Mangelernährung im Nordwesten Nigerias eskaliert

04.07.2023
Ärzte ohne Grenzen weitet die medizinische Hilfe aufgrund der Krise aus und warnt vor einer möglichen Katastrophe in den kommenden Monaten. Die derzeitige humanitäre Hilfe reicht nicht aus.

Aufgrund von steigender Mangelernährung weitet Ärzte ohne Grenzen die medizinische Hilfe im Nordwesten Nigerias aus. Zudem warnt die Organisation vor einer möglichen Katastrophe in den kommenden Monaten, da die derzeitige humanitäre Hilfe nicht ausreicht. Die stationären Einweisungen sind um 26 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

Die Zeit zwischen den Ernten, in der die Lebensmittelvorräte zur Neige gehen und die in Nigeria von Mai bis August andauert, hat erst vor Kurzem begonnen. Die Betten in mehreren Behandlungszentren von Ärzte ohne Grenzen sind aber schon jetzt zu 100 Prozent belegt. „Die Zahl der mangelernährten Kinder, die wir in unseren Einrichtungen aufnehmen, sind ein deutlicher Indikator dafür, dass wir mehr Fälle haben werden, je weiter wir in die Zeit der Nahrungsunsicherheit kommen", sagt der medizinische Koordinator von Ärzte ohne Grenzen, Htet Aung Kyi, in Nigeria.  

Ärzte ohne Grenzen hat drei neue ambulante therapeutische Ernährungszentren eröffnet. Diese kommen zusätzlich zu den 10 stationären Zentren und 32 ambulanten Zentren, die es bereits in den Bundesstaaten Kano, Katsina, Kebbi, Sokoto und Zamfara gibt.  

Von Januar bis Mai dieses Jahres haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen im Nordwesten Nigerias 10.200 schwer mangelernährte Kinder mit medizinischen Komplikationen stationär versorgt und 51.000 Kinder in ambulanten Ernährungsprogrammen aufgenommen.  

Der Nordwesten Nigerias weist einige der schlechtesten Gesundheitsindikatoren des Landes auf. Bewaffnete Gruppen überfallen regelmäßig Städte, plündern und entführen Menschen, um Lösegeld zu erpressen. Menschen, die eine medizinische Versorgung benötigen, kommen nicht in die Gesundheitszentren oder Krankenhäuser. Zusätzlich verschärft die Klimakrise die Ernährungssicherheit um ein Vielfaches.  

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen berichten, dass Kinder, die sich von einer Mangelernährung erholt haben und nach Hause entlassen werden, oft wieder eingewiesen werden müssen, da ihre Familien nicht genug Nahrung finden. Dadurch bleiben die Kinder in einer Spirale gefangen, aus der sie nur schwer entkommen.  

Nach Angaben des nigerianischen Statistikamtes leben schätzungsweise 78 Prozent der Menschen im Nordwesten Nigerias unterhalb der Armutsgrenze. Die medizinische Versorgung ist oft unerschwinglich oder schwer zugänglich, und viele Kinder sind noch nie gegen häufige Kinderkrankheiten geimpft worden. Internationale Hilfe erreicht die Region nur in sehr geringem Umfang. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Zahl der mangelernährten Kinder steigt.
Trotz der eskalierenden Krise fehlt es im Nordwesten Nigerias an der nötigen Aufmerksamkeit und Unterstützung, etwa durch die Verteilung von Nahrungsmitteln oder die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Mangelernährungsfällen.

Ärzte ohne Grenzen fordert alle im Land tätigen Hilfsorganisationen auf, ihre humanitäre Hilfe zu verstärken und appelliert an die nigerianische Regierung und die lokalen Gesundheitsbehörden, jetzt zu handeln und damit in den kommenden Monaten Menschenleben zu retten.  

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1996 in Nigeria. Derzeit arbeiten die Teams von Ärzte ohne Grenzen in zehn stationären und 35 ambulanten therapeutischen Ernährungszentren in den Bundesstaaten Kano, Katsina, Kebbi, Sokoto und Zamfara. Auch im Nordosten Nigerias behandelt Ärzte ohne Grenzen Mangelernährungsfälle und betreibt eine Intensivstation für therapeutische Ernährung mit 120 Betten sowie ein ambulantes therapeutisches Ernährungsprogramm im Zentrum Nilefa Kiji in Maiduguri im Bundesstaat Borno. Im vergangenen Jahr versorgten die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Nigeria 28.000 Kinder mit schwerer Mangelernährung stationär und nahmen 175.000 Kinder ambulant auf.