Kenia: Ärzte ohne Grenzen behandelt die Krankheit der Ärmsten

12.04.2011
Der Nordwesten des Landes ist besonders von Kala Azar betroffen
Kenia 2011
Frederik Matte/MSF
Kacheliba, Kenia, 30.03.2010: Ärzte ohne Grenzen behandelt jährlich etwa 500 PatientInnen im Kala-Azar-Behandlungszentrum und zehn Diagnosezentren.

Jedes Jahr sterben 50.000 Menschen an der tropischen Krankheit Kala-Azar, die durch Sandmücken übertragen wird. Zur Behandlung der Krankheit gibt es nur wenige wirksame Medikamente, die für die Menschen in Entwicklungsländern oft unerschwinglich sind. In Kenia betrifft diese wenig beachtete Krankheit insbesondere den Nordwesten des Landes.

Die Schweizerin Sandrine Vuilleumier ist kürzlich von ihrem Einsatz in Kacheliba im Nordwesten Kenias zurückgekehrt. In diesem Dorf an der Grenze zu Uganda hat Ärzte ohne Grenzen im Spital des Gesundheitsministeriums eine Krankenstation mit 50 Betten eingerichtet. Im Kala-Azar-Behandlungszentrum und den zehn Diagnosezentren in West Pokot und Turkana werden seit 2006 jährlich ungefähr 500 Kala-Azar-Patienten behandelt.

„Schwarzes Fieber“

„Das ist zwar keine große Anzahl, doch ohne Behandlung würden diese Menschen sterben”, erklärt die Pflegefachfrau, die sechs Monate mit Ärzte ohne Grenzen vor Ort war. Kala-Azar bedeutet auf Hindi so viel wie „Schwarzes Fieber“ und kommt, wenn nicht rechtzeitig behandelt, einem Todesurteil gleich. Ohne Behandlung sterben neun von zehn Patienten.

Die auch unter dem Begriff „viszerale Leishmaniose“ bekannte Krankheit wird von Sandmücken übertragen. Die Insekten sind nur wenige Millimeter gross und vermehren sich in Termitenhügeln. Diese Krankheitsüberträger finden in den halbtrockenen Gebieten im Nordwesten Kenias ein ideales Klima vor. Die nomadischen Pokot-Hirten, die Tag und Nacht im Freien verbringen, sind daher besonders betroffen. Weiter nördlich gelegene Dörfer nahe dem Turkana-See sind der Krankheit ebenfalls stark ausgesetzt, zudem ist diese Region noch abgelegener und aufgrund des schlechten Zustands der Strassen noch schwieriger zu erreichen. „Kala-Azar ist eine Krankheit, die in der medizinischen Forschung oft vernachlässigt wird, und sie greift Menschen an, die ebenso vernachlässigt werden“, so Sandrine Vuilleumier.

Nationales Leishmaniose-Programm

Das kenianische Gesundheitsministerium hat nun eine Spezialabteilung eingerichtet, um sich mit Kala-Azar und anderen vernachlässigten Krankheiten zu befassen. Die Ärzte ohne Grenzen-Mitarbeiterin Elena Velilla ist hier im Einsatz. Als Kontaktperson zu den Behörden in Nairobi ist sie für die Umsetzung des nationalen Leishmaniose-Programms verantwortlich: „Die Risikogruppen einer Kala-Azar-Infektion sind oft nur schwer zu erreichen, denn sie leben vor allem in armen, ländlichen Gebieten. Deshalb ist das Bedürfnis nach einer einfachen, wirksamen Behandlung besonders groß.“

In einer ersten Projektphase möchte Ärzte ohne Grenzen das Zentrum in Kacheliba als Ausbildungszentrum für medizinisches Personal in Kenia verwenden. In einem zweiten Schritt sollen schließlich alle medizinischen Tätigkeiten auf das Gesundheitsministerium oder andere Partner übertragen werden.

Von Uganda nach Kenia

Von 2000 bis 2006 führte Ärzte ohne Grenzen ein Kala-Azar-Behandlungszentrum in Amudat im grenznahen Uganda. Das Projekt wurde nach Kacheliba verlegt als sich abzeichnete, dass die Mehrheit der Patienten aus dem kenianischen Distrikt West Pokot stammte.

Zu den Symptomen von Kala-Azar gehören langanhaltendes Fieber, eine Vergrößerung der Milz und Gewichtsverlust. Ohne Behandlung verläuft die Krankheit nach wenigen Monaten tödlich. Um festzustellen ob der Patient infiziert ist, verwendet Ärzte ohne Grenzen einen Schnelltest, bei dem eine Blutprobe vom Finger des Patienten entnommen wird. Diese einfache Methode wird bereits in zehn Diagnosezentren in den Distrikten West Pokot und Turkana angewendet. Patienten, bei denen der Test positiv ausfällt, werden zur Behandlung nach Kacheliba überwiesen.

Ärzte ohne Grenzen fördert die Aufnahme dieses Schnelltests in die nationalen Richtlinien. Das alternative Diagnoseverfahren umfasst eine Milzpunktion und ist somit invasiver und komplizierter. Zudem erschwert es den Zugang zu einer Behandlung, da nur wenige Zentren eine solche Punktion durchführen können.

Teure Medikamente

Die Standardbehandlung von Kala-Azar dauert einen Monat. Die Patienten erhalten täglich eine Injektion, die toxisch und schmerzhaft ist und für HIV-/Aids-Patienten mit geschwächtem Immunsystem sogar tödlich sein kann. Die verwendete Substanz – Natrium-Stiboglukonat – ist ein Molekül, das während des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurde. Dies verdeutlicht das Desinteresse der Pharmaindustrie, in diesem Bereich Forschung zu betreiben.

Einige Patienten entwickeln zudem Resistenzen auf dieses Medikament, weshalb Ärzte ohne Grenzen ein zweites Medikament verwendet; die Lipidformulierung Amphotericin B. Dieses Medikament ist viel wirksamer, allerdings auch sehr teuer: Die siebentägige Behandlung kostet ungefähr 50 Dollar und umfasst eine zweistündige intravenöse Therapie pro Behandlungstag. Ein weiterer Nachteil ist, dass dieses Medikament nur in Spitälern verabreicht werden kann, da die Patienten aufgrund möglicher Nebenwirkungen eine besondere ärztliche Betreuung benötigen. Es besteht somit ein deutlicher Bedarf an neuen Medikamenten, die weniger toxisch sind, über kürzere Behandlungsperioden oral verabreicht werden können, und auch für Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter verwendet werden können.

Ärzte ohne Grenzen und Kala-Azar

Seit 1988 hat Ärzte ohne Grenzen über 80.000 Kala-Azar-Patienten behandelt, hauptsächlich in ostafrikanischen Ländern wie dem Sudan, Äthiopien, Kenia, Somalia und Uganda. Ärzte ohne Grenzen hat einen diagnostischen Schnelltest validiert und eingeführt, der in abgelegenen Gebieten verwendet werden kann und somit den Zugang zur Behandlung deutlich verbessert. Wenn Patienten rechtzeitig behandelt werden, liegen die Überlebenschancen bei 95 Prozent.