05.07.2021
Politisch motivierte Festsetzungen hindern Such- und Rettungsschiffe daran, Menschenleben im Mittelmeer zu retten. Das muss aufhören.

Hunderte Menschen sterben im zentralen Mittelmeer während Schiffe von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in europäischen Häfen festgehalten werden, warnt Ärzte ohne Grenzen. Die Geo Barents ist der jüngste Fall eines NGO-Schiffes, das von italienischen Hafenbehörden festgesetzt wurde. Ärzte ohne Grenzen fordert die italienischen Behörden auf, die Geo Barents, die in Augusta (Sizilien) liegt, schnell freizugeben, damit das Schiff wieder in See stechen kann.

Festsetzung nach 14-stündiger Inspektion

Nach einer 14-stündigen Inspektion am 2. Juli im Hafen von Augusta wurde die Geo Barents festgesetzt, nachdem insgesamt 22 technische Mängel festgestellt wurden, von denen 10 angeblich ein Grund für die Festsetzung des Schiffes waren. Ärzte ohne Grenzen ist bereit, alle notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Dennoch ist der Organisation aufgrund früherer Erfahrungen bekannt, dass die Behörden diese Art der Inspektion nutzen, um unter dem Deckmantel von Verwaltungsverfahren politische Ziele zu verfolgen. Ärzte ohne Grenzen betreibt die Geo Barents seit Mai. Das Schiff ist für Such- und Rettungsaktivitäten vollständig zertifiziert und erst kürzlich neu ausgerüstet worden und hält sich stets an die geltenden Regeln und Vorschriften der zuständigen Seebehörden. 

Politisch motivierte Festsetzungen

„Während Hafenstaatkontrollen legitime maritime Verfahren sind, die entwickelt wurden, um die Sicherheit der Schifffahrt auf See zu gewährleisten, werden diese Inspektionen inzwischen von staatlichen Behörden instrumentalisiert, um NGO-Schiffe auf diskriminierende Weise ins Visier zu nehmen", erklärt Duccio Staderini, Experte für Seenotrettung von Ärzte ohne Grenzen. „Wir können daher nur zu dem Schluss kommen, dass dies politisch motiviert ist. Die Inspektionen von NGO-Schiffen in italienischen Häfen sind langwierig und zielen darauf ab, Unregelmäßigkeiten zu finden, aufgrund derer verhindert werden kann, dass das Schiff zur Rettung von Menschenleben wieder in See sticht. Wir sind mit einer erdrückenden Realität konfrontiert: Während NGO-Schiffe festgehalten werden, sterben im Mittelmeer weiterhin Menschen, obwohl wir es verhindern könnten", betont Staderini.

Es geht um Menschenleben

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen retteten vom 10. bis 12. Juni in mehreren Rettungsaktionen 410 Menschen, die alle Anzeichen extremer Erschöpfung und verschiedene andere Verletzungen aufwiesen. Unter ihnen waren 16 Frauen, von denen sechs allein reisten und eine schwanger war, sowie 101 unbegleitete Kinder. Die meisten Menschen stammten aus Ländern, in denen Krieg herrscht, wie Syrien, Äthiopien, Eritrea, Sudan und Mali. 

Seit Anfang 2021 mehr als 700 Menschen im Mittelmeer ertrunken

Während wir die Opfer des letzten Schiffsunglücks wenige Meilen vor der Küste von Lampedusa betrauern, gibt es Berichte über ein weiteres Schiffsunglück vor Tunesien. Leichen von Frauen und Kindern werden an der libyschen Küste angespült. In nur sechs Monaten, seit Anfang 2021, wurden mindestens 721 Menschen bei dem Versuch, die tödlichste Seegrenze der Welt zu überqueren, für tot oder vermisst erklärt.