Mittelmeer: Rettungsschiff „Ocean Viking” kann in Malta einlaufen

23.08.2019
Das Rettungsschiff „Ocean Viking“ hat einen sicheren Hafen in Malta zugewiesen bekommen. Die „Ocean Viking“ hat nach vier Rettungen 356 Männer, Frauen und Kinder an Bord und hatte bereits am 12. August einen sicheren Hafen für diese angefragt.
Ocean Viking heads north - August 14
MSF/Hannah Wallace Bowman
After four rescues in as many days, the Ocean Viking is heading north to find a port of safety for all people on board. The Ocean Viking had only been in the search and rescue area for approximately 10 hours before the first distress alert came in. In total 356 men, women and children brought on board in four separate rescue operations at sea. The MSF medical team is treating a number of the rescued people on board for seasickness.

Das Rettungsschiff „Ocean Viking“ hat einen sicheren Hafen in Malta zugewiesen bekommen. Die Crew des von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen gemeinsam betriebenen Schiffes ist darüber sehr erleichtert. Die „Ocean Viking“ hat nach vier Rettungen 356 Männer, Frauen und Kinder an Bord und hatte bereits am 12. August einen sicheren Hafen für diese angefragt. Die Anlandung in Malta wird nun, fast zwei Wochen später, durch eine Allianz einzelner europäischer Staaten möglich. Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen dringend einen verlässlichen Ausschiffungsmechanismus schaffen und solche unnötigen und belastenden Verzögerungen wegen immer neuer Verhandlungen beenden.

„Wir sind erleichtert, dass die lange Tortur für die 356 Menschen bei uns an Bord nun endlich vorbei ist“, sagt Jay Berger, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen auf der „Ocean Viking“. „Doch war es nötig, ihnen zwei Wochen quälenden Wartens zuzumuten? Es geht um Menschen, die aus desolaten Lebensumständen in ihren Herkunftsländern geflohen sind und entsetzliche Gewalt in Libyen erlebt haben. Wir haben Gerettete mit Kriegsverletzungen behandelt, die im Frontgebiet von Tripolis gefangen waren. Wir haben die Narben und Verletzungen von Überlebenden des Angriffes auf das Internierungslager in Tadschura gesehen. Wir haben mit Überlebenden von Bootsunglücken gesprochen. Wir haben Geschichten brutaler Misshandlungen gehört, von Folter mit Stromschlägen und geschmolzenem Plastik, von sexueller Gewalt. Sogar Kinder bleiben von alldem nicht verschont. Die europäischen Staaten müssen sich sehr selbstkritisch fragen, welche Rolle sie dabei spielen, dass Menschen in dieser Situation festsitzen.“
 
In den vergangenen knapp zwei Wochen hat sich Ärzte ohne Grenzen in der gleichen Lage befunden wie vor einem Jahr, als Italien im Juni 2018 die Entscheidung traf, die Häfen für zivile Rettungsschiffe zu schließen. Das Rettungsschiff „Aquarius“ saß damals mit Hunderten schutzbedürftigen Menschen an Bord auf See fest. „Es ist traurig, dass wir gegenüber den europäischen Staats- und Regierungschefs immer und immer wieder dieselbe Botschaft wiederholen müssen. Sie können sich angesichts der Katastrophe, die sich im Mittelmeer abspielt, nicht mehr auf ihre Unwissenheit berufen. Nach Hunderten von Todesfällen auf See und unzähligen Leidensgeschichten, die wir gehört haben, ist es an der Zeit, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs endlich humane Lösungen finden - angefangen mit einem zuverlässigen und geregelten Prozess, wo Gerettete an Land gehen können“, so Berger.
 
Ärzte ohne Grenzen fordert von den europäischen Staaten:

  • die Schaffung eines nachhaltigen und geordneten Systems zum Ausschiffen Geretteter, das deren Rechte schützt,
  • das Ende der politischen und materiellen Unterstützung für Zwangsrückführungen nach Libyen, wo Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten in willkürliche und unmenschliche Haft genommen werden,
  • die Bereitstellung von ausreichend proaktiven europäischen Such- und Rettungskapazitäten,
  • den Stopp von Strafmaßnahmen gegen NGOs, die versuchen, lebensrettende Hilfe zu leisten, weil eine staatlich gesteuerte Reaktion auf diese Krise fehlt.

„Nach dem Ausschiffen werden wir auftanken, Güter laden und die Crew wechseln“, so Berger. „Solange Menschen weiter aus Libyen fliehen und ertrinken, werden wir uns dafür einsetzen, Leben auf See zu retten.“