Flüchtlinge auf Kos: Die Geschichte des kleinen Adnan

24.09.2015
Der kleine Adnan wurde in Syrien schwer verletzt. Er und seine Familie warteten tagelang auf der griechischen Insel Kos auf ihre Papiere. Uns erzählten sie ihre Geschichte.
Adnan
Alva White/MSF
Adnan, is five years old and from Aleppo, living on the streets of Kos. Greece, having arrived as a refugee from Syria.

In Kos unterstützen wir Menschen auf der Flucht mit psychologischer Hilfe. Viele von ihnen haben schlimme Erlebnisse hinter sich. Die Geschichte des kleinen Adnans und seiner Familie, deren Haus im syrischen Aleppo bombardiert wurde, ist eine davon.

Wir trafen Adnan in der Umgebung der dreckigen und überfüllten Polizeistation von Kos, wo hunderte Geflüchtete angespannt darauf warten, Papiere zu erhalten, die es ihnen erlauben, die Insel zu verlassen. Adnans Energie brachte einen Funken Freude in diese frustrierende, langwierige Situation. Gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater, seinen Großeltern, seiner jüngeren Schwester und dem zwei Monate alten Baby der Familie verbrachte Adnan neun Nächte auf den Straßen von Kos. Am 7. September bekam die Familie endlich die Papiere ausgehändigt, die es ihnen ermöglichten, ein Fährticket nach Athen zu kaufen. Alle waren spürbar erleichter, die Insel verlassen zu können.

Eine Bombe zerstört das Leben einer Familie

Adnans Vater arbeitete in Syrien als Dozent für arabische Literatur: „Wir lebten in einer kleinen Stadt in der Nähe von Aleppo. Vor 18 Monaten schlug eine Bombe in unser Haus ein. Adnan war zu diesem Zeitpunkt allein in seinem Schlafzimmer und wurde schwer verletzt. Seine Tante und zwei seiner Cousinen wurden bei der Explosion getötet. Adnans Mutter zog sich schwere Verbrennungen zu. Ein Krankenwagen konnte uns über die nahe Grenze in die Türkei bringen, wo wir in einer provisorischen Klinik eine medizinische Notfallversorgung erhielten. Ich kann mich an kaum etwas aus dieser Nacht erinnern. Wir waren in einem furchtbaren Zustand und standen unter extremem Schock. Wir konnten eigentlich nichts mehr tun.

Wir blieben vier Monate in der Türkei. Sie halfen uns dort, so viel sie konnten, aber die Möglichkeiten waren sehr eingeschränkt. Wir hatten kein Geld, um Adnan die medizinische Hilfe zukommen zu lassen, die er benötigt. Unsere einzige Möglichkeit war es, von dort wegzugehen. Wir hatten keine Wahl. Man sagte uns immer wieder, wir sollten nach Deutschland gehen, also haben wir uns entschieden, den anderen zu folgen.

Adnan bekommt bei Geräuschen Angst

Wir sind nun bereits seit sieben Tagen in Kos. Wir haben keinen bestimmten Platz, wir ziehen umher, manchmal schlafen wir im Zelt, manchmal in einem Garten, wir suchen nach ruhigen Orten. Adnan hat Schwierigkeiten, nachts zu schlafen. Bei allen möglichen Geräuschen bekommt er Angst, selbst wenn ein Auto startet. Von Bodrum nach Kos haben wir zweieinhalb Stunden gebraucht. Wir fuhren in einem aufblasbaren Boot, das für 20 Personen gedacht war. Wir waren wohl 50 bis 60 Menschen auf dem Boot.

Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Ich habe für meine Zukunft die gleichen Hoffnungen wie alle anderen. Ich möchte meine Kinder zur Schule schicken. Ich würde mir wünschen, dass Adnan eine spezialisierte rekonstruktive chirurgische Hilfe bekommt, damit er in der Schule wegen seiner Verletzungen aus dem Krieg nicht diskriminiert wird.

Unsere Familie wurde in die Situation gebracht, in der wir keine andere Wahl hatten, als Syrien zu verlassen und dann auch aus der Türkei wegzugehen. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen. Wir haben nichts zu verlieren. Alles was wir haben, ist die Kleidung, in der wir angekommen sind.“