Inmitten der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik

Kommentar von Emails aus dem Einsatz
17.01.2014
Inmitten der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik

Unser Mitarbeiter Marcus Bachmann ist seit Dezember als Projektkoordinator auf Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik. In seiner „Email aus dem Einsatz“ schildert er seine Impressionen aus dem Land, das von einer Welle der Gewalt erschüttert wird – und die Aktivitäten der Teams von Ärzte ohne Grenzen. Ausnahmsweise funktioniert das Internet im Haus „Oubangui 2“, wo die internationalen MitarbeiterInnen untergebracht sind, und so nutze ich die Gelegenheit, zu schreiben. Es ist schwer, die Atmosphäre in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui zu beschreiben. Viele Stadtviertel gleichen Geisterstädten, alles Leben ist aus den Straßen verschwunden. Am besten beschreibt ein Schnappschuss die Situation: Am Rückweg von unserer mobilen Klinik in einem der am meisten umkämpften Stadtteile fuhren wir durch eine Geschäftsstraße, die ansonsten eine der belebtesten von Bangui ist. Das einzige Geschäft, das geöffnet hatte, war der Sargtischler. Die Stimmung ist geprägt von extremer Spannung, die Menschen haben riesige Angst. Es ist schwer zu beschreiben, wie Panik in die Gesichter der Menschen eingeschrieben ist. Eine Unmenge von bewaffneten Akteuren führt einen Kampf jeder gegen jeden. Und am schlimmsten ist, dass mittlerweile Muslime und Christen mit großem Hass aufeinander losgehen – Vergeltungsakte, Repression, Folter entwickeln ihre eigene, deprimierende Dynamik. Immer öfter behandeln wir Machetenverletzungen. Auch müssen wir von Ärzte ohne Grenzen aus Sicherheitsgründen eine von zwei mobile Kliniken entweder ganz ausfallen lassen oder verkürzen.

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„Fliegende Ärzte“ bei der mobilen Klinik für Flüchtlinge aus dem Tschad am Flughafen von Bangui – 14. Jänner 2014 © Marcus Bachmann/MSF

Es gibt aber auch viele positive Momente, wenn z. B. Freiwillige in unseren mobilen Kliniken mitarbeiten und ganz tollen Dienst an ihren Mitmenschen leisten – und so wie wir nicht hinnehmen wollen, wie das Zusammenleben zerfällt. Wir behandeln hauptsächlich Kinder und es ist sehr befriedigend zu sehen, wie sich ihr Zustand innerhalb weniger Tage wesentlich verbessert.

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Unsere Mitarbeiter Amos und Romain führen während der mobilen Klinik im Vertriebenenlager St. Élime Konsultationen durch – 6. Jänner 2014 © Marcus Bachmann/MSF

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Logistikerin Elena macht im Rahmen der mobilen Klink „Parachecks“, Schnelltests zur Diagnose von Malaria – 6. Jänner 2014 © Marcus Bachmann/MSF

Nach mehreren bestätigten Masernfällen in drei Vertriebenenlagern bereiten wir eine Impfkampagne vor. Insgesamt wollen wir fast 70.000 Kinder impfen.

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Unser Mitarbeiter Etienne impft ein Mädchen im Lager in St. Élieme, wo Ärzte ohne Grenzen eine Masernimpfkampagne durchführt – 10. Jänner 2014 © Marcus Bachmann/MSF

Trotz aller Bemühungen ist die Situation hier zu surreal, um sie tatsächlich glauben zu können. Dystopie ist keine literarische Fiktion, sie ist ein ganz konkreter Ort: Bangui, eine Stadt mit surrealer Lage, in der nur der Tod sehr real ist. Die Eskalationsschraube dreht sich jeden Tag weiter, obwohl man glaubt, dass es keine Steigerung mehr geben kann. Ich frage mich manchmal, wovor ich mich hier mehr fürchten soll – den Kontext oder darüber, wie ich mich an die totale Abnormalität anpasse, an Dinge, die ABSOLUT nicht normal sind und es für mich nie werden dürfen.

Die Zentralafrikanische Republik wird seit 5. Dezember von einer Welle der Gewalt erschüttert – weitere Eskalationen folgten, die humanitäre Situation ist katastrophal. Ärzte ohne Grenzen ist seit 1997 vor Ort tätig und betreibt im Land derzeit sieben reguläre Projekte und vier Nothilfe-Programme. Mobile Nothilfe-Teams kümmern sich um die Vertriebenen in der Hauptstadt Bangui.

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17.01.2014
20:00
Hans Bachmann

Well done dear nephew!! Keep a stiff upperlip!
Hans

03.02.2014
20:49
Birgit Bachmann

danke für deine Leistung - Arbeit - kraft und Lebensenergie -)) Birgit

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