Nordsyrien: Gesundheitssystem mit bisher schwerstem COVID-19-Ausbruch überfordert

14.10.2021
Wir sind besorgt über die rapide Ausbreitung von COVID-19-Erkrankungen in Nordsyrien. Die bisher schwerste COVID-19-Welle bringt das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs. Der Bedarf übersteigt die Vorräte an Sauerstoff und Test-Kits.

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Ärzte ohne Grenzen ist besorgt über die rapide Ausbreitung von COVID-19-Erkrankungen in Nordsyrien. Die bisher schwerste COVID-19-Welle bringt das Gesundheitssystem in der Region an den Rand des Zusammenbruchs. Der Bedarf übersteigt die Vorräte an Sauerstoff und Test-Kits bei weitem. Im Nordwesten ist das Gesundheitssystem bereits seit längerem mit der Situation überlastet, während sich das Virus im Nordosten derzeit in besorgniserregendem Tempo ausbreitet.

Im Nordwesten Syriens hat sich die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle im September fast verdoppelt und liegt nun bei fast 73.000 im Vergleich zu den 39.000 Fällen, die bis Ende August verzeichnet wurden. „Der Spitzenwert dieser Welle lag bisher bei bis zu 1.500 Fällen pro Tag, während er bei früheren Wellen nie über 600 Fälle pro Tag kam", sagt Francisco Otero y Villar, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Syrien. Nur 16 von 33 COVID-19-Behandlungszentren sind derzeit aktiv, in einer Region, in der vier Millionen Menschen leben.  
 
Der wahre Umfang der COVID-19-Welle lässt sich nur schwer abschätzen, da die Versorgungsprobleme und der schlechte Zustand des Gesundheitssystems oft zu unzureichenden medizinischen Untersuchungen führen. Die Bemühungen zur Eindämmung des Virus werden zudem aufgrund der schlechten Gesundheitsversorgung und niedrigen Impfquote insbesondere im Nordwesten Syriens behindert. Nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft, weil Impfstoffe nur langsam eingeführt werden und die Menschen zögern, sich impfen zu lassen.   

44 Prozent der Patient:innen zwischen 16 und 40 Jahre

„Das Ausmaß dieses Ausbruchs erleben wir direkt mit”, sagt Villar. „Wir sehen Menschen, die dringend Sauerstoff oder Intensivpflege benötigen. Menschen, die Schlange stehen, weil keine Betten oder Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, was zu einer höheren Sterblichkeitsrate im Vergleich zu früheren Wellen führt. In Afrin sind 44 Prozent der Patient:innen, die derzeit in ein von Ärzte ohne Grenzen unterstütztes Zentrum eingeliefert werden, zwischen 16 und 40 Jahre alt. Das deutet darauf hin, dass selbst Menschen ernsthaft betroffen sind, von denen man bisher annahm, dass sie relativ sicher vor schweren durch das Virus verursachten Krankheiten sind."

In den vergangenen Wochen hat Ärzte ohne Grenzen auch einen besorgniserregenden Anstieg der COVID-19-Fälle im Nordosten von Syrien beobachtet. In der letzten Septemberwoche wurden durchschnittlich 342 Menschen pro Tag positiv getestet. Das ist die höchste tägliche Zahl seit Beginn der Pandemie. Vielerorts kann kein Sauerstoff mehr beschafft werden. 
 
Es sind enorme Anstrengungen nötig, um Gesundheitseinrichtungen vor dem völligen Zusammenbruch zu bewahren. Von besonderer Bedeutung sind die Unterstützung und der Schutz des medizinischen Personals, die Bereitstellung von Test-Kits und Sauerstoff, die Aufstockung der Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern und die Ausweitung des Impfschutzes. Nur so können Menschenleben gerettet und das Gesundheitssystem im Norden Syriens vor dem Kollaps bewahrt werden.

Eva Hosp, Media und Events

Eva Hosp

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