„Zeit für wirkliche Veränderung anstatt Almosen“

11.06.2021
Stellungnahme zu den G7-Gesprächen über die Corona-Pandemie.

Themengebiete:

Dr. Christos Christou, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen:

„Die anhaltende Verbreitung des Coronavirus in Regionen mit schlechtem Zugang zu Behandlung, Impfstoffen, Tests und anderen Schutzmaßnahmen fordert weiterhin täglich Tausende Menschenleben. Varianten des Virus können sich durch die anhaltende Pandemie leichter entwickeln. Die Gesundheitssysteme in vielen Ländern, in denen Ärzte ohne Grenzen arbeitet, stehen nach wie vor am Rande des Zusammenbruchs. Es ist unter anderem das Handeln der G7-Regierungen, das zu den massiven globalen Ungleichheiten geführt hat, die wir jetzt beim Zugang zu medizinischen Hilfsmitteln bei COVID-19 sehen. Und das, obwohl mehrere dieser Staats- und Regierungschefs schon früh erklärt hatten, dass solche Hilfsmittel als ‚globale öffentliche Güter‘ behandelt werden sollten.

Der Großteil der G7-Länder ist auf dem besten Weg zurück zur ‚Normalität‘, indem sie Herdenimmunität schaffen, bevor sie Impfstoffdosen mit anderen teilen. Im Gegensatz dazu stehen die meisten Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen mit leeren Händen da, obwohl sie mit weiteren Wellen zu kämpfen haben. Einkommensstarke Länder, die viel mehr Impfstoffe bestellt haben, als sie benötigen, sollten umgehend so viele Dosen wie möglich mit ärmeren Ländern teilen. Jeder Tag, der vergeht, ist eine weitere verpasste Gelegenheit, Millionen von Menschen weltweit vor dieser tödlichen Krankheit zu schützen.

Indem die Verantwortung für die rechtliche Haftung der Impfstoffhersteller im Falle von schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen auf die Länder abgewälzt wurde, befinden sich Regierungen und humanitäre Organisationen in einer prekären Lage. Die Last einer solchen Verantwortung darf nicht auf impfwillige Organisationen abgewälzt werden.

Da weltweit Impfkampagnen begonnen haben – wenn auch hauptsächlich in einkommensstarken Ländern – gibt es bereits eine Fülle von Daten, die genutzt werden sollten, um die Frage der Haftung und Entschädigung neu zu überdenken. Es ist an der Zeit, dass die Hersteller wieder die Verantwortung für ihre eigenen Produkte übernehmen – und dass die Regierungen, einschließlich der G7, ihre Autorität ausüben und dies einfordern.

Forderung nach transparentem und bedingungslosen Transfer von COVID-19-Hilfsmitteln

Länder ohne Zugang zu ausreichenden lebensrettenden Instrumenten stehen vor großen Hindernissen, weil deren Herstellung aufgrund von intellektuellem Eigentum in der Hand weniger Pharmaunternehmen liegt. Die Staats- und Regierungschefs der G7 haben bisher kaum Bereitschaft gezeigt, den Status quo zu beenden und Pharmakonzerne aufzufordern, die großteils mit öffentlichen Mitteln entwickelten Technologien zu teilen. Dabei müssten alle politischen Optionen ausgeschöpft werden, um einen transparenten und bedingungslosen Transfer von Technologien aller COVID-19-Hilfsmittel, allen voran Impfstoffen, sicherzustellen. Es ist Zeit für eine wirkliche Veränderung anstatt Almosen.

Es ist bedauerlich, dass mehr als die Hälfte der Staats- und Regierungschefs der G7 weiterhin die Forderungen der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ignoriert, bei der Herstellung von COVID-19-Impfstoffen, -Medikamenten und -Diagnostika, die zur Bekämpfung der Pandemie erforderlich sind, unabhängig zu sein.

Stattdessen blockieren sie immer wieder kritische Entscheidungen in multilateralen Foren zur Aufhebung von Unternehmensmonopolen in der Pandemie, anstatt die globale Produktion und Diversifizierung des Angebots zu erleichtern. Immer noch wird die vorgeschlagene vorübergehende Aufhebung des geistigen Eigentums auf COVID-19-Impfstoffe etwa bei der Welthandelsorganisation nicht von allen unterschrieben. Wir fordern die Staats- und Regierungschefs der G7 auf, solidarisch zu handeln und die notwendigen Maßnahmen zu unterstützen. Sie müssen sicherstellen, dass die Pandemie weltweit beendet wird.“

Eva Hosp, Media und Events

Eva Hosp

Media & Events