Medizinische Versorgung im Osten Aleppos in akuter Gefahr

29.07.2016
Schätzungsweise 250.000 Menschen sind im Osten Aleppos gefangen. Pablo Marco, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen erläutert die aktuelle Situation.
Aleppo, Syrien, 29.04.2016: Das zerstörte Al-Quds-Spital im Norden Aleppos nach einem Luftangriff.

Die Kämpfe in Aleppo haben in den vergangenen drei Wochen zugenommen. Kontinuierliche Luftangriffe trafen den von der Opposition kontrollierten Osten der Stadt. Auch der Westen Aleppos, unter Kontrolle der Regierung, wurde beschossen. Seit Regierungstruppen vor einigen Tagen die einzige Zufahrtsstraße in den Ostteil der Stadt eingenommen haben, sind die Menschen dort von der Außenwelt abgeschnitten.

Dazu erklärt Pablo Marco, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) und zuständig für die Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen in der Region Aleppo:

„Schätzungsweise 250.000 Menschen sind im Osten Aleppos gefangen. Die einzige Verbindungsstraße in das Gebiet, das von oppositionellen Gruppen gehalten wird, ist abgeschnitten. Die Menschen dort - besonders die Verwundeten und die Schwerkranken - haben nun keinen Fluchtweg mehr. Lebenswichtige Nahrung und medizinisches Material kommen nicht mehr hinein.

Vier Kliniken im Osten Aleppos, die Ärzte ohne Grenzen mit dringend benötigtem medizinischem Material versorgt hat, sind alleine in dieser Woche beschädigt worden. Die Mitarbeiter einer dieser Einrichtungen haben uns gesagt, dass die Zahl der Verwundeten in ihrer Klinik im vergangenen Monat stark angestiegen ist. Bis zu 50 Verletzte wurden pro Tag zu ihnen gebracht. Wo können diese Menschen jetzt behandelt werden? Wie soll das Material in den Osten Aleppos durchkommen, das gebraucht würde, um diese Kliniken wieder aufzubauen?

"Angriffe auf Krankenhäuser und zivile Infrastruktur müssen aufhören"

Die Berichte von Mitarbeitern einiger Gesundheitseinrichtungen, die wir unterstützen, sind entsetzlich. Wenn die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen nicht aufhören, wird es im Osten Aleppos bald keinerlei medizinische Versorgung mehr geben. Für die Menschen ist diese medizinische Versorgung lebenswichtig, doch sie könnte bald einfach ausradiert sein – nicht nur durch die Angriffe auf die Gebäude, sondern auch, indem der Nachschub an Material langsam immer weiter unterbunden wird.

Alle Kriegsparteien müssen die Regeln des Krieges respektieren. Alle, die Einfluss haben, müssen dazu beitragen, dieses Blutbad zu stoppen. Die Botschaft ist klar: Angriffe auf Krankenhäuser und zivile Infrastruktur müssen aufhören. Schwer Verwundete und Kranke müssen evakuiert werden können. Die Versorgung der Stadt mit Nahrung, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern wie zum Beispiel Treibstoff darf nicht unterbunden werden.“

Seit 2014 liefert Ärzte ohne Grenzen Medikamente, medizinisches Material und weitere Ausrüstung an sechs Gesundheitszentren, drei Erste-Hilfe-Stationen und zehn Kliniken in der Stadt Aleppo. Zwei der Kliniken sind bei Luftangriffen so beschädigt worden, dass sie nun geschlossen sind. Die letzte Hilfslieferung von Ärzte ohne Grenzen traf Ende April in Aleppo ein. Sie bestand aus 330 Kubikmeter Hilfsgütern, was zehn Lastwagenladungen entspricht, und reicht für drei Monate. Die nächste Lieferung wird bald gebraucht, doch Ärzte ohne Grenzen fürchtet, dass sie nicht zu den Gesundheitseinrichtungen durchkommen wird.