Warnung vor Gesundheitskatastrophe in Haiti

24.10.2022
Viele Bewohner:innen des Landes haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Ein Cholera-Ausbruch verschärft die Situation.


Ärzte ohne Grenzen ist besorgt über die sich weiter verschlechternde gesundheitliche und humanitäre Situation der Menschen in Haiti. Die stark zunehmende Gewalt und der andauernde Treibstoffmangel führen unter anderem dazu, dass viele Bewohner:innen des Landes keinen Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung haben. Der jüngste Ausbruch der Cholera hat die Situation weiter verschärft.

„Vergangene Woche kam eine schwangere Frau in unser Krankenhaus in Cité Soleil, die einen Not-Kaiserschnitt benötigte. Wir versuchten, sie in eine medizinische Einrichtung zu verlegen, in der sie diese Art von Behandlung erhalten könnte, aber sie starb", erklärt die Ärztin Luxamilda Jean-Louis. „Ob es nun an der Unsicherheit auf den Straßen liegt oder daran, dass die Gesundheitseinrichtungen nicht mehr funktionieren. Diese Art der Vorfälle ereignet sich jeden Tag in Port-au-Prince. Die Situation ist so unbeständig, dass sie sich von einem Tag auf den anderen, ja sogar von einer Stunde auf die nächste ändern kann." Seit einigen Tagen sind die meisten Krankenhäuser in der Stadt, die auf Generatoren angewiesen sind, gezwungen, ihre Leistungen einzuschränken und möglicherweise zu schließen, weil der Treibstoff knapp wird.


Täglich mehr als 100 Patient:innen mit Cholera-typischen Symptomen behandelt
 

Seit dem Ausbruch der Cholera, der am 2. Oktober offiziell bestätigt wurde, haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen täglich mehr als hundert Patient:innen behandelt, die Cholera-typische Symptome hatten. „Unsauberes Wasser ist eine der Hauptursachen für die Ausbreitung der Cholera, so dass die Folgen eines Mangels an sauberem Wasser in diesem Kontext katastrophal sind. Ohne trinkbares oder aufbereitetes Wasser und eine gute Abfallentsorgung ist das Risiko eines sprunghaften Anstiegs der Krankheitsfälle sehr hoch und dieser Entwicklung muss dringend entgegengewirkt werden", sagt Auguste Ngantsélé, der medizinische Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Haiti.
 
Neben dem Zugang zu Wasser und dem Aufbau von Versorgungskapazitäten muss die Bevölkerung auch Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen haben. Dieser Zugang ist jedoch eine ständige Herausforderung in der haitianischen Hauptstadt: Es ist oft sehr schwierig, eine Klinik oder ein Spital zu erreichen, die in der Lage ist, die benötigte Behandlung zu leisten. Ärzte ohne Grenzen erlebt diese Situation jeden Tag bei den medizinischen Aktivitäten, sei es bei der Versorgung von Traumapatient:innen, Opfern von Verbrennungen, lebenswichtigen Notfällen oder Überlebenden sexualisierter Gewalt.
 
In den letzten Tagen hat Ärzte ohne Grenzen die Aktivitäten weiter verstärkt, indem die chirurgischen Kapazitäten einiger Projekte sowie die Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Cholera ausgebaut wurden.
 
 Ärzte ohne Grenzen bietet in Haiti seit mehr als 30 Jahren eine kostenlose medizinische Versorgung an und betreibt derzeit sieben Projekte im ganzen Land.