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Griechenland: Ärzte ohne Grenzen verurteilt Quarantäne im Lager Moria und fordert dringend Evakuierungen
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Die im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos verhängte Massenquarantäne ist gefährlich und muss unbedingt vermieden werden, warnt Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) Die medizinische Hilfsorganisation fordert daher erneut die Evakuierung besonders gefährdeter Personen aus dem Lager.
Die griechische Regierung hat die Pflicht, die öffentliche Gesundheitsversorgung für die Geflüchteten zu verbessern und darf sie nicht unter entsetzlichen Bedingungen einsperren – und dabei so tun, als wolle sie die Insel vor der Verbreitung des Virus schützen, so die Hilfsorganisation. Denn die Zahl der COVID-19-Fälle auf Lesbos außerhalb von Moria steigt, während es bislang gibt nur einen bestätigten Fall unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Lagers gibt.
„Offensichtlich hat die Gesundheitsbehörde auf Lesbos damit begonnen, Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers auf COVID-19 zu testen, aber das ist nur ein kleiner Teil dessen, was jetzt passieren muss“, sagt Caroline Willemen, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen für COVID-19 auf Lesbos. „Nötig ist jetzt eine gut geplante Aktion, mit Nachverfolgung von Kontaktpersonen ebenso wie Tests, gepaart mit einer fundamentalen Verbesserung der Hygienebedingungen und der Gesundheitsversorgung. Wir können keine Rechtfertigung für die Massen-Zwangsquarantäne erkennen, und wir wissen, dass diese Maßnahme die psychischen Beschwerden unserer ohnehin schon sehr stark belasteten Patientinnen und Patienten weiter verschlimmern wird.
In Moria leben auch ältere Menschen mit Vorerkrankungen, Schwangere und Kinder, die Angst haben und die nun als Ergebnis dieser Politik noch mehr Leid erleben werden. Die Regierung sollte diese Menschen schützen. Stattdessen sperrt sie sie zusammen mit dem Coronavirus in das Lager ein und setzt sie ihm aus.“
Österreich mitverantwortlich
„Die österreichische Bundesregierung trägt eine Mitverantwortung für die desaströsen Verhältnisse in Moria und muss dringend auf EU-Ebene dafür sorgen, dass die überfüllten Lager auf den griechischen Inseln geräumt werden“, erklärt Marcus Bachmann, Berater für humanitäre Fragen von Ärzte ohne Grenzen Österreich.
Es gibt im Lager Moria mehr als 200 namentlich benannte Personen, die aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustands ernsthaft von Covid-19 bedroht sind. Seit Monaten fordert Ärzte ohne Grenzen gemeinsam mit anderen Organisationen, diese besonders gefährdeten Menschen in sichere Unterkünfte auf Lesbos, auf dem Festland oder in anderen EU-Staaten zu bringen. Im April versprach die griechische Regierung eine solche Evakuierung, aber fünf Monate später sind diese Menschen immer noch gefangen und nun durch die Quarantäne auch noch eingeschlossen.
Nötig ist laut Ärzte ohne Grenzen jetzt ein umfassendes Maßnahmenpaket:
- Keine schädlichen Maßnahmen wie das Einsperren der Menschen
- Ausreichende Informationen für die Betroffenen und enge Kooperation mit ihnen
- Ausreichende Hygienemaßnahmen, die für alle zugänglich sind
- Evakuierung und Abschirmung von Risikopersonen
- Massenhaftes Testen
- Isolation und Behandlung der positiv getesteten Patienten
- Nachverfolgung von Kontaktpersonen
- Quarantäne ausschließlich an Orten, an denen wenigstens Minimalstandards bei Hygiene, Gesundheitsversorgung und Unterbringungsbedingungen sichergestellt sind
Bislang besteht die Reaktion der Behörden aus einer einzigen Maßnahme – dem Beginn der Tests im Lager – und der unnötigen Verhängung einer Massen-Zwangsquarantäne. Um ihrer Pflicht zur Versorgung der Menschen nachzukommen, muss die griechische Regierung dringend die anderen notwendigen Maßnahmen umsetzen oder Moria komplett evakuieren. Die Massenquarantäne wird stattdessen neues Leid verursachen und niemandem nutzen.