2021 begann in Belarus eine Notlage, die sich ab Sommer vergangenen Jahres immer weiter zuspitzte: Menschen unter anderem aus Afghanistan, Syrien und aus dem Irak versuchten über Belarus in die EU zu gelangen. Daraufhin schotteten sich Polen und Litauen ab und drängten die Schutzsuchenden – teils gewaltsam – zurück nach Belarus, wo sie ebenfalls abgewiesen wurden: In dem Dreiländereck entwickelte sich eine humanitäre Katastrophe. Die flüchtenden Menschen saßen ohne Perspektive an der europäischen Außengrenze fest, abgeschnitten von Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung und bei teils extremer Kälte. Wir entsendeten ein Nothilfeteam in die Region und verlangten in Belarus, Polen und Litauen wiederholt Zugang zu den Menschen in Not – leider vergeblich.
Auf litauischer Seite konnten wir Menschen unterstützen, die nach ihrer Einreise in die EU monatelang in Haftzentren untergebracht wurden und teils keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und warmem Wasser hatten: Ihre Bewegungsfreiheit wurde zunächst für sechs Monate, dann für zwölf Monate und schließlich für 18 Monate eingeschränkt. Viele Patient:innen berichteten von akuten Stresszuständen, Depressionen und Selbstverletzungen bis hin zu Selbstmordabsichten. Der Einsatz in Litauen läuft in diesem Jahr weiter, und auch die verschiedenen Projekte in Belarus setzen ihre Arbeit fort.
2015
Beginn der Arbeit
1,5
Mio. EUR
Ausgaben (Vorjahr)
42
Einsatzkräfte
Ländervergleich Österreich & Belarus (Weißrussland)
Behandlung von Menschen mit Tuberkulose
Im Jahr 2021 unterstützten wir weiterhin das nationale Tuberkulose-Programm in sechs öffentlichen Kliniken, drei davon in Minsk. Die Hauptstadt Minsk gehört zudem zu den sieben Standorten, an denen wir eine Studie, genannt TB-PRACTEAL, betreuten. Dabei geht es um die Erforschung kürzerer Behandlungszeiten und innovativer Medikamentenregime gegen multiresistente Tuberkulose. Wir konnten diese erfolgreich erproben.
Wir fokussieren auf TB-Patient:innen, die zugleich alkoholabhängig sind. Besonders hart betroffen sind Menschen in Hafteinrichtungen: Denn Inhaftierte erkranken deutlich häufiger an TB als der Rest der Bevölkerung. In Zusammenarbeit mit den belarussischen Gesundheitsbehörden wollen wir auch auf die Bedeutung psychischer Gesundheit hinweisen und langfristige Verbesserungen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung in die Wege leiten.

Innovation durch medizinische Studien
Tausende Menschen versuchten 2021 über Belarus nach Europa zu gelangen. Doch in der Grenzregion saßen viele Menschen unter unerträglichen Bedingungen, die ihre Leben gefährdeten, zwischen den Grenzen fest. Sie hatten Angst, Gewalt ausgesetzt zu sein und nach Belarus zurückgeschickt zu werden. Tatsächlich wurden die meisten von ihnen durch Grenzpolizist:innen aus Polen, Litauen und Belarus zurückgewiesen. Sie hatten praktisch keine Möglichkeit, humanitäre und medizinische Hilfe zu erhalten. Wir unterstützten die über Belarus verstreuten Menschen und versuchten auch in den Grenzregionen, medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten. Das Grenzgebiet der drei Länder durften humanitäre Organisationen nicht betreten. Mindestens 21 Schutzsuchende starben hier bis Ende 2021.
Auf litauischem Gebiet boten wir Geflüchteten, die in Haftzentren untergebracht waren, psychologische Hilfe sowie Unterstützung bei der Familienplanung. Weitere Schwerpunkte waren eine wirksame Nachsorge für Menschen mit chronischen Krankheiten und die Etablierung effektiver Triage-Systeme.