Niger: Malariaprävention für über 180.000 Kinder

22.08.2013
Verteilung von neuen Medikamenten im Rahmen der saisonalen Malaria-Chemoprävention

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Saisonale Malaria-Chemoprävention (SMC) im Niger
MSF
Tahoua, Niger, 22.08.2013: Einige Kinder bei der ersten Verteilung der sogenannten saisonalen Malaria-Chemoprävention (SMC) in der Region Tahoua im Niger.

Jedes Jahr im Juli, wenn im Niger die Regenzeit beginnt, steigt auch das Risiko von Malariainfektionen. Um dem Anstieg dieser manchmal tödlich verlaufenden Krankheit entgegenzuwirken, hat Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) gerade die erste Verteilung einer neuen Malariaprävention beendet. Die sogenannte saisonale Malaria-Chemoprävention (SMC) wird seit einem Jahr von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.

Diese Prophylaxe für Kinder zwischen drei Monaten und fünf Jahren wurde im Niger zum ersten Mal eingesetzt. Ärzte ohne Grenzen arbeitete dabei eng mit den nigrischen Gesundheitsbehörden zusammen. Vier Monate lang, also während der gesamten Regenzeit, müssen monatlich drei Dosen eingenommen werden. Bis jetzt haben über 184.000 Kinder in insgesamt 1.045 Dörfern in den Gesundheitsdistrikten Magaria, Guidan Sori, Moulé, Tafo, Sabon Guida, Bouza und Madaoua eine solche präventive Behandlung erhalten.  Dazu haben über 1.850 lokale Gesundheitshelfer mit der Unterstützung internationaler Teams die verschiedenen Dörfer aufgesucht, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und die Verteilung der Prophylaxe-Medikamente zu organisieren. Sie erklärten den Eltern auch, wie wichtig es sei, dass sie ihre Kinder auch zu den nächsten Verteilungen mitbringen.

600.000 Todesfälle jährlich

Jährlich sterben weltweit über 600.000 Menschen an Malaria. Dennoch ist laut den neusten Schätzungen der WHO die Zahl der Fälle weltweit in den letzten zehn Jahren um ein Viertel zurückgegangen; über eine Million Todesfälle konnten vermieden werden. Die meisten tödlich verlaufenden Infektionen treten bei Kindern unter fünf Jahren aus Afrika südlich der Sahara auf. Neu ist nun neben dem besseren Zugang zu Schnelltests und zu artemisininhaltigen Medikamenten, welche die Behandlung der Krankheit in den Entwicklungsländern revolutioniert haben, auch die Verwendung der saisonalen Malaria-Chemoprävention.

2012 hat Ärzte ohne Grenzen die SMC zum ersten Mal eingesetzt, und zwar in Mali und im Tschad, wo über 200.000 gesunde Kinder eine Prophylaxe erhielten. Die Ergebnisse im Distrikt Koutiala in Mali waren äußerst ermutigend: Verringerung der Fälle mit einfacher Malaria um 66 Prozent, der Spitaleinweisungen um 70 Prozent und der Transfusionen um 75 Prozent.

„Die SMC ist aber kein Wundermittel“, erklärt Anja Wolz, medizinische Koordinatorin für Ärzte ohne Grenzen im Niger. „Zwar können die Sterblichkeit und die Zahl der Malariafälle in Ländern mit erschwertem Zugang zu medizinischer Versorgung verringert werden. Unsere Prioritäten bleiben aber die Verteilung von Moskitonetzen, der Einsatz von Insektizidsprays, unsere Diagnosemöglichkeiten und die Behandlung der Malariakranken.“  Die Präventivbehandlung funktioniert nur in Regionen, wo Malaria saisonal auftritt und nicht endemisch ist. Eine solche Prophylaxe über das gesamte Jahr abzugeben wäre zu aufwendig.

Malaria und Mangelernährung: eine tödliche Kombination

„Die Malariaprävention mit diesen neuen Medikamenten kann für Kinder unter fünf Jahren lebensrettend sein“, fügt Anja Wolz hinzu. „Die Menschen im Niger und insbesondere die Kinder haben jedes Jahr nicht nur mit Malaria, sondern auch mit Nahrungsmittelkrisen zu kämpfen. Denn die Regenzeit fällt jeweils auch mit dem saisonalen Lebensmittelengpass zusammen. Und die Kombination von Malaria und Mangelernährung ist tödlich.“

Der saisonale Lebensmittelengpass ist die Zeit im Jahr, in der die Haushalte ihre letzten Nahrungsmittelreserven aufbrauchen und für die neue Ernte aussäen. Für die ärmsten Familien der Region ist dies eine kritische Zeit: Die Vorräte gehen zu Ende, und die Nahrungsmittelpreise auf dem Markt steigen. Außerdem kommen mit dem Dauerregen die Stechmücken, die den Malariaerreger tragen.

Während der Regenzeit und diesem Lebensmittelengpass gehören Mangelernährung und Malaria zu den gefährlichsten Krankheiten für Kinder unter fünf Jahren. Bei mangelernährten Kindern ist das Immunsystem geschwächt, so dass sie leichter infiziert werden und danach ein komplizierter Malariaverlauf wahrscheinlicher ist. Zudem haben viele Kinder unter fünf Jahren im Niger überhaupt keinen Zugang zu einer ausgewogenen und nährstoffreichen Ernährung. Weiters schwächt die Malaria den Körper und macht die Kleinen appetitlos. Nicht selten sind Kinder in dieser Gegend während der Malariazeit bereits mangelernährt. Eine Kombination der beiden Krankheiten kann tödlich sein.

Aus diesem Grund wurden 128.000 Kinder von 6 bis 59 Monaten, die eine saisonale Malariaprävention erhielten, gleichzeitig systematisch auf Mangelernährung untersucht. So konnte Ärzte ohne Grenzen schwer mangelernährte Kinder direkt mit einer Aufbauernährung behandeln und damit vermeiden, dass diese später mit Komplikationen oder Begleiterkrankungen wieder ins Gesundheitszentrum kommen müssen.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen sind nun in höchster Alarmbereitschaft: Sie bereiten sich auf den medizinischen Bedarf in dieser kritischen Zeit vor und setzen gleichzeitig präventive Massnahmen um. Ziel ist, dem saisonalen Anstieg der Malariafälle entgegenzuwirken und die Zahl der Spitaleinweisungen von Kleinkindern, die auch die Anwesenheit der Mütter erfordern, zu verringern.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1985 im Niger tätig und  konzentriert sich hauptsächlich auf eine bessere Gesundheitsversorgung für Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen mit frühzeitiger Behandlung und Prävention, insbesondere bei der Mangelernährung. Unsere Teams in den Regionen Zinder, Maradi und Tahoua bieten Kindern in 38 Gesundheitszentren ambulante Aufbauernährungsprogramme an. Fälle mit Komplikationen werden stationär in Ernährungszentren in den Spitälern von Zinder, Magaria, Madarounfa, Guidan Roumdji, Madoua und Bouza behandelt. Seit 2012 arbeitet Ärzte ohne Grenzen auch im Lager Abala für malische Flüchtlinge in der Region Tillaberi, wo medizinische Grundversorgung und weiterführende Behandlungen angeboten werden.