Welt-Aids-Tag: Behandlungsansatz muss radikal umgestaltet werden

20.11.2014
Gemeindebasierter Behandlungsansatz notwendig - Welt-Aids-Tag am 1.12.
"Ich will meine Behandlung näher an meinem Zuhause", so Fanny Mkqepu im Bezirk Thyolo in Malawi. Sie ist seit 2012 Mitglied einer HIV-Selbsthilfegruppe.
Simon Van Laar/MSF
Thyolo, Malawi, 11.11.2014: "Ich will die Möglichkeit, in der Nähe meines Wohnorts behandelt zu werden", so Fanny Mkqepu im Bezirk Thyolo in Malawi. Sie ist seit 2012 Mitglied einer HIV-Selbsthilfegruppe.

Die bisherigen Behandlungsansätze für HIV/Aids-Patienten müssen radikal verändert werden. Nur so können, wie im aktuellen UNAIDS-Bericht gefordert, mehr Betroffene erreicht werden. Bei der Aushändigung antiretroviraler Medikamente (ARV) muss ein gemeindebasierter Behandlungsansatz („Community Models of Care“) verfolgt werden, fordert die internationale medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) im Vorfeld des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember. Betroffene dürfen nicht mehr als reine Empfänger von Gesundheitsdienstleitungen angesehen werden, sondern müssen zu Partnern werden.

Durch einfache und pragmatische Reformen des existierenden Gesundheitssystems erlauben gemeindebasierte Modelle eine nachhaltige und bessere Behandlung von stabilen HIV-Patienten in diversen Kontexten. So sind zum Beispiel lange und teure Anreisen zu Gesundheitszentren für viele Patienten Hürden beim Zugang zur lebensnotwendigen Behandlung. Viele Patienten müssen die Behandlung abbrechen oder werden überhaupt nicht diagnostiziert. Durch einfache Reformen wie der Verteilung von mehrmonatigen ARV-Medikamentenvorräten, die Ausbildung von gemeindebasiertem Gesundheitspersonal oder die Einführung von verlängerten Öffnungszeiten der Gesundheitszentren können diese Hürden oft relativ einfach abgebaut werden. Die so verbesserte Patientenbetreuung kann zu einer deutlich höheren Erfolgsrate führen.„Wenn wir die HIV-Behandlung effizient und angemessen ausweiten wollen, können wir nicht weitermachen wie bisher“, sagt Dr. Eric Goemaere, Experte für HIV/Aids von Ärzte ohne Grenzen. „Doch aktuell werden effiziente Strategien, die sich über Jahre bewährt haben, noch nicht anerkannt.“

Entkoppelung der Medikamentenausgabe von Untersuchung

Ärzte ohne Grenzen und andere Organisationen haben seit 2007 eine breite Palette gemeindebasierter Strategien entwickelt. So konnten die Kosten und der Zeitaufwand einer Behandlung durch die Entkoppelung der Medikamentenausgabe von einer jährlichen Pflichtuntersuchung deutlich verringert werden. Durch diese Umstellung können nun mehr als 90 Prozent der stabilen Patienten in den Projekten von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika, Malawi, Mosambik, Simbabwe und Kenia ihre Therapie langfristig einhalten. Ähnliche Resultate liegen auch aus Ländern mit viel schwächeren HIV-Behandlungsprogrammen vor. Bisher werden jedoch für diese neuen Lösungsansätze wichtige Akteure unzureichend unterstützt. So wird Gesundheitspersonal, das auf Gemeindeebene HIV- und Tuberkulosebehandlungen anbietet, nicht anerkannt und unzureichend finanziert. Regelungen, die die Aushändigung von ARV-Medikamenten auf eine Monatsration beschränken, erschweren die Behandlung von Menschen, deren Zugang zu Gesundheitszentren aus finanziellen oder anderen Gründen limitiert ist. Zudem sind  Regierungen sehr zurückhaltend, den Erkrankten selbst mehr Handlungsspielräume und mehr Verantwortung  zu übertragen. So bleiben die Möglichkeiten in den Gemeinden eingeschränkt, eigenständig Medikamente zu verteilen und/oder HIV-Tests durchzuführen.

Unzureichende Unterstützung wichtiger Akteure

„Der Erfolg gemeindebasierter Behandlungsverfahren ist von starken, emanzipierten und kompetenten Patienten und zivilgesellschaftlichen Organisationen abhängig“, sagt Amanda Banda, Koordinatorin in den HIV/Aids-Programmen von Ärzte ohne Grenzen. „Trotzdem wird solchen Projekten zunehmend die finanzielle Unterstützung gekürzt und Patienten werden nicht ausreichend im Kampf gegen HIV eingebunden.“ In Südafrika ist die führende Aktivistengruppe Treatment Action Campaign (TAC) selbst in eine schwere Finanzierungskrise geraten, und nach 15 Jahren droht der Gruppe die Schließung. Nach Angaben von UNAIDS erhielten 59 Prozent der NGOs, die sich in Sachen HIV/Aids und Menschenrechte engagieren, im Jahr 2012 weniger Förderungen als in den Vorjahren.   Ärzte ohne Grenzen fordert die Regierungen auf, die Behandlungsansätze an die Bedürfnisse der betroffenen Menschen anzupassen und drängt die internationalen Partner, diese Strategie aktiv zu unterstützen und zu finanzieren.  Ärzte ohne Grenzen unterstützt derzeit die Behandlung von 354.000 Menschen mit HIV/Aids in 20 Ländern. 71 Prozent der 35 Millionen Menschen mit HIV/Aids leben in afrikanischen Ländern südlich der Sahara.

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