Zahlen malen mit dem kleinen Amadou

Normalerweise bleiben die Kinder 10-20 Tage auf unserer Station. Aber natürlich gibt es auch kleine Patienten, die um einiges länger im Spital bleiben müssen...
Kommentar von Eleonore Bauer
27.01.2016

Normalerweise bleiben die Kinder zwischen 10 und 20 Tagen auf unserer Station, danach werden sie noch mehrere Wochen ambulant von einem Gesundheitszentrum möglichst in ihrer Nähe betreut. Aber natürlich gibt es auch Kinder, die um einiges länger im Spital bleiben müssen.

So zum Beispiel dieser 18 Monate alte Bub:

Eleonore Bauer/MSF
Der kleine Adamou auf der Intensivstation in unserem Spital in Berberati.

Adamou verbrachte die ersten zwei Wochen auf der Intensivstation: Einerseits litt er an schwerer Mangelernährung, die auch die Ursache für mehrere größere Wunden war – und zusätzlich hatte er auch noch eine beidseitige Lungenentzündung. Er hatte eine Magensonde, da er zu schwach war, um selbst zu trinken, bekam Sauerstoff und natürlich hochdosiert Antibiotika. Da die Ernährungsassistenten meiner Station auch die Kinder mit Magensonden auf der Intensivstation versorgen, besuchte auch ich ihn dort mehrmals und muss gestehen, dass ich nicht sonderlich zuversichtlich war, was seine Genesung betraf.

Sein Vater, der nicht von seiner Seite wich, hatte es besonders schwer, da er seine hochschwangere Frau in dem kleinen, mit dem Auto sechs Stunden entfernten Dorf, aus dem die beiden kommen, zurücklassen musste und seitdem keinerlei Nachrichten von ihr erhalten hatte. Dünn und besorgt saß er neben dem kleinen, meist apathischen, manchmal stöhnenden Kind und verließ es nur, um die Tücher, die das Bettzeug des Kleinen waren, zu waschen – eine Handlung, die durchaus nicht allen Eltern hier geläufig ist. Es kommt oft vor, dass Kinder in ihrem Stuhl oder Urin einfach liegen gelassen werden, oder das Tuch einfach umgedreht wird. Wenn man so etwas sieht, erklärt man natürlich die Wichtigkeit solch einfacher Hygienemaßnahmen und fordert zum Wechseln der Wäsche auf, aber manchmal bleiben die Kinder auch unbemerkt im Nassen liegen.

Aber zurück zu Adamou: Als ich eines Montags gegen Mittag zu ihm kam, saß er an seinen Vater gelehnt im Bett und trank sehr konzentriert seine Milch. Einige Tage später war er soweit, dieses Kunststück frei sitzend, ohne Sauerstoff und Sonde auf meiner Station vorzuführen. Dieser Anblick gab uns allen viel Energie und jeder, der gerade ein bisschen einen Aufputsch brauchte, schaute bei ihm vorbei. Adamou nahm dies würdevoll hin, zeigte aber, dass er noch nicht vergessen hatte, was er alles hatte erdulden müssen – stets blickte er ernst und vorwurfsvoll unter seinem Kopfverband hervor. Ein einziges Mal, nachdem ich 15 Minuten den Kasperl für ihn gespielt hatte, erntete ich die Andeutung eines Lächelns.

Auf dem Foto oben malt er mit seinem Vater zusammen eine Ziffer an. Denn da wir die Betten auf unserer Station nummerieren wollten, druckte ich Ziffern aus und organisierte zusammen mit den „sensibilisateurs de la santé“ eine Malstunde für die Kinder, die deren Eltern mindestens eben so viel Spaß bereitete:

Eleonore Bauer/MSF
Eine kleine Patientin bei der „Malstunde“

Und um aus dieser schönen Geschichte ein richtiges Märchen zu machen: Irgendwann drang von irgendwoher durch irgendwelche Kanäle auch die Botschaft zu Adamous Vater durch, dass die Geburt seines zweiten Kindes problemlos verlaufen war und Mutter und Baby wohlauf waren.  

Liebe Grüße,
Eleonore

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