Nigeria kämpft gegen die heftigste Meningitis-C-Epidemie seit 2008

10.05.2017
Seit Februar, als der Ausbruch der Epidemie offiziell erklärt wurde, unterstützt Ärzte ohne Grenzen die Gesundheitsbehörden des Landes in den am meisten betroffenen Landesteilen bei der medizinischen Versorgung der Erkrankten.

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Nigeria: Fighting the worst meningitis C epidemic in nine years
Fabrice Caterini/INEDIZ
Patients resting on the beds in the main hall of the meningitis treatment center run by MSF in Sokoto Mutalah Mohamad Hospital.

Tausende Menschen sind im Norden Nigerias an Meningitis C erkrankt. Mittlerweile wütet die Epidemie in sieben Bundesstaaten in Nigeria. Seit Februar, als der Ausbruch der Epidemie offiziell erklärt wurde, unterstützt Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) die Gesundheitsbehörden des Landes bei der medizinischen Versorgung der Erkrankten. 

Am 15. April richtete Ärzte ohne Grenzen zunächst ein Behandlungszentrum in der Stadt Sokoto ein, anschließend eine Station mit 20 Betten in Anka, im Bundesstaat Zamfara. Dort ist eine Ärzte ohne Grenzen-Notfalleinheit kontinuierlich im Einsatz, um hochwertige und kostenlose medizinische Behandlung zu gewährleisten und die Sterblichkeitsrate so gut wie möglich zu senken.

Die Notfallteams behandeln die schwerkranken Patienten unter äußerst schwierigen Bedingungen. „Vor einigen Tagen wurde ein neunjähriger Junge zu uns gebracht. Er war bewusstlos. Ein besonders schwerer Fall von Meningitis“, erzählt Caroline Riefthuis, Ärzte ohne Grenzen-Pflegefachfrau in Sokoto. „Er wurde fünf Tage lang bei uns behandelt und sein Zustand verbesserte sich, doch inzwischen hatte er infolge des schweren Krankheitsverlaufs sein Gehör verloren und war erblindet.“

Dieser Junge ist einer der 614 Patienten, die seit April im Mutalah-Mohamad-Spital von Sokoto versorgt werden, als Ärzte ohne Grenzen die Leitung des Spitals von den Gesundheitsbehörden übertragen wurde, weil es an Material und qualifiziertem Personal fehlte. Im allgemeinen Spital von Anka wurden seit Ausbruch der Epidemie 137 Patienten stationär aufgenommen. Die meisten sind zwischen fünf und zwanzig Jahre alt.

Die Epidemie eindämmen

Zusätzlich zum Personal in den Behandlungszentren hat Ärzte ohne Grenzen elf Teams zur Abklärung in die medizinischen Einrichtungen der Bundesstaaten Sokoto, Zamfara, Yobe, Niger und Kebbi entsandt, um die Ursache der Neuerkrankungen zu bestimmen. Zudem wurden weitere Maßnahmen getroffen, insbesondere bei der Gesundheitsförderung, um die Bevölkerung über Symptome und Anzeichen der Erkrankung sowie die Wichtigkeit einer raschen Meldung von neuen Fällen aufzuklären.

Ende April meldete das nigerianische Gesundheitsministerium 9.646 Meningitis-C-Verdachtsfälle und seit Ende 2016 waren 839 Menschen daran gestorben. Seit dem 1. Mai nimmt Ärzte ohne Grenzen aktiv an einer Impfkampagne der Gesundheitsbehörden in Sokoto teil. Eine Woche lang haben fünfundzwanzig Ärzte ohne Grenzen -Teams in den drei am stärksten betroffenen Gemeinden täglich je rund 850 Menschen geimpft, womit über 148.000 Menschen erreicht wurden. Insgesamt sollen im Rahmen der Kampagne 800.000 Kinder und Jugendliche zwischen einem und zwanzig Jahren geimpft werden. Mit einer weiteren Kampagne, die für Monatsende geplant ist, sollen weitere 130.000 Menschen in den vier am stärksten betroffenen Gemeinden im Bundesstaat Yobe geimpft werden.

Späte Reaktion und knapper Impfstoff-Vorrat

Obwohl Impfkampagnen zur Eindämmung der Meningitis-Epidemie von zentraler Bedeutung sind, ist Ärzte ohne Grenzen besorgt, weil die Reaktion auf die Krise sehr spät kam – und das in einem Land, in dem Meningitis-Epidemien keine Seltenheit sind. „Das nationale Frühwarnsystem und die Krisenreaktionsfähigkeit des Landes müssen gestärkt werden, damit die Ausbreitung und die Schwere der Epidemie bestmöglich reduziert werden können“, sagt Philip Aruna, Ärzte ohne Grenzen-Landeskoordinator in Nigeria.

Noch größeren Grund zur Sorge geben die weltweit knappen Vorräte des Meningitis-C-Impfstoffs, welche die ohnehin schon späte Reaktion noch verzögerten und die Sterblichkeitsrate in Nigeria in die Höhe trieben. „Die Epidemie breitet sich rapide aus. Das ist angesichts der für die betroffene Bevölkerung unzureichende Menge an verfügbarem Impfstoff äußerst alarmierend“, sagt Aruna.

In Sokoto zum Beispiel sind drei Millionen Einheiten des Impfstoffs erforderlich, um eine Massenimpfungskampagne zu starten, aber nur 800.000 dieser Einheiten waren verfügbar. Diese unzureichende Menge erlaubt es lediglich eine reaktive Kampagne zu lancieren. Aufgrund dessen müssen die Teams in der Lage sein, schnell zu handeln, um so zu verhindern, dass sich die Krankheit weiter ausbreitet.

Um dieser logistischen Herausforderungen zu begegnen und die Sterblichkeitsraten zu senken, besteht Ärzte ohne Grenzen darauf, dass Behandlungszentren dezentralisiert werden. So kann eine freie und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für Menschen, die von der Krankheit betroffen sind, sichergestellt werden. Dies bedeutet, dass die richtigen Tests zur Schnellerkennung der Krankheit zur Verfügung stehen müssen, um Falschdiagnosen zu verhindern. Es ist entscheidend, dass angemessene Präventionsmassnahmen ergriffen werden, um beim nächsten unvermeidlichen Meningitis-Ausbruch folgenschwere Verzögerungen zu verhindern.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1996 in Nigeria und betreibt umfangreiche Projekte zur Gesundheit von Kindern, sowie sexueller und reproduktiver Gesundheit und rekonstruktiver Chirurgie an Orten wie Sokoto, Zamfara, Niger, Port Harcourt und Jahun. Die Notfalleinheit von Ärzte ohne Grenzen – Emergency Response Unit (NERU) – reagiert auch auf medizinische Notfälle wie Meningitis und Masernausbrüche. NERU ist seit 2006 im Land aktiv.

Ärzte ohne Grenzen stellt seit Mitte 2014 Gesundheitsversorgung in der Provinz Borno, im Norden Nigerias zur Verfügung. Die Zielgruppen sind die lokale Bevölkerung und Menschen, die durch Gewalt vertrieben wurden. In Borno betreut die Organisation derzeit 11 medizinische Einrichtungen in sieben Städten (Maiduguri, Dikwa, Monguno, Gwoza, Pulka, Ngala und Benisheikh) und versorgt regelmäßig vier weitere Gebiete mit medizinscher Hilfe.