Ärzte ohne Grenzen eröffnet neues Chirurgie-Programm im Gazastreifen

02.09.2010
Der Bedarf an medizinischer Hilfe ist auch mehr als 1,5 Jahre nach der israelischen Militäroperation "Gegossenes Blei" noch sehr groß.

Trotz jüngster Lockerungen hat die Blockade des Gazastreifens nach wie vor Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, und bestimmte medizinische Indikationen können nicht behandelt werden. Nach einer Evaluierung hat Ärzte ohne Grenzen beschlossen, in Zusammenarbeit mit den lokalen Gesundheitsbehörden ein Programm für rekonstruktive Chirurgie zu eröffnen, um Menschen mit Verletzungen und Verbrennungen sowie Opfer von Gewalt zu behandeln.

Mehr als eineinhalb Jahre nach der israelischen Militäroperation "Gegossenes Blei" (Januar 2009) ist die medizinische Lage im Gazastreifen nach wie vor prekär: Trotz der Öffnung von Übergangsstellen und trotz internationaler Hilfslieferungen gibt es nach wie vor chronische Engpässe bei bestimmtem medizinischem Material und Medikamenten. Rund einhundert Arzneimittel sind in der zentralen Apotheke des Gesundheitsministeriums nicht erhältlich.

Die medizinischen Folgen des Embargos

Seit dem Krieg ist nur ein Elektrizitätswerk in Betrieb - durch den Mangel an adäquatem Treibstoff kann es aber nicht in voller Kapazität laufen und Stromausfälle sind an der Tagesordnung. In den Gesundheitseinrichtungen ist der Betrieb der Notgeneratoren ebenfalls von den unvorhersehbaren Treibstoffeinfuhrgenehmigungen abhängig, und manchmal können dadurch medizinische Leistungen nur eingeschränkt erbracht werden werden. Zudem ist es für die Patienten, das Gesundheitspersonal und Krankenwägen schwierig, sich fortzubewegen. Eine weitere Konsequenz des Embargos ist, dass die Menschen keine andere Wahl haben, als Stromgeneratoren und qualitativ schlechtes, geschmuggeltes Gas in Flaschen zu verwenden, was oft zu schweren häuslichen Unfällen führt.

Wartezeiten für eine OP: bis zu 18 Monate

Verletzte werden im postoperativen Pflegeprogramm von Ärzte ohne Grenzen, das 2007 eröffnet wurde, oder in Einrichtungen der Gesundheitsbehörden behandelt. Ihr Zustand erfordert aber rekonstruktive Chirurgie. In Gaza gibt es jedoch kaum Einrichtungen dieser Art. Nur zwei Krankenhäuser führen entsprechende Behandlungen durch: das Al Shifa- und das Nasser-Krankenhaus sowie ein paar wenige Privatkliniken und Chirurgen. Mehr als 500 Patienten müssen daher zwischen zwölf und 18 Monate auf eine Operation warten. Um diese Patienten zu behandeln und die Wartelisten zu verkleinern, eröffnet Ärzte ohne Grenzen das Projekt für rekonstruktive Chirurgie..

Ärzte ohne Grenzen wird mit einem Teil des Chirurgenteams des Nasser-Krankenhauses zusammenarbeiten, dem ein weiterer Chirurg, ein Anästhesist und eine OP-Schwester beigestellt werden. Das Ziel ist der Austausch von Know-how, sowohl im Bereich der Chirurgie und Anästhesie als auch im postoperativen Bereich. Drei Tage pro Woche wird operiert, die anderen beiden Tage werden voroperative Untersuchungen und medizinische Nachsorge durchgeführt.

Letzte Vorbereitungen

Im Juni wurde der Vertrag zur Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbehörden und Ärzte ohne Grenzen unterzeichnet. Das Nasser-Krankenhaus verfügt über die meiste notwendige Ausrüstung. Das chirurgische Material wird von Ärzte ohne Grenzen zur Verfügung gestellt. Der Operationssaal und die Sterilisations- und Waschanlage wurden verbessert, und die Apotheke wurde mit speziellem Material ausgerüstet.

Eine OP-Schwester von Ärzte ohne Grenzen ist vor Ort und überwacht die Einführung des Projekts. Die ersten Operationen wurden Anfang August bereits durchgeführt.