Wie gerecht kann Forschung sein?

Kommentar von
13.05.2014

"Medizin für alle" - unter diesem Motto diskutierten am 7. Mai Experten & Studierende über den weltweiten Zugang zu Medikamenten. Mehr als 150 Gäste nahmen am Public Talk am Institut für medizinische Chemie in Wien teil. Warum sind viele lebensnotwendige Medikamente so teuer? Sind die Kosten für Forschung & Entwicklung der einzige Grund? Wie begegnen wir dem immer größer werdenden Problem auftretender Resistenzen? Diese und viele weitere Fragen wurden beim Public Talk in Wien ausführlich diskutiert, der gemeinsam von Ärzte ohne Grenzen Österreich und dem Studierenden-Netzwerk UAEM (Universities Allied for Essential Medicines) veranstaltet wurde. Nach einer Begrüßung durch Irene Jancsy, Kommunikationsleiterin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, führten Katharina Hawlik und Thomas Deimel von UAEM Vienna durch den Abend. Die Expertenrunde stellte sich nach drei kurzen Impulsvorträgen der Diskussion: Dr. Florian Breitenecker (Ärzte ohne Grenzen), Peter von Philipsborn, Msc (UAEM München) und Dr. Christian Wagner-Ahlfs (BUKO Pharma-Kampagne).

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Über 150 Interessierte versammelten sich im Großen Hörsaal und richteten zahlreiche Fragen an das Podium, moderiert von VertreterInnen des UEAM © Christoph Adamek

Wie sieht derzeit die Medikamentenversorgung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aus? Dieser Frage widmete sich der Impulsvortrag von Peter von Philipsborn, Msc. Fakt ist: Ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu essentiellen Medikamenten. Der Vertreter von UAEM München sieht daher vor allem zwei Herausforderungen:

  1. Allen Menschen weltweit unabhängig von ihrem Einkommen Zugang zu denjenigen Medikamenten zu ermöglichen, die sie benötigen - vor allem für armutsassoziierte Krankheiten wie Tuberkulose oder Malaria.
  2. Die Forschung & Entwicklung zu armutsassoziierten Krankheiten zu fördern - denn nachdem diese Krankheiten in Industrienationen quasi inexistent sind, wird die Weiterentwicklung ihrer Behandlung in ärmeren Ländern kaum finanziert.

Eine 2013 im wissenschaftlichen  Journal The Lancet veröffentliche Studie macht das Ungleichgewicht deutlich: Während 26 der mit Armut assoziierten und vernachlässigten Krankheiten 14% der globalen Krankheitslast ausmachen, werden zur Bekämpfung dieser Krankheiten nur 1,4% der weltweiten Forschungsausgaben im Gesundheitsbereich aufgewendet.

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Globale Probleme und neue Lösungsansätze wurden vorgestellt und diskutiert: Dr. Florian Breitenecker (Ärzte ohne Grenzen), Peter von Philipsborn, Msc (UAEM München) und Dr. Christian Wagner-Ahlfs (BUKO Pharma-Kampagne) © Christoph Adamek

Diesen Problemfeldern widmet sich die Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen, die der HIV-Experte Dr. Florian Breitenecker von Ärzte ohne Grenzen Österreich vorstellt. Die internationale "Access Campaign" für den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten wurde 2000 mit dem Geld des Friedensnobelpreises gegründet, den Ärzte ohne Grenzen im Jahr davor erhalten hatte. Seitdem wird unter anderem im Rahmen der Forschungsinitiative DNDI an neuen Medikamenten für vernachlässigte Krankheiten geforscht. Ein Schwerpunkt der Kampagne liegt derzeit im Kampf gegen Tuberkulose: Für die früher als "Schwindsucht" bekannte Infektionskrankheit kann nur schwer diagnostiziert werden, es gibt derzeit nur veraltete Medikamente und einen schlechten Impfstoff. Auch die immer häufiger auftretenden Formen der medikamentenresistenten und extrem resistenten Tuberkulose stellen die Medizin vor ein dramatisches Problem. Daher werden VertreterInnen der Medikamentenkampagne bei der Weltgesundheitsversammlung ab 19. Mai in Genf eine Petition für den Kampf gegen resistente Tuberkulose überreichen, das noch bis Ende dieser Woche unterstützt werden kann: Tuberkulose-Manifest unterzeichnen!

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Unterstützen Sie die Forderungen der Medikamentenkampagne und unterzeichen Sie das #TBManifesto!

Eine gerechte Arzneimittelversorgung ist auch das Anliegen der BUKO Pharma-Kampagne, vertreten durch Dr. Christian Wagner-Ahlfs. Sie sieht Lösungsansätze unter anderem in einer Stärkung von öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen, einer bedarfsgerechten Forschung und einem Umdenken innerhalb der Forschungspolitik - beispielsweise beim Thema der Lizenzvergabe. Auch Alternativen zu exklusiven Verkaufsrechten stellen einen möglichen Zukunftsweg dar. Die Publikumsfragen widmeten sich unter anderem den hohen Kosten von Forschung & Entwicklung und der damit einhergehenden Problematik des Patentschutzes, der Preisdifferenzierung zwischen unterschiedlichen Ländern und der Frage: Wer hat mehr Macht - Regierungen oder Unternehmen? Dahingehend wird nochmals darauf verwiesen, dass die österreichische Regierung wiederholt dazu aufgerufen wurde, ebenfalls einen Beitrag zum Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zu leisten:

Seit Jahren versuchen wir auch die österreichische Regierung zu verstärktem Engagement in Fragen der globalen Gesundheit zu bewegen. Bisher leider ohne Erfolg: Österreich rangiert mit einer Einmalzahlung von einer Million US-Dollar  im Jahr 2001 unter den weltweiten Schlusslichtern in der Liste der Finanzgeber des Globalen Fonds. (Quelle: Irene Jancsy, "Wo bleibt das Engagment Österreichs?")

In diesem Sinne ist neben den beim Public Talk vorgestellten Initiativen & Kampagnen und der internationalen Staatengemeinschaft auch Österreich gefordert, tatsächlich "Medizin für alle" in unserer Welt zu ermöglichen. Wir bedanken uns bei allen Anwesenden für die rege Diskussion - alle Fotos des Abends sind online im Flickr-Album von Christoph Adamek zu sehen! Die Termine der nächsten Veranstaltungen finden Sie online auf www.aerzte-ohne-grenzen.at/veranstaltungen.

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