Haiti: Geburtshilfe in unserer Spezial-Station für Notfälle

10.12.2015
Kürzung der finanziellen Mittel führt zu Engpässen bei der Versorgung von Müttern und Kindern: Wir betreuen daher mehr und mehr Patientinnen in unserer Spezial-Station für Geburtsnotfälle in Port-au-Prince.
MSF’s Centre de Référence en Urgence Obstétricale (CRUO) in Port-au-Prince, Haiti, October 14-21 2015
Shiho Fukada/Panos
Port-au-Prince, Haiti, 19.10.2015: Die kleine Esther kam in unserer Spezial-Station für Geburtsnotfälle zur Welt und liegt nun Zuhause auf dem Bett ihrer Eltern.

Unerwartete viele Schwangere suchen derzeit Hilfe in unserer Spezial-Station für Geburtsnothilfe im Referenzkrankenhaus in Port-au-Prince. Nachdem die Unterstützung des Landes durch internationale Geldgeber eingeschränkt wurde und die haitianische Regierung nur begrenzte Mittel für die öffentliche Gesundheitsversorgung hat, kommen mehr und mehr Frauen in unser Spital im Zentrum der Hauptstadt. Eine von ihnen ist Cherline Pierre (24), die bei ihrer Ankunft bereits starke Wehen hat…

Cherline kämpft sich lange durch jede einzelne Wehe – doch die Geburt geht nicht voran. Außerdem hat sie einen gefährlich hohen Blutdruck, der zu einer Präeklampsie oder Eklampsie führen könnte – einer Gefahr für Mutter und Kind. Unser medizinisches Team macht sich Sorgen um die junge Mutter.

Shiho Fukada/Panos
Cherline Pierre, 24, kam mit starken Wehen und hohem Blutdruck in unsere Spezial-Station für Geburtshilfe.

Doch Cherline schlägt sich tapfer – und der Geburtskanal beginnt endlich, sich zu dehen. Sie wird in den Kreissaal gebracht und bringt innerhalb von 20 Minuten ein Mädchen zur Welt.

Shiho Fukada/Panos
Unsere Hebamme Judith Coissy hält das Neugeborene.

Das Neugeborene wird untersucht, eingepackt und mit einer Wärmelampe bestrahlt.

Shiho Fukada/Panos
Das gesunde Mädchen nach der Erstuntersuchung.

Cherline bleibt zwei weitere Tage in unserer Spezial-Station. Ihr Ehemann Clercy besucht sie regelmäßig, hält seine Tochter mit noch einem leichten Befremden im Arm und tröstet sie, wenn sie weint. Das Elternpaar hat beschlossen, sie Esther zu nennen. Nach ihrer Entlassung bringt Clercy Frau und Tochter nach Hause und schützt sie mit neuen Schirmen vor der haitianischen Sonne.

Shiho Fukada/Panos
Mutter und Kind schützen sich auf dem Weg nach Hause vor der haitianischen Sonne.

Nach einer Busfahrt vom Krankenhaus machen sie sich auf den Weg zu ihrer Unterkunft in einem Flüchtlingslager. Dort leben Menschen, die seit dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2010 obdachlos sind. Es ist ein langer Weg, den sie in der Mittagshitze auf der unasphaltierten Straße bis zu ihrem Zuhause gehen: Eine 15m2-Wellblechhütte, in der es noch heißer ist als draußen. Cherline legt ihr Baby auf das Bett: Sie ist glücklich, daheim zu sein.

Shiho Fukada/Panos
Cherline und Esther sind gut daheim angekommen.

„Finanzielle Unterstützung für die Mutter-Kind-Gesundheit hat in Haiti klare Ergebnisse gezeigt. Doch mit den jetzigen Kürzungen wird das Leben der Frauen aufs Spiel gesetzt“, so Paul Brockmann, Direktor unserer Hilfsprogramme in Haiti. 

Shiho Fukada/Panos
Eine Warteschlange vor unserem Zentrum für geburtshilfliche Notfälle in Port-au-Prince.

„Während der alljährlichen Hochsaison an Geburten, die von August bis Jänner dauert, hat sich die Lage verschlechtert. Der erhöhte Bedarf an medizinischer Hilfe für Mütter war völlig erwartbar, doch aufgrund der Kürzungen war das System komplett unvorbereitet. Diese Kürzungen müssen rückgängig gemacht werden.“

Ärzte ohne Grenzen leistet Geburtsnothilfe im 140-Betten-Referenzkrankenhaus im Zentrum der Hauptstadt Port-au-Prince, im Stadtviertel Delmas 33. Es bietet rund um die Uhr kostenlos Geburtshilfe für Schwangere mit ernsthaften und lebensbedrohlichen Komplikationen. Zu den Angeboten in diesem Krankenhaus zählen reproduktive Gesundheitsversorgung, inklusive vor- und nachgeburtlichen Beratungen, Familienplanung, die Verhinderung der HIV-Infektion von der Mutter auf das Kind, die Versorgung von Früh- und Neugeborenen sowie psychologische Hilfe. Im Jahr 2014 wurden rund 10.400 Patientinnen stationär aufgenommen.