Zentralafrikanische Republik: Ärzte ohne Grenzen verstärkt Nothilfe

30.01.2014
Lage in Hauptstadt Bangui nach wie vor angespannt

Bangui/Wien, 30. Januar 2014 – In der vergangenen Woche kam es in Bangui erneut zu mehreren tödlichen Zwischenfällen zwischen verfeindeten Volksgruppen. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen/ Médecins Sans Frontières (MSF) behandelten in der Folge 200 Personen im Community Hospital sowie im Gesundheitszentrum Castor, wo Ärzte ohne Grenzen chirurgische Eingriffe vornimmt. Von diesen Patienten benötigten 90 eine lebensrettende Operation.

"Wir haben jeden Tag zahlreiche Verletzte", berichtet Marie-Elisabeth Ingres, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in der zentralafrikanischen Republik. "Unsere Teams sehen die Folgen extremer Gewalt. Schusswunden, Verstümmelungen durch Stichwaffen und Lynchjustiz sind in Bangui alltäglich geworden."

Aus Angst vor der Gewalt fliehen tausende Menschen aus der Stadt oder sammeln sich in Lagern, wo die Lebensbedingungen prekär sind. Die humanitäre Hilfe reicht bei weitem nicht aus, um die enormen Bedürfnisse abzudecken.

Ärzte ohne Grenzen hat die Hilfsaktivitäten verstärkt und auf dem Gelände M’Poko beim Flughafen von Bangui, wo sich weiterhin 100.000 Personen aufhalten, eine Klinik mit 60 Betten eingerichtet. In der Hauptstadt leistet Ärzte ohne Grenzen auch Hilfe für die Vertriebenen in den Klostern Boy-Rabe und Don Bosco, wo fast 30.000 Menschen Zuflucht gefunden haben. Weitere Teams der Organisation sind außerdem in mehreren Gesundheitszentren in der Stadt tätig. In Zongo unterstützt ein medizinisches Team von Ärzte ohne Grenzen die Flüchtlinge, die den Fluss Oubangui überquert haben, um so in die Demokratische Republik Kongo zu gelangen.

In der zentralafrikanischen Hauptstadt hält Ärzte ohne Grenzen jede Woche rund 12.000 Sprechstunden ab und führt fast 300 Entbindungen durch. Die Teams behandeln Patienten mit gewaltbedingten Verletzungen, von denen die schlimmsten Fälle ins Community Hospital überwiesen werden, sowie Patienten mit Malaria – die häufigste Todesursache im Land. Die Menschen leiden auch an Atemwegsinfektionen und Durchfallerkrankungen, die direkt auf die schlechten Lebensbedingungen in den Lagern zurückzuführen sind.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen bemühen sich, diese Bedingungen zu verbessern und verteilen lebensnotwendige Güter, bauen Latrinen und verteilen Wasser an die vertriebenen Menschen am Flughafen, in Don Bosco, in der Koranschule PK5 sowie in der Kirchgemeinde St. Sauveur.

Im Landesinnern verschlimmert sich die Lage

Die Gefechte und Vergeltungsmaßnahmen zwischen den Seleka-Rebellen und der Anti-Balaka-Miliz gehen weiter. Inzwischen wird die Zahl der vertriebenen Menschen im ganzen Land auf 900.000 (Quelle: OCHA) geschätzt, das entspricht 20 Prozent der Bevölkerung. Diese Menschen haben wegen der unsicheren Lage keinen Zugang zu medizinischer Versorgung; viele verstecken sich aus Angst vor der Gewalt im Busch.

Angesichts der Zunahme von Gewalthandlungen hat Ärzte ohne Grenzen die Arbeit im Spital in Berbérati im Südwesten des Landes aufgenommen. Die medizinischen Teams unterstützen das Ernährungsprogramm und die Kinderabteilung. Auch im Nordwesten eröffnete die Organisation neue Projekte: In Bouar bereitet sich ein Team darauf vor, das dortige Spital bei medizinischen und chirurgischen Notfällen zu unterstützen. Im Spital in Bozoum leistet ein Team von Ärzte ohne Grenzen bereits logistische und medizinische Hilfe und hat mobile Kliniken eingerichtet, um zu den 2.500 Menschen zu gelangen, die aus Angst vor Kämpfen im Inneren der Stadt eingeschlossen sind.

Anderen Nothilfe-Teams von Ärzte ohne Grenzen ist es gelungen, die Städte Bossemptélé, Baoro und Bocaranga zu erreichen. "Bocaranga ist eine Geisterstadt – leer, zerstört und geplündert. Es ist unheimlich", erklärt Delphine Chedorge, Nothilfe-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen . "Unsere Kontaktpersonen in der Provinz berichten von extremer Gewalt und von Vertreibungen. Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken. Leider ist es so, dass die unsichere Lage unsere Hilfeleistungen bremst – ausgerechnet jetzt, wo dringend ein Nothilfeeinsatz erforderlich wäre."

Ärzte ohne Grenzen führt auch die Nothilfe-Tätigkeiten in Bossangoa, Boguila und Bouca weiter. Neben der Unterstützung der Spitalseinrichtungen und der Aktivitäten in den Lagern suchen die Teams mit mobilen Kliniken jene Menschen auf, die nach jedem neuen Gewaltausbruch immer wieder in den Busch flüchten.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1997 in der Zentralafrikanischen Republik tätig. Neben sieben regulären Projekten (Batangafo, Carnot, Kabo, Ndélé, Paoua, Bria and Zémio) betreibt die Organisation auch acht Nothilfe-Projekte (Bangui, Bozoum, Berbérati, Bouar, Boguila, Bossangoa and Bouca). Außerdem ist ein mobiles Nothilfe-Team auf dem Weg nach Bossemptélé. Ärzte ohne Grenzen hofft, bald auch in den Spitälern Bangassou und Ouango tätig zu werden. Insgesamt versorgt Ärzte ohne Grenzen fast 400.000 Personen in 12 Spitälern, 16 Gesundheitszentren und 40 Gesundheitsposten mit kostenloser medizinischer Behandlung. Die Teams von MSF bestehen aus rund 200 internationalen sowie mehr als 1.800 lokalen MitarbeiterInnen.