 bis 100 Kinder mit TB und ihre Familienmitglieder behandelt werden.

„Wir nennen unser Programm „Familien-TB““, sagt Nana Zarkua, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „In Tadschikistan ist es nichts Ungewöhnliches, wenn gleich einige Mitglieder einer Großfamilie krank sind. Was unser Programm besonders macht, ist die Familien-Herangehensweise an das Problem.“

„Für Ärzte ohne Grenzen bedeutet ein krankes Kind oft den Zugang zu einer Familie mit TB“, sagt Zarkua. „ Wenn wir ein krankes Kind identifizieren, können wir der Familie Informationen darüber geben, wie eine Ausbreitung der Erkrankung verhindert werden kann. Wir können außerdem Kontakte innerhalb der Familie verfolgen, um zu sehen, wer sonst noch infiziert sein könnte."

Systematische Vernachlässigung

In Tadschikistan - einem der ärmsten Länder der ehemaligen Sowjetunion, mit der höchsten Tuberkulose-Rate in Europa – haben Armut und ein unterfinanziertes Gesundheitssystem dazu geführt, dass Menschen mit medikamentenresistenter Tuberkulose (DR-TB) systematisch vernachlässigt werden. Nicht diagnostiziert, unbehandelt und hoch ansteckend, breitet sich die Krankheit schnell unter ihren Freunden und Verwandten aus, zerstört Familien und schafft Stigmatisierung und Angst.

Kinder wurden am allermeisten vernachlässigt. Bis Ärzte ohne Grenzen das neue Programm einrichtete, wurde kein einziges Kind in Tadschikistan gegen MDR-TB behandelt. „Unter den TB-Ärzten hier ist die Ansicht weit verbreitet, Kinder sollten nicht mit Medikamenten der sogenannten zweiten Behandlungslinie behandelt werden“, erklärt Zarkua. „Andere leugnen sogar die Möglichkeit einer DR-TB bei Kindern, weil es so schwierig ist, sie zu diagnostizieren und zu beweisen.“

Die nächsten Schritte

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen hoffen darauf, einen Weg zur schnellen Diagnose der DR-TB bei Kindern dieser Altersgruppe zu finden. Sie behandeln – bis kindgerechte Tuberkulose-Medikamente zur Verfügung stehen – die jungen Patientinnen und Patienten mit Medikamenten für Erwachsene, eine Methode, die schon erfolgreich in anderen TB-Programmen auf der ganzen Welt angewendet wurde. Ärzte ohne Grenzen renoviert außerdem eine verlassene Hütte auf dem Spitalsgelände, um sie als Sputum-Induktions-Raum (zur Abgabe und Analyse von Sputum) zu nützen. Dieser Raum wird der erste seiner Art in Zentralasien sein.

Spiele und Kreativität

Bisher mussten alle jungen Patientinnen und Patienten für die gesamte Dauer ihrer Behandlung im Krankenhaus bleiben. Dort waren sie von ihren Familien isoliert und hatten nur wenige Ablenkungen oder Unterhaltung. Aber im Spital von Machiton werden die Kinder – so weit möglich – ambulant behandelt. So können sie bei ihren Familien bleiben und ihr gewohntes Leben weiterführen.

Die Kinder im Krankenhaus werden dazu ermutigt, an „Entwicklungs-Aktivitäten“ teilzunehmen: Spielen, Lesen, Zeichnen und Puzzle legen mit geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen. „Unser psychosoziales Team hat für jede Altersgruppe Strategien entwickelt, damit die Kinder Anregungen erhalten, die ihrer altersgemäßen Entwicklung förderlich sind“, erzählt Nana Zarkua.

Zurück in der Schule

Wenn die jungen Patientinnen und Patienten nicht mehr ansteckend sind, wird Ärzte ohne Grenzen dabei helfen, ihre Schulen dazu zu überreden, dass die Kinder den Unterricht fortsetzen können. „Wir hatten bereits ein besonders erfolgreiches Beispiel, als Ärzte ohne Grenzen dazu drängte, ein Teenager-Mädchen mit negativem Abstrich wieder in der Schule zu aufzunehmen“, sagt Zarkua.

Im Krankenhaus werden nährstoffreiche Lebensmittel zur Verfügung gestellt, und die Familien der Kinder, die sich in ambulanter Pflege befinden, erhalten wöchentliche Pakete mit Nahrungsmitteln mit hohem Eiweißgehalt – Fleisch, Fisch oder Kondensmilch – die sie sich sonst vielleicht nicht leisten könnten. Ärzte ohne Grenzen stellt außerdem Handys und Geld für den Transport zur Verfügung, um Familien Kommunikations-und Reisekosten zu erleichtern.