Ein Tag im zentralafrikanischen Busch

16.09.2014
Anhaltende Gewalt zwingt Bevölkerung zur Flucht - medizinische Hilfe mittels mobiler Kliniken
CAR MSB12539 Alexander Nyman web
Alexander Nyman/MSF
Bambari, Zentralafrikanische Republik, 13.09.2014: Eine mobile Klinik von Ärzte ohne Grenzen in einem der Dörfer rund um Bambari. Schulen und öffentliche Gebäude werden oft für die Konsultationen genutzt.

Frühmorgens verlässt ein Auto die Unterkunft von Ärzte ohne Grenzen in Bambari in der Region Ouaka inmitten der Zentralafrikanischen Republik, die noch immer von  Gewalt beherrscht wird. Das Team von Ärzte ohne Grenzen ist unterwegs nach Yamale, einem kleinen Dorf im Busch, rund 30km von Bambari entfernt. Es ist nicht weit weg, doch die Fahrt dauert während der Regenzeit rund zwei Stunden, denn die Straße hat sich in eine Schlammpiste verwandelt.

Dörfer wie Yamale waren immer wieder unbeschreiblicher Gewalt durch bewaffnete Gruppen und gesetzlose Banden ausgesetzt. „Ich habe immer noch Angst“, sagt Musa, ein Bauer aus Yamale. „Nach den Kämpfen sind sie in mein Haus eingebrochen und haben alles gestohlen, was ich besaß. Wir haben drei Monate im Busch verbracht. Meine Kinder wurden krank.“

Zerstörte Dörfer ohne Gesundheitsversorgung

Manche Dörfer wurden bis auf ihre Grundfesten niedergebrannt; andere bestehen nur noch aus Ruinen. Viele Menschen haben keine andere Wahl, als in kleinen Hütten in den umliegenden Feldern Unterschlupf zu suchen. In manchen Dörfern stehen zwar die Häuser noch, doch die Gesundheitszentren wurden zerstört. Das Team von Ärzte ohne Grenzen führen daher mobile Kliniken durch, um die DorfbewohnerInnen zu erreichen, von denen viele noch immer im Busch leben – sie sind zu verängstigt, um nach Hause zurückzukehren.

„Die Menschen haben oft solche Angst, dass sie sofort zurück in den Busch laufen, um sich zu verstecken, nachdem wir ihnen ihre Medikamente geben“, erzählt Dr. Robert Ponsioen, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in der Region Ouaka. „Manchmal ist nur eine Minute, nachdem wir fertig sind, niemand mehr im Dorf. Die Menschen laufen weg. Jedes vorbeifahrende Auto erzeugt Panik. Die Menschen haben solche Angst. Wir haben Geisterstädte entdeckt, wo niemand mehr lebt.”

Gewalt und schlechte Straßen erschweren Zugang

Die gefährdetsten Dörfer zu erreichen ist mit dem Auto nicht einfach – nicht nur auf Grund der anhaltenden Gewalt, sondern auch wegen des schlechten Zustandes der Straßen. Aus Sicherheitsgründen muss das sechsköpfige Team von Ärzte ohne Grenzen vor Sonnenuntergang zurück in Bambari sein, was einschließlich der Wegstrecken nur mehr rund fünf Stunden für die Durchführung von medizinischen Konsultationen ermöglicht.

Doch es zahlt sich aus: Ein Tag, den das Team von Ärzte ohne Grenzen im Busch arbeitet, bedeutet für bis zu 500 Menschen pro Tag den einzigen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Als erstes werden diejenigen versorgt, die durch gewaltsame Übergriffe verletzt wurden. Kleinere Kriegsverletzungen werden direkt vor Ort versorgt, während PatientInnen mit schweren Verletzungen zur speziellen Versorgung in ein Krankenhaus geschickt werden. „Kürzlich gingen wir die Straße entlang und fanden zwei Frauen mit schweren Verletzungen an den Beinen; eine von ihnen hatte ein Baby bei sich“, so Ponsioen. „Die Knochen im Bein der einen Frau waren völlig zersplittert. Wir brachten sie in das Krankenhaus in Bambari und schickten sie am nächsten Tag in die Hauptstadt Bangui.“

Malaria-Schnelltests ermöglichen rasche Behandlung

Neben der Durchführung der mobilen Kliniken verteilt das Team von Ärzte ohne Grenzen auch Moskitonetze und Plastikplanen an jede Familie – denn viele leben unter freiem Himmel unter Bäumen. In der Regenzeit ist der Busch die ideale Brutstätte für Moskitos, die Malaria übertragen. Alle PatientInnen werden daher mit einem Malaria-Schnelltest unterzogen, der nur ca. drei Minuten dauert. Bis zu 90 Prozent der getesteten Personen sind positiv und erhalten ein orales Medikament, das drei Tage lang eingenommen werden muss, sowie Paracetamol gegen das Fieber.

Die schlechten Lebensbedingungen der Menschen und der mangelnde Zugang zu medizinischer Versorgung stellt eine anhaltende Gefährdung ihrer Gesundheit dar – Lungenentzündungen, Durchfall, Bindehautentzündungen und Hautinfektionen kommen daher häufig vor. Um dem Risiko der Verbreitung von Infektionskrankheiten vorzubeugen, haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen im August Impfkampagnen in der Region Ouaka durchgeführt: Dabei wurden rund 4.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren gegen Masern und Polio geimpft.

Permanente Gesundheitsstationen für die Bevölkerung

Mobile Kliniken sind eine einfache Maßnahme – doch längst nicht genug: Ärzte ohne Grenzen hat daher permanente Gesundheitsstationen („Palu Points“) in den Dörfern eingerichtet, wo lokale MitarbeiterInnen sieben Tage pro Woche Tests und Behandlungen gegen Malaria anbieten. Die meisten PatientInnen, die zu den mobilen Kliniken kommen, sind Frauen und Kinder unter fünf Jahren. Schwerer zu erreichen sind ältere Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes oder mit Herzproblemen.

Die gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen in diesen Gemeinschaften sind ebenso immens wie die Herausforderung, eine adäquate Gesundheitsversorgung bereitzustellen: Weit weg von den größeren Städten kämpfen tausende Menschen ums Überleben.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen in der zentralafrikanischen Republik bieten seit April 2014 mittels mobiler Kliniken Gesundheitsversorgung für die gefährdeten Gemeinden in der Region Ouaka an – erst in Grimari, danach in Bambari. Seitdem haben die Teams 4.639 PatientInnen  behandelt sowie 153 Menschen mit gewaltbedingten Verletzungen stabilisiert und versorgt.