25.10.2021
In unserer täglichen Arbeit sehen wir die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Patient:innen und unsere humanitären Hilfsaktivitäten. Die Lage ist ernst.

Schon lange beobachten wir aufmerksam die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Patient:innen und unsere humanitären Hilfsaktivitäten. Wir reagieren bereits auf viele der drastischsten Krisen in der Welt - Konflikte, Katastrophen, Krankheiten, Vertreibung - und sehen die Folgen, die Klimawandel und Umweltzerstörung auf extrem gefährdete Menschen haben können.

In einem neuen humanitären Kurzbericht für den „Lancet Countdown on Health and Climate Change 2021“ berichten Mitarbeiter:innen von Ärzte ohne Grenzen aus verschiedenen Disziplinen von ihren Erfahrungen. 

Sie berichten, wie ...

  • Umweltveränderungen und klimabedingte Katastrophen zur verstärkten Übertragung von Infektionskrankheiten wie Malaria, Denguefieber und Cholera beigetragen haben.
  • die Auswirkungen von Wasserknappheit und Ernährungsunsicherheit zu Mangelernährung führen.
  • die Folgen von Hitzeeinwirkung zu akuter Dehydrierung führen.
  • extreme Wetterereignisse und ihre Folgen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben.  

Wir sind keine Klimaexpert:innen - aber nachdem wir seit Jahren beobachten, wie der Klimawandel die gesundheitlichen und humanitären Krisen in den verschiedenen Kontexten, in denen wir tätig sind, wahrscheinlich verschlimmert hat, müssen wir darüber sprechen.

Carol Devine, Leiterin der humanitären Aktion zu Klima und Umwelt bei Ärzte ohne Grenzen

Wir haben hier drei Ausschnitte aus dem “Lancet Countdown” Bericht für Sie ausgesucht, die zeigen, wie die klimatische Veränderungen unsere Arbeit und das Leben unserer Patient:innen beeinflusst. Um den vollständigen Bericht zu lesen, klicken Sie hier.   

Somalia: Klimawandel, Instabilität und Mangelernährung

Mehr als zwei Jahrzehnte Konflikt, politische Instabilität und extreme klimatische Bedingungen haben in Somalia zu einer der langwierigsten humanitären Krisen der Welt geführt. Intensive und häufige Überschwemmungen, Dürreperioden und Heuschreckenschwärme in der Wüste haben die Lebensgrundlagen der Menschen dramatisch verschlechtert.

Der Wettbewerb um die knappen Ressourcen hat sich dadurch verschärft, was wiederum die bestehenden Spannungen intensiviert und die am stärksten ausgegrenzten Menschen trifft.  

Habiba Dahir Issack
Paul Odongo/MSF
Wasser wird vielerorts in Somalia immer knapper. Unsere Teams versuchen die notwendige Wasserversorgung herzustellen.

Wasserknappheit, die verringerte Nahrungsmittelproduktion und die verminderte Nährstoffqualität einiger Getreidearten erhöht das Risiko von Mangelernährung, wobei Kleinkinder oft am stärksten betroffen sind.  

Unsere Teams bekämpfen Mangelernährung im Süden Somalias. Durch aktive Überwachung, Screenings und ambulante Behandlungen wird versucht, akuter Mangelernährung rechtzeitig vorzubeugen. 

 

Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach Nahrung und Wasser. Auch Hirt:innen sind betroffen, da sie ihr Vieh verloren haben, das Berichten zufolge aufgrund der Wasserknappheit verdurstet ist.

Mohamed Ahmed, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Jubaland

Honduras: Klimakatastrophen schwächen das Gesundheitssystem

Ende 2020, als die Wirbelstürme Eta und Iota kurz hintereinander über Mittelamerika hinwegfegten, wurden mehr als 120 Gesundheitszentren in Honduras beschädigt oder zerstört. Zwei Millionen Menschen hatten keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Impact of hurricanes Eta and Lota
MSF/DEIBY YANES
Klimakatastrophen, wie Wirbelstürme, nehmen vielen Menschen die Lebensgrundlage. Oft bleibt nur noch die Flucht.

Unsere Teams versuchen die geschwächte medizinische Infrastruktur zu stärken und unterstützen die Gesundheitsbehörden in Honduras, aber viele Menschen haben keine andere Wahl, als ihre Heimat zu verlassen:

"Wir haben auf den Feldern geschlafen. Wir haben Hunger und schlaflose Nächte ertragen. In der Notunterkunft sagte man uns, dass sie geschlossen sei. Ich habe Angst, auf der Straße zu bleiben, weil wir hier nicht geschützt sind. Ich habe Angst, dass man mir meinen Sohn wegnimmt. Ich schlafe nicht, denn während mein Sohn schläft, halte ich Wache.”

- Kimberly, eine Frau aus Honduras, die ihr Haus und ihr Hab und Gut in den Wirbelstürmen verloren hat. Jetzt ist sie auf der Flucht nach Mexiko, um sich und ihrer Familie ein neues Leben aufzubauen.

Pakistan: Stromversorgung mit Solarenergie

In vier Distrikten von Belutschistan, Pakistan, unterstützen unsere Teams Gesundheitseinrichtungen, die jedes Jahr mehr als 12.000 werdende Mütter und etwa 10.000 mangelernährte Kinder versorgen.

Häufige Stromausfälle und steigende Temperaturen im Sommer erschweren jedoch die Aufrechterhaltung einer ertragbaren Temperatur für Patient:innen, medizinisches Personal und vor allem für die Aufbewahrung von Medikamenten. Angesichts häufiger Stromausfälle und Temperaturen, die im Sommer bis zu 50 Grad Celsius erreichen können, ist dies eine Herausforderung. 

Um dieses Problem zu lösen, haben unsere Teams in einigen Einrichtungen in Dera Murad Jamali, Chaman und Kuchlak Solaranlagen installiert. Ergänzend zum Netz- oder Generatorstrom liefern diese Systeme unterbrechungsfreien Strom für Beleuchtung, Klimaanlagen und Ventilatoren sowie Wasserpumpen und Kühlung und vermeiden gleichzeitig mehr als 50.000 kg CO2-Emissionen pro Jahr.   

Kuchlak Maternal and Child Health Facility
Nasir Ghafoor/MSF
In dieser Klinik in Kuchlak wird der Strom zum Teil durch Solaranlagen gewonnen.

Als Mediziner:innen ist es nicht nur unsere Aufgabe, Menschen zu behandeln, sondern auch zu verhindern, dass in Zukunft Krankheiten auftreten. Wir müssen auch an die Zukunft denken, während wir versuchen, die Gesundheitsprobleme von heute zu lösen.

Monica Rull, Medizinische Direktorin von Ärzte ohne Grenzen

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