Kaum Hoffnung für Kinder in Ost-Aleppo

14.10.2016
In den letzten drei Wochen wurden bei syrischen und russischen Luftangriffen mindestens 321 Kinder verletzt.
ALEPPO UNDER FIRE
MSF/Ghaith Yaqout Al-Murjan
The photos were taken on October 5 in east Aleppo. They show the exteriors of the M10 hospital, the main trauma centre, which is supported by Médecins Sans Frontières (MSF). The facility was heavily damaged by shelling and forced to suspend activities on Wednesday September 28. On October 1 it was damaged again and went out of service and two days later, while under rehabilitation, it was hit yet another time by bombs and a number of maintenance workers were killed.

In den letzten drei Wochen wurden bei syrischen und russischen Luftangriffen mindestens 321 Kinder verletzt. Die Behörden fürchten einen Anstieg von Krankheiten, die durch Wasser übertragen werden. Medizinisches Material konnte noch immer nicht in die belagerte Stadt geliefert werden.

Die rücksichtslosen Bombardierungen durch syrische und russische Truppen fordern ihren Tribut bei den Kindern von Ost-Aleppo. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) berichtet dass allein in den letzten drei Wochen infolge der Luftangriffe mindestens 321 Kinder verletzt wurden und 114 gestorben sind. Außerdem konnten die Kinder die grundlegendsten Impfungen nicht erhalten; durch Wasser übertragene Krankheiten nehmen zu.

Laut der Direktion für Gesundheit  wurden seit der Wiederaufnahme der Luftangriffe am 23. September nach einer kurzen Waffenruhe durchschnittlich 17 Kinder pro Tag verletzt. In dieser Zahl sind allerdings die Opfer der letzten zwei Tage, in denen die Bombardierungen  zugenommen haben, noch nicht berücksichtigt. Zwischen dem Beginn des Syrien-Krieges 2011 und April dieses Jahres hat die Direktion für Gesundheit 5.200 getötete Kinder verzeichnet.

Alle zivilen Bereiche werden getroffen

„Die internationale Gemeinschaft ist mittlerweile gegen die Bilder von toten Kindern, die aus Trümmern von Gebäuden herausgeholt werden, immun. Dies ist alltäglich geworden. Alle zivilen Bereiche werden getroffen; Schulen werden zerstört. Die Realität ist, dass Kinder täglich in dieser „Todeszone“ sterben“ erklärt Carlos Francisco, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen für Syrien.

Krankenhäuser berichten, dass manche Patienten und Patientinnen mit leicht behandelbaren Verletzungen aufgrund des schwierigen Zugangs zu medizinischen Einrichtungen Komplikationen entwickeln oder spät ins Krankenhaus kommen, was tödlich sein kann. Kinder sind besonders gefährdet.

“Viele Kinder haben ihre Eltern als Folge der Luftangriffe und der Belagerung von Ost-Aleppo verloren. Manche wurden schwer verletzt und werden ihr Leben lang behindert sein. Manche haben ein Trauma erlitten. Was wir heute sehen, wird sie für Jahre prägen“, sagt Pablo Marco, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen für den Mittleren Osten. Kinder sind nicht nur durch die Luftangriffe in Todesgefahr, sondern auch durch die fehlende oder mangelnde Gesundheitsversorgung.

Gesundheitsprogramme für Kinder eingestellt

„Früher wurden in Ost-Aleppo Polioimpfkampagnen von Tür zu Tür oder ausgiebige Programme zur Immunisierung durchgeführt. Heute ist das nicht mehr möglich, weil keine Impfstoffe und logistisches Material in die Region geliefert werden können“, berichtet Dr. Hassan Nerabani von der Direktion für Gesundheit in Aleppo. „Die Zahl der medizinischen Teams, die in Ost-Aleppo arbeiten, reicht zudem nicht aus. Sie sind überfordert mit der enormen Zahl Kriegsverwunderter und ihre Priorität ist es, Leben zu retten. Gesundheitsprogramme für Kinder sind daher eingestellt.“

Sauberes Wasser wird knapper und die Krankenhäuser in Ost-Aleppo berichten, dass die Kinder unter Dehydrierung und Durchfall leiden. Manche Wasserpumpen wurden bei Luftangriffen getroffen, für andere wird der benötigte Treibstoff knapp. „Wir sehen aufgrund des Mangels an sauberem Trinkwasser viele Kinder mit Hepatitis A“, sagt Dr. Nerabani.

Auch Schulen bombardiert

Auch die Ausbildung hat während der Belagerung gelitten. Seit der Schulbetrieb im September wiederaufgenommen wurde, sind mindestens sieben der 100 noch verbliebenen Schulen in Ost-Aleppo von Bomben getroffen wurden, eine davon sogar zwei Mal. Dabei wurde laut Daten der lokalen Behörden ein Lehrer getötet. „Die Familien haben Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken“, so Mohammed Bakir vom Lehrerkomitee von Ost-Aleppo.

„Alle Konfliktparteien müssen den sicheren und freien Zugang für humanitäre Organisationen zulassen sowie die zeitgerechte Evakuierung für Schwerkranke und –verletzte in andere Regionen, wo sie Zugang zu spezialisierter medizinischer Behandlung haben und sicher sind“, betont Marco.

Ärzte ohne Grenzen unterstützt alle acht verbliebenen Krankenhäuser in Ost-Aleppo. Landesweit unterstützt die Hilfsorganisation mehr als 150 Gesundheitszentren und Kliniken. Im Norden Syriens betreibt Ärzte ohne Grenzen selbst sechs medizinische Einrichtungen.