Schwere Bombenangriffe vernichten die Gesundheitsversorgung im Nordwesten Syriens

Nach massiven Bombenangriffen gibt es im Nordwesten Syriens kaum noch medizinische Versorgung. In der Provinz Idlib und im Norden der Provinz Hama.
29.09.2017

Nach massiven Bombenangriffen gibt es im Nordwesten Syriens kaum noch medizinische Versorgung. In der Provinz Idlib und im Norden der Provinz Hama haben Luftangriffe seit dem 19. September stark zugenommen. In der Folge schließen die Krankenhäuser in der Region entweder, weil sie getroffen wurden, oder aus Angst vor einem Bombardement. Die Menschen dort haben so immer weniger Möglichkeiten, lebensrettende medizinische Hilfe zu bekommen in einer Zeit, in der sie diese besonders dringend brauchen. Ärzte ohne Grenzen betreibt im Norden Syriens vier Gesundheitseinrichtungen sowie drei mobile Kliniken und hat Partnerschaften mit fünf weiteren Einrichtungen. In den landesweit 73 von Ärzte ohne Grenzen unterstützten medizinischen Einrichtungen sind keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisation selbst tätig.

 

Das von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Hama Central/Sham-Krankenhaus wurde am Morgen des 26. September bei einem Bombenangriff getroffen und ist nun außer Betrieb. Weder Mitarbeiter des Krankenhauses noch Patienten und Patientinnen wurden bei dem Angriff getötet. Das Krankenhaus war das einzige in der Region, in dem noch lebensrettende chirurgische Eingriffe vorgenommen werden konnten. Ärzte ohne Grenzen hat es seit 2014 regelmäßig mit medizinischem Material unterstützt.

 

Drei weitere Krankenhäuser in der Provinz Idlib wurden am 19. September bei Luftangriffen getroffen und sind außer Betrieb. Zwei wichtige Krankenhäuser im Distrikt Dschisr al-Schugur wurden in der Nacht zum 27. September aus Angst vor Luftangriffen evakuiert. Die verbleibenden medizinischen Einrichtungen in der Region sind nun völlig überlaufen und haben große Schwierigkeiten, die Verwundeten zu versorgen, die sie in Wellen erreichen.

 

Sechs weitere von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Krankenhäuser und Gesundheitszentren in den Provinzen Idlib und Hama meldeten 241 Verwundete und 61 Todesfälle in der Woche vom 20. bis 27. September. Ein ungewöhnlich hoher Anteil der Verwundeten (41 Prozent) waren nach Angaben der Klinikverantwortlichen Schwerverletzte, mehr als die Hälfte waren Frauen und Kinder unter 15 Jahren. Ein Krankenhaus meldete allein für den 20. und 21. September 99 Verwundete und 21 Tote. Danach wurde dieses Krankenhaus aus Angst, es könne gezielt angegriffen werden, evakuiert. Die anderen fünf Krankenhäuser sind derzeit noch in Betrieb. Ärzte ohne Grenzen hat ihnen umgehend zusätzliches medizinisches Material gesendet. Doch diese Unterstützung kann nur voll greifen, wenn die Einrichtungen vor Angriffen sicher sind.

 

„Krankenhäuser in Idlib sind derzeit ganz offenkundig nicht sicher vor Bombardierungen, und das ist unfassbar“, sagt Brice de le Vingne, Programmverantwortlicher für Syrien. „Die Angst vor Angriffen zwingt Kliniken dazu, ihre Hilfe einzuschränken oder ganz einzustellen. Das hat Folgen für alle, die Kranken, Verletzten und Schwangeren. Laut humanitärem Völkerrecht, dem sogenannten Kriegsrecht, hat jeder das Recht auf medizinische Versorgung – egal ob Kämpfer oder Zivilist. Medizinische Einrichtungen dürfen nicht angegriffen werden. Die Kriegsparteien, aber auch ihre politischen und finanziellen Unterstützer, haben sich bei den Vereinten Nationen immer wieder dazu verpflichtet, diese Regeln zu befolgen. Würden sie das wirklich wollen, könnten sie ihrer Verantwortung auch gerecht werden.“