Nuevo Laredo in Mexiko ist kein sicherer Ort für Flüchtlinge

04.07.2019
MEXIKO
Die Einigung der USA und Mexiko bringt Asylwerberinnen und Asylwerber in höchste Gefahr. Sogar das US-Außenministerium warnt vor Reisen nach Nuevo Laredo.
NUEVO LAREDO, NOT A SAFE PLACE
Juan Carlos Tomasi
Nuevo Loredo, Mexiko, Februar 2019: 45 Prozent der von Ärzte ohne Grenzen behandelten Menschen wurden Opfer von Gewalt.

Nuevo Laredo, Wien, 4. Juli 2019 – Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Mexikos haben sich darauf geeinigt, ihr „Remain in Mexico“-Abkommen " (offiziell bekannt als die Migrant Protection Protocols), das Asylwerberinnen und Asylwerber in den USA zwingt, ihre Gerichtsverfahren in gewalttätigen Gebieten Mexikos abzuwarten, auf Nuevo Laredo auszuweiten. Diese Grenzstadt im Bundesstaat Tamaulipas wird von kriminellen Gruppen kontrolliert, Asylwerberinnen und Asylwerber sind ständig Raub, Körperverletzung, Erpressung, Entführung und Mord ausgesetzt. Die internationale medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) verurteilt diesen Schritt entschieden.

„Es ist inakzeptabel, Menschen, die Asyl suchen, nach Mexiko zurückzuschicken und zu zwingen, in Nuevo Laredo zu bleiben", sagt Maria Hernandez von Ärzte ohne Grenzen Mexiko. „Diese Politik bringt gefährdete Menschen in Gebiete, die von kriminellen Organisationen kontrolliert werden, die Migrantinnen und Migranten als Ware und Einkommensquelle betrachten."

Ärzte ohne Grenzen stellt Flüchtlingen sowie Migrantinnen und Migranten in verschiedenen Unterkünften in Nuevo Laredo, Reynosa und Matamoros medizinische, psychologische und soziale Unterstützung bereit.

45 Prozent haben Gewalt erfahren

Die Daten der Patientinnen und Patienten von Ärzte ohne Grenzen zeigen, dass mehr als 45 Prozent der 378 Menschen, die von Ärzte ohne Grenzen in Nuevo Laredo behandelt wurden, mindestens eine Episode von Gewalt in der Stadt erlitten, während sie darauf warteten, in die USA zu gelangen. Von den 378 Patientinnen und Patienten, die 2019 von Ärzte ohne Grenzen im Rahmen der Programme für psychische Gesundheit behandelt wurden, wurden 45 Personen (zwölf Prozent) entführt – 26 von ihnen in den sieben Tagen vor ihrer psychologischen Beratung.

„Die Mehrheit unserer Patientinnen und Patienten geht wegen der unmittelbaren Gefahr einer Entführung nicht auf die Straße", sagt Hernandez. „Die Asylwerberinnen und Asylwerber, die wir in Nuevo Laredo behandeln und beraten, kommen aus vielen Ländern, darunter Kuba, DR Kongo, Kamerun und Mexiko. Zweifellos sind es jedoch die Menschen aus Mittelamerika, die am anfälligsten für Entführungen sind. Genau sie werden aufgrund der Politik von ,Remain in Mexico‘ in großer Zahl nach Mexiko zurückkehren".

Nuevo Laredo kann keine Aufnahmestadt für Menschen werden, die in den USA Schutz suchen, warnt Ärzte ohne Grenzen.

„Tamaulipas ist ein gutes Beispiel dafür, dass Mexiko nicht als ,sicheres Land‘ für Menschen auf der Flucht angesehen werden kann", sagt Hernandez.

Sogar das Reisewarnsystem des US-Außenministeriums klassifiziert Tamaulipas State als Kategorie 4. Dabei handelt es sich um die höchste Warnstufe, die oft für Kriegsländer verwendet wird. Aufgrund der hohen Kriminalität und der Entführungsgefahr werden Bürgerinnen und Bürgern aus den USA gewarnt, Reisen dorthin zu unternehmen.

Gangs gehen gezielt auf Flüchtlinge

Die kriminellen Gruppen richten ihre Aktivitäten gezielt auf Asylwerberinnen und Asylwerber sowie auf Migrantinnen und Migranten, sobald diese in Nuevo Laredo ankommen. Das legen von Ärzte ohne Grenzen gesammelte Zeugenaussagen nahe.

„Sie werden an Busbahnhöfen entführt", sagte Hernandez. „Es gibt sichere Häuser, in denen sie im Rahmen einer Erpressung inhaftiert, geschlagen und angegriffen werden. Einige erhalten Morddrohungen, sie werden für lange Zeiträume für Zwangsarbeit festgehalten, sexuell ausgebeutet oder von kriminellen Organisationen gewaltsam rekrutiert."

Ärzte ohne Grenzen fordert die mexikanischen und US-amerikanischen Behörden auf, den Schutz von Menschen und die humanitäre Hilfe in den Mittelpunkt ihrer Migrationspolitik zu stellen. Die Entscheidungen, die diese Verwaltungen getroffen haben, um dieser Krise zu begegnen, haben verheerende humanitäre Folgen. Sie verstärken das Leid Tausender von Menschen, die aus ihren Ländern fliehen, und gefährden Leben.