Syrien: Bewohner fliehen vor Kampf um Rakka

09.06.2017
Tausende Menschen fliehen vor den Kämpfen um Rakka und müssen die Front und Minenfelder überqueren. Diejenigen, die bleiben, sind Luftangriffen ausgesetzt.
Raqqa IDPS in north Syria
MSF
People fleeing Raqqa try to take all their belongings using their trucks to get to safer areas, those trucks that are usually filled with people and belongings cross frontlines, shelling, airstrikes and littered mine field.

Tausende Menschen fliehen vor den Kämpfen um die syrische Stadt Rakka. Sie müssen dabei die Front und Minenfelder überqueren. Diejenigen, die bleiben, sind Luftangriffen ausgesetzt. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) betreibt Kliniken in Vertriebenenlagern und arbeitet in Krankenhäusern außerhalb der Stadt, in der Provinz Rakka und Umgebung.

„Eltern müssen eine furchtbare Entscheidung treffen“, sagt Puk Leenders, Nothilfekoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Entweder sie bleiben in Rakka und setzen ihre Kinder zunehmenden Luftangriffen aus, oder sie überqueren mit ihnen die Front in dem Wissen, dass sie Minenfelder durchqueren müssen und unter Beschuss geraten können.“

„Die Straße nach Ain Issa war mit Minen übersät”, erzählt ein 65-Jähriger aus Rakka. „Es hat zwei Monate gedauert, bis wir Rakka verlassen konnten. Letztlich konnten wir mit fünf anderen Familien fliehen. Unterwegs bin ich bei einem Luftangriff verletzt worden. Wir flohen mitten in der Nacht, und zwei Kinder sind auf Landminen getreten. Beide wurden verletzt, eines von ihnen schwer.“

Zum wiederholten Mal vertrieben

Viele der Bewohner Rakkas fliehen in Richtung Norden nach Ain Issa, Manbidsch, Mahmudli und Tal Abjad. Einige sind bis ins Flüchtlingslager „Berm“ in der Wüste an der syrisch-jordanischen Grenze geflohen, das 700 Kilometer entfernt liegt. Dort gibt es fast keine humanitäre Hilfe.

Viele Menschen werden zum wiederholten Mal vertrieben. Sie kommen ursprünglich zum Beispiel aus den Städten Palmyra oder Deir Hafer. Infolge des Krieges, fehlender humanitärer Hilfe und des weitgehenden Zusammenbruchs des Gesundheitssystems war ihr Gesundheitszustand bereits schlecht. Aufgrund der prekären Lebensbedingungen in den improvisierten Vertriebenenlagern verschlimmert sich ihre Situation nun weiter.

Einige Vertriebene leben nun in Übergangslagern, andere hausen unter Bäumen in den Vororten von Städten wie Manbidsch, Tal Abjad und Tabka. „Wenn wir durch diese Gebiete fahren, sehen wir planlos in der Gegend verstreute Zelte und Menschen, die gerade genug zum Überleben haben“, sagt Leenders. „Die meisten sind Bauern. Manche konnten mit ihrer Herde und ein paar Habseligkeiten fliehen, andere haben nur noch die Kleider, die sie am Leib tragen.“

Angst, getötet zu werden

Nahe der Frontlinie hat Ärzte ohne Grenzen Stabilisierungszentren errichtet, um die Überlebenschancen der Menschen zu erhöhen, die während der Kämpfe verletzt wurden. Von dort werden sie an von Ärzte ohne Grenzen unterstütze Krankenhäuser überwiesen. Teams der Organisation haben in der vergangenen Woche 1.070 Kinder bis fünf Jahre geimpft, von denen viele noch nie zuvor geimpft worden waren. „Die meisten Menschen, die wir sehen, leiden unter Durchfallerkrankungen und Atemwegsinfektionen“, sagt Leenders. „Viele haben auch akute psychische Beschwerden nach dem Verlust von Angehörigen, traumatischen Ereignissen oder aufgrund der Angst, getötet zu werden.“

Ärzte ohne Grenzen ruft alle Kriegsparteien und ihre Verbündeten dazu auf, Zivilisten in Rakka zu schützen. Diejenigen, die aus der Stadt fliehen, müssen sichere Gebiete erreichen können, ohne ihr Leben zu gefährden. Die Nachbarländer müssen humanitäre Hilfe in Syrien ermöglichen, im Norden des Landes muss eine Minenräumung stattfinden. Internationale Hilfsorganisationen müssen die humanitäre Hilfe für die Menschen aus Rakka verstärken.