HIV/Aids: Immer öfter kommen Medikamente in Subsahara-Afrika nicht bei Patienten an – Versorgungskette muss dringend verbessert werden

30.11.2015
Neuer Bericht zeigt: Lebensrettende HIV/Aids-Medikamente kommen bei Patienten in Subsahara-Afrika oft nicht an. Ärzte ohne Grenzen fordert dringend Verbesserungen.
People living with HIV  Conakry, Guinea
N'gadi Ikram
Conakry, Guinea, 21.02.2014: Um HIV-Patienten wie diese Frau wirksam zu behandeln und die Übertragungen zu reduzieren, muss eine antiretrovirale Therapie ein Leben lang ohne Unterbrechung durchgeführt werden.

Die internationale medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen//Médecins Sans Frontières (MSF) warnt, dass lebensrettende antiretrovirale Medikamente (ARV) bei Patienten in Subsahara-Afrika oft nicht ankommen, obwohl meistens ausreichend Vorräte in den jeweiligen Ländern vorhanden sind. Ärzte ohne Grenzen ruft daher dazu auf, dringend Verbesserungen in der Versorgungskette von ARV in der betroffenen Region durchzuführen.

Der neue Bericht von Ärzte ohne Grenzen mit dem Titel “Empty Shelves, Come Back Tomorrow – ARV Stock Outs Undermine Efforts to Fight HIV”, der heute auf der Internationalen Konferenz über Aids und sexuell übertragbare Infektionen in Afrika (ICASA) veröffentlicht wurde, basiert auf Studien, die in Südafrika, Mosambik, Malawi und in der Demokratischen Republik Kongo durchgeführt wurden. 

Bericht: Logistische Probleme, Mangel an Ressourcen

Er zeigt auf, dass der Mangel an vorrätigen Medikamenten meistens darauf zurückzuführen ist, dass die Lieferung der Medikamente bis zum Zielort nicht gewährleistet wird: Die lebensnotwendigen Medikamente sind im jeweiligen Land zwar erhältlich, erreichen aber abgelegene Kliniken aufgrund schwerfälliger Verfahren, logistischer Probleme oder einem Mangel an Ressourcen nicht.

Saimon Cartoons
"Tut mir leid, wir haben keine Medikamentenvorräte mehr. Kommen Sie bitte morgen wieder!" - diese Illustration zeigt Engpässe bei der Versorgung von antiretroviralen Medikamenten (ARVs) auf, zum Beispiel logistische Probleme.

„Wir können nicht verbessern, was wir nicht sehen. Die meisten Engpässe erfolgen leise, und Patienten gehen mit leeren Händen oder nicht optimalen Therapien nach Hause. Nationale und internationale Medikamenten-Engpässe werden normalerweise von Regierungen und Geberländern wahrgenommen. Aber die Verfügbarkeit von Medikamenten in lokalen Gesundheitszentren wird nicht regelmäßig kontrolliert, und daher wird auch nichts dagegen unternommen, obwohl Engpässe regelmäßig vorkommen und eine große Anzahl von Menschen betreffen“ , erklärt Tinne Gils, eine Pharmazeutin von Ärzte ohne Grenzen.

Kampf gegen HIV ohne Medikamente unmöglich

Umfragen, die zwei Jahre lang in ganz Südafrika durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass zwischen 20 und 25 Prozent der lokalen Gesundheitszentren nicht in der Lage waren, den vollen Umfang einer oder mehrerer HIV- oder Tuberkulose-Therapien zu gewährleisten. In 80 Prozent der Fälle waren die Medikamente zwar im Land vorhanden, erreichten aber die jeweiligen Spitalsapotheken nicht. In Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo haben Umfragen ergeben, dass 77 Prozent der lokalen Gesundheitszentren der Stadt in einem Zeitraum von drei Monaten Engpässe von mindestens einem ARV-Medikament zu beklagen hatten, während dies in Mosambik bei 41 Prozent von 17 befragten Kliniken in Maputo City  und der Provinz Tete der Fall war.  

Malawi ist das einzige Beispiel, wo antiretrovirale Medikamente regelmäßig am Zielort ankommen. Das beweist, dass dies auch in einem ressourcenarmen Land möglich ist. Trotzdem leidet auch Malawi regelmäßig an akuten Engpässen aufgrund von Änderungen bei Behandlungsprotokollen oder im Falle von gesteigerter Nachfrage nach bestimmten Medikamenten.

Vorschläge zur Vermeidung von Engpässen

Der Bericht zeigt auf, dass die Verbesserung der Versorgungskette von Medikamenten bis zum Zielort langfristige Verpflichtungen internationaler Geberländer erfordert, aber er führt auch einfache Notmaßnahmen an, die die Auswirkungen von Engpässen auf Patienten rasch reduzieren können. So haben HIV-Infizierte etwa in Südafrika und Mosambik an der Kontrolle des Medikamentenvorrats in Kliniken mitgewirkt und die Behörden über Engpässe informiert.

„Das System muss verbessert werden, denn wir können HIV nicht ohne Medikamente bekämpfen. Um Betroffene wirksam zu behandeln und die HIV-Übertragungen in den Gemeinden zu reduzieren, muss eine antiretrovirale Therapie ein Leben lang ohne Unterbrechung durchgeführt werden. Aber wie können Patienten ihre Therapie einhalten, wenn ihre Medikamente dann nicht verfügbar sind, wenn sie sie brauchen?“ sagt Dr. Gilles Van Cutsem, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika. „Die Versorgungskette bis zum Zielort muss verbessert und der Zugang zu Medikamenten überprüft werden. Das sind Voraussetzungen dafür, dass Länder das Auftreten von Resistenzen gegenüber gängigen Therapien kontrollieren, den Kampf gegen HIV beschleunigen und die Epidemie unter Kontrolle bekommen können.“

Bericht zum Download