Mit dem Kühlschrank durch den Dschungel

09.05.2013
Mobiler Einsatz gegen gefährliche Schlafkrankheit

Themengebiet:

Häuser in der Stadt Bili.
Stefan Dold/MSF
Bili, Demokr. Republik Kongo, 10.04.2013: Die Stadt Bili im Norden der Demokratischen Republik Kongo.

In der Demokratischen Republik Kongo liegt eines der am schlimmsten betroffenen Verbreitungsgebiete der Schlafkrankheit. Ein mobiles Team von Ärzte ohne Grenzen ist unterwegs, um die Krankheit zu diagnostizieren und zu behandeln.

Seit Anfang April testet das mobile Team im Krankenhaus der Stadt Bili im äußersten Norden des Landes die Bevölkerung und behandelt Infizierte. „Hier im Distrikt Bas-Uélé in der Provinz Orientale befinden wir uns in dem Gebiet, das weltweit als aktivster Verbreitungsherd der Schlafkrankheit gilt. Trotzdem wird gegen diese tödliche Krankheit hier einfach nicht vorgegangen, weil die Region so unsicher und abgelegen ist“, erklärt Projektleiter Will Turner.

Mobile Teams suchen infizierte Personen

Nachdem die Ärzte ohne Grenzen-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Krankenhaus von Bili ein medizinisches Labor und eine Krankenstation eingerichtet haben, werden sie in den einzelnen Stadtteilen unterwegs sein, um die gesamte Bevölkerung auf die Parasiten der Tropenkrankheit zu testen. Infizierte Patienten werden sie im Krankenhaus behandeln. Ab Mai werden mobile Teams in die Dörfer im Gebiet um Bili fahren. „Wir wollen etwa 40.000 Personen in mehr als 50 Dörfern zu testen“, erklärt Will Turner. „Das Team wird mehrmals drei bis vier Wochen am Stück unterwegs sein, manchmal mit Motorrädern auf kaum befahrbaren Pfaden durch den Urwald. Wir werden jeden Tag in einem neuen Dorf testen und in Zelten übernachten. Wir erwarten, dass wir auf diese Weise mehrere hundert infizierte Patienten ausfindig machen und heilen können.“

Großer logistischer Aufwand

Die logistischen Herausforderungen des Projekts sind enorm. Bili befindet sich mitten im Äquatorialwald zwischen dem Fluss Uélé und der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Lastwagen mit Nachschub müssen Flüsse auf hölzernen Flößen überqueren und sich über schlammige Pisten nach Bili durchschlagen, die manchmal durch umgestürzte Bäume blockiert werden und in der Regenzeit oft unbefahrbar sind. Es kann bis zu einem Monat dauern, bis sie Bili erreichen. Kleinere Mengen an Material können mit Kleinflugzeugen eingeflogen werden, die auf einer improvisierten Piste landen.

Auch die Touren durch die Dörfer bedeuten einen gewaltigen Aufwand. Einige Bestandteile der Tests müssen rund um die Uhr gekühlt werden – auch im tiefsten Urwald sind deshalb Kühlschränke und ein Generator notwendig. Darüber hinaus ist die Diagnose der Schlafkrankheit äußerst kompliziert. Erfahrene Labortechniker müssen empfindliche Geräte wie Mikroskope und Zentrifugen durch den Regenwald transportieren. Dieser innovative Ansatz ermöglicht es dem Team, mit den Tests ein deutlich größeres Gebiet abzudecken und auch Krankheitsherde in den abgelegensten Regionen zu finden. Das mobile Schlafkrankheitsteam hat zuvor ähnliche Einsätze im Südsudan, im Tschad, in der Zentralafrikanischen Republik und in der Republik Kongo durchgeführt.

Vernachlässigte Krankheit

Die Schlafkrankheit ist eine der so genannten vernachlässigten Tropenkrankheiten. Sie wird von der Tsetsefliege übertragen und endet unbehandelt immer tödlich. 85 Prozent aller nachgewiesenen Fälle stammen aus der Demokratischen Republik Kongo.

„Wenn man es schafft, alle infizierten Patienten in einem Gebiet zu finden und zu behandeln, dann verhindert man gleichzeitig die Verbreitung des Parasiten – und die Schlafkrankheit wäre dann in diesem Gebiet eliminiert“, erklärt Will Turner. „Aber der Kongo ist riesig und es ist sehr schwierig, alle Verbreitungsgebiete zu erreichen. Das Nationale Kontrollprogramm des Kongo für die Schlafkrankheit ist zwar eines der größten in Afrika. Aber bevor eine Eliminierung der Schlafkrankheit – wie sie die Weltgesundheitsorganisation als Ziel ausgegeben hat – jemals erreicht werden kann, müsste man dieses Programm deutlich ausweiten und besser finanzieren, damit es auch in abgelegenen Regionen wie Bili tätig werden kann. Außerdem brauchen wir dringend einfachere Tests und bessere Medikamente.“

Bili ist das dritte Schlafkrankheitsprojekt von Ärzte ohne Grenzen in der Region. Die Organisation war vor vier Jahren schon einmal in der Stadt aktiv. Damals stellten die Mitarbeiter eine hohe Verbreitung der Schlafkrankheit fest und behandelten 120 Patienten in nur drei Monaten. Doch das Projekt musste vorzeitig aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Jetzt plant das Team, die Bevölkerung des Gebiets in gewissen Abständen mehrfach zu testen und Infizierte zu behandeln, um die Verbreitung der Schlafkrankheit zu beobachten. „Wir haben uns vorgenommen, in Bili zu bleiben, bis wir die Krankheitslast in der Region deutlich gesenkt haben“, sagt Will Turner.