Nord-Dafur: 100.000 Menschen ohne medizinische Versorgung

22.05.2012
Ärzte ohne Grenzen muss aufgrund von Restriktionen die lebensrettende medizinische Hilfe in der Region Jebel Si einstellen.

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Jebel Si - MSF Einrichtung
MSF
Jebel Si, Sudan, 12.06.2011: Medizinische Einrichtung von Ärzte ohne Grenzen in Jebel Si

Khartoum/Wien, 22. Mai 2012. Nach zunehmenden Einschränkungen durch die sudanesischen Behörden ist die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nun gezwungen, den Großteil der medizinischen Aktivitäten in Jebel Si, im sudanesischen Bundesstaat Nord-Darfur einzustellen. Ärzte ohne Grenzen ist die einzige Organisation, die in der Region medizinische Versorgung anbietet.„Aufgrund der Reduzierung unserer Hilfsaktivitäten in Jebel Si müssen nun mehr als 100.000 Menschen in der Region ganz ohne medizinische Versorgung auskommen“ erklärt Alberto Cristina, der Verantwortliche für die Einsätze von Ärzte ohne Grenzen im Sudan.

Im vergangen Jahr haben Hürden die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen immer mehr behindert. Seit September 2011 wurden keine Lieferungen von Medikamenten und medizinischem Material ins Land gelassen. Auch hatte Ärzte ohne Grenzen zunehmend Schwierigkeiten, Arbeits- und Reisegenehmigungen für seine MitarbeiterInnen zu erhalten. Mittlerweile sind die Reisemöglichkeiten nach und von Jebel Si extrem reduziert.Ohne medizinisches Material und Personal kann Ärzte ohne Grenzen weder die ambulanten noch die stationären Behandlungen weiter durchführen, die Impf-Kampagne musste beendet werden. Für Frauen mit Komplikationen in der Schwangerschaft sind Kaiserschnitte nicht mehr möglich. Vorräte von Moskitonetzen und Geburts-Sets für Schwangere sind ebenso ausgegangen wie die Nahrungsmittelvorräte.

Schwerkranke Patienten können nicht mehr vor Ort behandelt werden

Da die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen schwerkranke Patienten nicht mehr stabilisieren können, haben sie keine andere Wahl als diese Menschen ins Krankenhaus nach El Fasher zu überweisen, das acht Stunden Autofahrt entfernt ist. Dies ist besonders für Frauen mit Problemschwangerschaften riskant, die nur eine geringe Wahrscheinlichkeit haben, die Reise zu überleben.Ärzte ohne Grenzen kann derzeit nur begrenzt Nahrungsmittelhilfe, Schwangerenvorsorge und gesundheitsfördernde Maßnahmen durchführen.„Wenn uns nicht bald erlaubt wird, Medikamente und medizinisches Material in unser Krankenhaus und zu unseren Gesundheitsposten zu bringen, wird es immer wahrscheinlicher, dass Krankheiten ausbrechen. Auch ist damit zu rechnen, dass die Müttersterblichkeitsrate steigt – diese könnte sogar die Notfall-Stufe erreichen“, sagt Cristina.In der Region ist das Niveau der Müttersterblichkeit ohnehin bereits kritisch, und Ausbrüche vermeidbarer und behandelbarer Krankheiten – wie Meningitis oder Masern – sind ebenso üblich wie Unterernährung. In den vergangenen zwei Jahren hat Ärzte ohne Grenzen 1.805 Kinder unter fünf Jahren in Kaguro gegen Unterernährung behandelt.

Keine lokale Gesundheitsversorgung vorhanden

Ärzte ohne Grenzen hatte 2005 in einem einzigen Gesundheitsposten in Jebel Si damit begonnen, medizinische Hilfe zu leisten. Im Jahr 2008 betrieb die Organisation in der Region bereits ein Krankenhaus und fünf Gesundheitsposten – die einzigen Gesundheitseinrichtungen in der Region. Die sesshafte Bevölkerung von etwa 100.000 Menschen sowie rund 10.000 saisonale Nomaden sind vollständig von der Gesundheitsversorgung und der Nothilfe von Ärzte ohne Grenzen abhängig.

In dem Gebiet existiert keine lokale Gesundheitsversorgung, und keine anderen internationalen Organisationen bieten medizinische Hilfe an. Die nächstgelegene Einrichtung des Gesundheitsministeriums ist eine Autofahrt von mehreren Stunden entfernt, doch die angespannte Sicherheitslage sowie das bergige Gelände und der schlechte Zustand der Straßen erschweren die Erreichbarkeit enorm.

 „Ärzte ohne Grenzen hofft, dass die Situation sich bessern wird“, sagt Alberto Cristina. „Die Organisation ist bereit, die Hilfe wieder aufzunehmen, sobald die Restriktionen aufgehoben werden. Erst wenn medizinisches Material, logistisches Equipment und internationales Personal die Region erreichen können, sind die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen wieder in der Lage, lebensrettende medizinische Hilfe für die Menschen in Jebel Si zu leisten.“Ärzte ohne Grenzen appelliert an die Regierung des Sudan, die nötige Unterstützung zu gewähren, damit die Organisation ihre Arbeit wieder aufnehmen und den Menschen in der Region die lebensnotwendige medizinische Nothilfe zukommen lassen kann.

Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht heute den Bericht „Somebody Help“ .Das Dokument wurde der sudanesischen Regierung bereits überreicht, mit dem dringenden Appell, die Restriktionen der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen aufzuheben. Ärzte ohne Grenzen hat im Jahr 1985 erstmals in Darfur zu arbeiten begonnen. Seit 2005 hat die Organisation durchgehend medizinische Versorgung in der Region bereitgestellt. Derzeit arbeitet Ärzte ohne Grenzen in mehreren Orten in Nord-Darfur, etwa in Shangil Tobaya, Tawila, Dar Zaghawa und in der Ortschaft Shaeria in Süd-Darfur. Neben dem breiten Angebot medizinischer Basisversorgung und spezialisierter medizinischer Hilfe leistet Ärzte ohne Grenzen auch Nothilfe.  

Download der Presseaussendung

Download des Reports "Somebody Help"