Alarmierende Zahl an Verletzten um Damaskus und Homs

28.11.2016
Ärzte in diesen Regionen berichten von vielen Opfern, darunter auch Frauen und Kinder - Zustand des Gesundheitssystems immer dramatischer.
East Aleppo
KARAM ALMASRI/MSF
Eleven-year-old Mohamed has shrapnel wounds to his head and body after airstrikes on east Aleppo’s Al Maadi neighbourhood in early October 2016. He has been in hospital for four weeks, but cannot be discharged as his wounds need to be drained regularly. As a result of his injury, Mohamed has lost awareness of his surroundings and can no longer speak. He has neurological problems, including epileptic seizures, but the surgery he needs is not available in east Aleppo. “The main reason for neurological lesions are when sharp splinters of shrapnel enter the body or brain,” says the manager of the hospital where Mohamed is being cared for. “Before the siege, we used to refer some neurological cases outside Aleppo. Now we don’t have the proper equipment here for neurosurgery, but referring people out of the city is not possible.” Names have been changed.

Der wiederaufflammende Konflikt hat Ende November in belagerten Gebieten um Damaskus und Homs zu einer deutlich erhöhten Zahl von Verletzten geführt, berichten von Ärzte ohne Grenzen unterstütze Einrichtungen. So trafen am 25. November mehrere Luftangriffe Ost-Ghouta. Ärzte in dem Gebiet berichten von vielen Opfern, darunter auch Frauen und Kinder. Die endgültige Zahl der Verletzten und Toten ist noch unklar. Zudem wird der Zustand des Gesundheitssystems immer dramatischer: Rettungsteams und Krankenhäusern sind wiederholt unter Beschuss, und auch medizinisches Material zur Behandlung der Verletzten wird knapp.

Seit dem 17. November berichten die von Ärzte ohne Grenzen unterstützten medizinischen Einrichtungen in Ost-Ghouta (ein Gebiet in der Nähe von Damaskus, in dem mehrere Städte belagert werden) und Al Waer (eine belagerte Gemeinde in der Nähe von Homs) von sehr hohen Verletzten- und Opferzahlen. Den Angaben von Kliniken in Ost-Ghouta zufolge wurden an einem einzigen Tag mit intensivem Beschuss und Bombenangriffen 261 Verletzte und 30 Tote eingeliefert, das Krankenhaus in Al Waer zählte 100 Verletzte und 13 Tote an dem Tag.

In dieser Zeit Ende November wurde außerdem ein Rettungssanitäter in Ost-Ghouta bei einem Luftangriff schwer verletzt. Ein Anästhesie-Assistent wurde im Scharfschützenfeuer in Zabadani verletzt. Drei Rettungsfahrzeuge wurden getroffen und zerstört. In Ost-Ghouta wurde ein von uns unterstütztes  Krankenhaus beschädigt, als eine Bombe das Nachbarhaus traf. Infolgedessen war die Intensivstation nicht mehr nutzbar - zu einer Zeit, als diese dringend gebraucht wurde.

60% der Toten sind Frauen oder Kinder

Schulen und Wohngegenden wurden getroffen, was zeigt, dass zumindest einige der Angriffe willkürlicher Beschuss und willkürliche Bombenabwürfe auf zivile Gebiete sind. In Ost-Ghouta sind 43 Prozent der Verletzten und 60 Prozent der Toten Kinder unter 15 Jahren oder Frauen. Für Al Waer fehlen uns noch vollständige Daten zu Alter und Geschlecht.

„Während wir unsere Stimmen erheben, um auf die katastrophale Situation in Ost-Aleppo aufmerksam zu machen, läuten auch in anderen Konfliktgebieten erneut lautstark die Alarmglocken“, sagt Anja Wolz, medizinische Leiterin der unterstützenden Programme von Ärzte ohne Grenzen in Syrien. „Erst gestern wurden zwei Schulen in Ost-Ghouta getroffen, als die Schüler am Ende des Tages die Schulgebäude verließen. Alle Verwundeten, bis auf eine Person, waren Frauen und Kinder. 16 von ihnen wurden in einer von uns unterstützten Einrichtung behandelt und andere wurden mit Rettungswagen zu anderen medizinischen Einrichtungen in der Gegend gebracht. Am vergangenen Sonntag geriet ein Rettungsteam, das dabei war, Menschen aus von Bomben getroffenen Gebäuden auszugraben, wiederholt unter Mörserbeschuss. Neun Mitglieder des Rettungsteams wurden dadurch verletzt und mussten selbst behandelt werden.“

„Erneut sind wir entsetzt, dass so viele Frauen und Kinder unter den Verletzten und Toten sind, die in von uns unterstützte medizinische Einrichtung eingeliefert werden“, sagt Wolz. „Wir sollten uns große Sorgen um das Schicksal der in den Konfliktgebieten gefangenen Menschen machen. Wenn schon die Bombenabwürfe und die Kämpfe nicht gestoppt werden können, dann müssen die Kriegspartien zumindest extreme Vorsicht walten lassen, damit die Ärzte und Rettungsteams nicht getroffen werden, die lebensrettende Arbeit leisten.“

Reguläre Gesundheitsversorgung liegt brach

Die Teams der von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen haben berichtet, dass viele Bewohner sich aus Angst vor den regelmäßig auftretenden Bombenabwürfen und dem Beschuss von Wohngegenden zusammen in Kellern aufhalten. Rettungsfahrzeuge sind über das Gebiet verteilt, anstatt an einer zentralen Notfallstelle zu stehen. Die Gefahr, dass alle Fahrzeuge bei einem einzigen Luftangriff zerstört werden, ist zu hoch. Einige Krankenhäuser mussten ihre reguläre Gesundheitsversorgung einstellen, weil alle Mitarbeiter in der Notaufnahme und den chirurgischen Abteilungen gebraucht werden.

Die medizinischen Materialbestände sind in einigen Krankenhäusern sehr niedrig: Ärzte ohne Grenzen hat drei Notfallanfragen für intravenöse Flüssigkeiten, Antibiotika und Schmerzmittel erhalten und die entsprechenden Materialen geliefert. Darüber hinaus bereiten unsere Teams 19 weitere Lieferungen vor, die die medizinischen Einrichtungen in Ost-Ghouta angefordert haben.

Ärzte ohne Grenzen betreibt sechs Einrichtungen im Norden Syriens und unterstützt mehr als 70 Gesundheitszentren und Krankenhäuser im ganzen Land. Wir bieten einem Netzwerk von etwa 80 weiteren medizinischen Einrichtungen kurzfristige, medizinische Notfallspenden an. In den unterstützten Einrichtungen arbeiten keine Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen.