„Europa! – Hände weg von unseren Medikamenten!“

Ärzte ohne Grenzen startet weltweite Kampagne gegen Beschränkung der Generikaproduktion
07.10.2010

Wien/Neu Delhi, 7. Oktober 2010. Die humanitäre Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen startet heute die weltweite Kampagne „Europa! – Hände weg von unseren Medikamenten!“, die sich gegen verschiedene Versuche der Europäischen Union (EU) richtet, den Zugang zu lebensrettenden generischen Medikamenten für Menschen aus ärmeren Ländern einzuschränken. Die Kampagne beginnt anlässlich der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, die die Europäische Kommission heute mit Indien fortsetzt.

„Wir sind auf den Zugang zu kostengünstigen Generika, wie sie in Indien produziert werden, angewiesen, um verschiedenste Krankheiten behandeln zu können. Wir kaufen 80 Prozent unserer HIV/Aids-Medikamente in Indien. Das sind Medikamente, die heute 160.000 Menschen am Leben erhalten", sagt Dr. Unni Karunakara, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. „In ihrem Interesse können wir nicht schweigen, während die EU dabei ist, die Türen für die Medikamentenversorgung zu verschließen – sei es für die Produktion generischer Medikamente, ihre Zulassung oder den Transport zu Patienten in andere Teile der Welt. Darum starten wir heute diese Kampagne und fordern: „Europa! – Hände weg von unseren Medikamenten!"

Das EU-Indien-Freihandelsabkommen ist nur einer von vielen Angriffen der Europäischen Kommission auf die Generika-Produktion. Auch mit anderen bilateralen Handelsabkommen gefährdet die EU die Produktion von sicheren, effektiven und kostengünstigen Medikamenten, indem sie strengere geistige Eigentumsrechte einfordert, als nach internationalem Recht erforderlich.

„Die Europäer reißen uns damit praktisch die Medikamente aus den Händen", sagt Dr. Marius Müller, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Kenia. „Weil Generika für uns bezahlbar sind, können wir immer mehr Menschen mit HIV/Aids-Medikamenten behandeln. Dies bedeutet Hoffnung für unsere Patienten, die so wieder arbeiten gehen und ihre Kinder großziehen können. Aber wenn Europa seinen Willen durchsetzt und den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten versperrt, riskieren wir den Erfolg der vergangenen fünf Jahre."

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, dass bis zu 90 Prozent der zuverlässigen HIV/Aids-Medikamente, die von internationalen Gebern wie den europäischen Regierungen im Jahr 2008 gekauft wurden, von Generika-Produzenten in Indien stammten. Für Millionen Menschen, die derzeit eine Behandlung erhalten oder auf diese warten, wäre es katastrophal, den Zugang zu diesen kostengünstigen Medikamenten zu verhindern. „Die EU legt es offensichtlich darauf an, den Zugang zu Medikamenten für Menschen aus ärmeren Ländern zu versperren", sagt Franz Neunteufl, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Österreich. „Wir fordern von der EU, diese Politik zu beenden.“