Kommentar von Jasmin Madlencnik
28.04.2022
Ein Interview mit Daniela Zainzinger über den Tod, Testamentsspenden und wie man am eigenen Lebensende in die Zukunft blicken kann.

Wieso steht da eine große Gruppe von Menschen bei kühlem Aprilwetter im Augarten und pflanzt Vergissmeinnicht? Es sind Vertreter:innen von gemeinnützigen Organisationen wie meine Kollegin Daniela Zainzinger und ich, die den Testamentsspender:innen damit Danke sagen. 

Schon das 10. Jahr findet diese symbolische Danksagung der Initiative Vergissmeinnicht in einem der Wiener Bundesgärten statt. Ich war zum ersten Mal dabei und die Geschichten, die über die Verstorbenen erzählt wurden, haben mich sehr berührt. Über die Menschen und ihre Beweggründe für eine Testamentsspende wollte ich gerne mehr erfahren und habe Daniela deshalb zum Interview gebeten.

Daniela Zainzinger Vergissmeinnicht
Ludwig Schedl
Wien, Österreich, 27.04.2022: Daniela Zainzinger pflanzt Vergissmeinnicht im Augarten. Jedes Pflanze steht für einen wohltätigen Menschen, für eine Person, die über ihr Leben hinaus Gutes tut.

Liebe Daniela, du bist schon seit einiger Zeit die Ansprechperson für Menschen, die Ärzte ohne Grenzen in ihrem Testament bedenken möchten. Wie bist du dazu gekommen und warum machst du das? 

Ich bin schon über 10 Jahre im Spendenbereich tätig. Testamentsspender:innen lagen mir dabei immer sehr am Herzen, da man in diesem Bereich eine ganz besondere Beziehung zu den Spender:innen aufbaut und viele interessante Lebensgeschichten kennenlernt. 

Ich denke oft, dass eine Testamentsspende mit unserem Wunsch einhergeht, ein Unrecht zu korrigieren oder irgendeine Form von Ungerechtigkeit in der Welt anzufechten.  

Testamentsspenden sind unglaublich kraftvoll, da sie es uns ermöglichen, Stellung zu beziehen und einen Eindruck in der Welt zu hinterlassen, der unsere Werte und die Dinge widerspiegelt, die uns sehr am Herzen liegen. 

Ich habe Anfang dieses Jahres meine geliebte Mutter verloren und während ich diese Zeilen schreibe, denke ich an sie und wie sie mit ihrem Vermächtnis umgegangen ist.  

Eine Testamentsspende ist etwas sehr Persönliches – es geht um Verbindungen zu Menschen. Und hier zeigt sich die Verbindung zu gemeinnützigen Organisationen.

Welche Spender:innen sind dir besonders im Gedächtnis geblieben? 

Besonders ist mir eine Spenderin im Gedächtnis geblieben. Sie hat mich angerufen, um mir mitzuteilen, dass sie Ärzte ohne Grenzen in ihrem Testament bedenken möchte. Sie war mir auf Anhieb sympathisch, weil sie so eine Fröhlichkeit und Herzlichkeit in ihrer Stimme hatte. 

Wir unterhielten uns ein wenig darüber, wie ihr letzter Wille aussieht. Als ich sie fragte, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sei, uns zu bedenken, sagte sie: „Weil ich weiß, wie wichtig medizinische Versorgung ist. Ich habe nur noch zwei bis vier Wochen zu leben.“ 

Wie reagiert man nun in diesem Moment auf diese schonungslose Ehrlichkeit? Ein „Das tut mir sehr leid.“ kam mir hier viel zu banal vor. Also dachte ich mir, wenn diese Frau ihr Schicksal mit einer solchen Fassung und Fröhlichkeit akzeptieren kann, dann sollte ich das auch können. 

Am Ende eines langen Telefonats bedankte sich die Spenderin bei mir für ein sehr herzliches Gespräch, in dem wir auch viel gelacht haben, aber vor allem dafür, dass ich mit ihrem bevorstehenden Tod genauso offen umgegangen bin wie sie.  

Nach dem Telefonat fiel mir ein Zitat ein, dass ich einmal gelesen hatte … 

„Wenn den Menschen am Ende ihres Lebens ein Lächeln übrig bleibt, so ist das ein anständiger Reisebeginn“

Viele Menschen möchten nicht über den Tod reden, manche nicht einmal darüber nachdenken. Wie gehst du persönlich mit diesem Thema um?  

Kaum jemand beschäftigt sich gerne mit den Themen Sterben und Tod. Das ist natürlich und nachvollziehbar, aber ich glaube, wir tun uns wirklich keinen Gefallen, wenn wir das bis zum Schluss aufschieben. Sich mit dem Tod zu beschäftigen, baut Berührungsängste ab. 

Die Endlichkeit, die der Tod unserem Leben vorgibt, ist eine wichtige Richtschnur für unsere Entscheidungen. Wenn ich akzeptiere, dass das Leben endlich ist, bekommt es eine andere Gewichtung. Je früher ich darauf achte, desto zufriedener kann ich am Ende sein. Außerdem ist es eine große Lebensaufgabe zu sterben. Meiner Meinung nach ist das ein genauso großes Ziel, wie einen Beruf zu lernen oder eine Familie zu gründen. Diese Aufgabe kann gut gelingen. 

Ich möchte am Ende meines Lebens gelassen, froh und dankbar sein. Auch das ist Sterben. Es muss nicht immer schrecklich sein. 

 

Wie gehen Testamentsspender:innen mit dem Thema Tod um? 

Was bleibt, wenn ich nicht mehr bin? Diese Frage bewegt immer mehr Menschen. Und immer mehr von ihnen nehmen sich die Zeit, um über ihr eigenes Leben hinaus zu planen. Diese Planung baut auf der eigenen persönlichen Vergangenheit auf.  

Unsere Lebensgeschichten bestehen aus unseren Erfahrungen, Beziehungen, Überzeugungen und Werten, die ständig geformt und weiterentwickelt werden. Testamente spiegeln all dies wider. Eine Testamentsspende wird zu einem wichtigen Teil der Geschichte einer Person – es wird zum Ende ihrer Lebensgeschichte, aber kann der Anfang einer positiven Lebenswendung für andere Menschen werden. 

Einige Spender:innen haben mir erzählt, dass ihnen die Testamentsspende ermöglicht größere Geschenke zu machen, als sie sonst in ihrem Leben je geben könnten. Sie können einen größeren Einfluss auf die Dinge haben, die ihnen am Herzen liegen. Und wie wir alle wissen, kostet uns das Vererben zu Lebzeiten nichts.  

Ich bin der festen Überzeugung, dass Testamentsspenden gut für die Menschen sind – es sollte kein Tabuthema sein.

Daniela Zainzinger

Wir wollen zeigen, wie wirkungsvoll Testamentsspenden sind, weil wir alle in den Dingen, die uns wichtig sind, einen signifikanten Unterschied machen können. 

Daniela Zainzinger, Mitarbeiterin Abteilung Philanthropie

Wie fühlt sich das an, wenn Ärzte ohne Grenzen eine Testamentsspende erhält? 

Wir sind einerseits unglaublich froh, so wie bei jeder Spende, die bei uns ankommt. Diese Gelder ermöglichen es uns, unsere Arbeit zu tun. Wir können dorthin gehen, wo sonst niemand ist, und Menschen medizinisch versorgen. Großzügige Menschen ermöglichen Noteinsätze, wie derzeit in der Ukraine.

Andererseits ist es eine traurige Nachricht. Wir haben damit eine:n langjährige:n Unterstützer:in, also jemanden aus unserer Gemeinschaft, verloren. Es sind Menschen, die uns über viele Jahre begleiten, mit denen wir im Austausch stehen, und die wir vermissen werden. 

Und selbst wenn wir die Person nicht persönlich kannten, ist uns bewusst, dass dieser Mensch jemand anderem fehlen wird. Das ist keine einfache und angenehme Zeit für Angehörige. Wir möchten hier unterstützen und gehen mit der uns anvertrauten Spende wertschätzend um. 

Es liegt uns sehr am Herzen, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Deshalb nehmen wir an den Gedenkveranstaltungen der Initiative Vergissmeinnicht teil und planen auch selbst noch weitere Veranstaltungen um Danke zu sagen. 

Hier erfahren Sie mehr: www.vermächtnis-ohne-grenzen.at