Ärzte ohne Grenzen fordert Ende von Verzögerungen und Beschränkungen für hilfsbedürftige somalische Bevölkerung

22.07.2011
Unabhängiger und sofortiger Zugang zur Bevölkerung in Somalia entscheidend

Wien/Nairobi, 22 Juli 2011 – Angesichts der sich verschlimmernden Ernährungskrise in Somalia ruft die internationale medizinische Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) alle Konfliktparteien in Somalia, die Nachbarländer und die internationale Gemeinschaft dringend dazu auf, die Hilfe für die somalische Bevölkerung in der Region signifikant zu verbessern und alle Hürden, die derzeit eine Ausweitung unabhängiger Hilfe in Somalia verhindern, zu beseitigen.

Die aktuelle Krise betrifft vor allem das somalische Volk. Um den vollen Hilfsbedarf der Bevölkerung abzuschätzen und die Nothilfe in dieser komplexen Umgebung auszuweiten, ist ein unabhängiger und sofortiger Zugang zur Bevölkerung in Somalia entscheidend.

Extrem hohe Unterernährungsraten

Aufgrund der nur begrenzten Hilfe, die derzeit in Somalia verfügbar ist, kommen jede Woche Tausende Somalier in die verschiedenen Lager in den Grenzgebieten im benachbarten Kenia und Äthiopien. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen berichten über extrem hohe Unterernährungsraten unter den Neuankömmlingen. Jedes dritte Kind leidet unter akuter Unterernährung. Gemeinsam mit ihren Familien müssen diese Kinder aufgrund offiziell gesperrter Grenzen und administrativer Hürden an den Aufnahmestellen in den Lagern viele Verzögerungen in Kauf nehmen, bevor sie in überlasteten, chaotischen und überfüllten Flüchtlingslagern wie Dadaab in Kenia oder Dolo Ado in Äthiopien um die begrenzt verfügbare Hilfe kämpfen müssen.

In der betroffenen Region behandelt Ärzte ohne Grenzen mehr als 10.000 schwer mangelernährte Kinder in ihren Ernährungszentren und Kliniken. "Jeder Betroffene sollte Hilfe erhalten, sowohl innerhalb von Somalia als auch auf der Flucht in die Nachbarländer“, erklärt Jean Clément Cabrol, Programmleiter von Ärzte ohne Grenzen. " Kenia und Äthiopien beherbergen die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge aus Somalia. Für diese Länder sollte die Eröffnung neuer Lager sowie die Verbesserung der bestehenden Lager erste Priorität haben. Aber die internationale Gemeinschaft trägt auch einen Teil der Verantwortung. In den bestehenden und neuen Lagern sollte sie Somalis auf der Flucht eine effiziente Registrierung ermöglichen, ausreichende Lebensmittelrationen sicherstellen und Obdach bieten. Die aktuellen bürokratischen Einschränkungen und Hindernisse verursachen unnötige Verzögerungen und alle möglichen Maßnahmen sollten ergriffen werden, um auf diese Notlage zu reagieren."

Situation verschlimmert sich weiter

Die somalische Bevölkerung ist von dem bereits 20 Jahre andauernden bewaffneten Konflikt geschwächt. Jetzt kommen aufgrund von Dürre Ernteausfälle und zu Ende gehende Viehbestände sowie hohe Nahrungsmittelpreise hinzu. Anhaltende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Materiallieferungen von internationalen Organisationen haben die Hilfe für die Bevölkerung verzögert und beschränkt. “Unsere Ernährungszentren betreiben wir weit über die ursprünglichen Kapazitäten hinaus. Im Vergleich zum vergangenen Jahr sehen wir in einigen Einrichtungen bis zu sieben Mal mehr Patienten”, so Arjan Hehenkamp, Geschäftsführer der niederländischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. “Wir behandeln in Somalia zurzeit mehr als 3.000 mangelernährte Kinder:  rund 600, die jünger als fünf Jahre sind, befinden sich in stationären Intensiv- Ernährungszentren. Mehr als 2.500 werden in ambulanten Ernährungszentren versorgt. Wir benötigen dringend mehr Ressourcen, um all den Neuankömmlingen zu helfen und unsere Hilfe in allen betroffenen Regionen auszuweiten.” An verschiedenen Orten wie etwa im Lower Juba Valley, entstehen plötzlich Lager, in denen bis zu 5.000 Menschen leben, die ihre Dörfer auf der Suche nach Nahrung und Hilfe verlassen haben.

"Kämpfe in Somalia, Restriktionen für Versorgungsflüge und internationale Mitarbeiter sowie administrative Hindernisse haben alle zu der Notsituation beigetragen, in der sich die somalische Bevölkerung jetzt befindet“, sagt Unni Karunakara, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. „Es ist entscheidend, dass sowohl die Restriktionen als auch die Behinderungen der humanitären Hilfe aufgehoben werden, da sich die Situation immer weiter verschlimmert.“

Ärzte ohne Grenzen arbeitet kontinuierlich seit 1991 in Somalia und bietet zurzeit in acht Regionen im Süden Somalias kostenlose medizinische Versorgung an. Mehr als 1.400 somalische Mitarbeiter, unterstützt von etwa 100 Mitarbeitern in Nairobi, leisten medizinische Basisversorgung, behandeln Mangelernährung, führen Operationen durch und verteilen Hilfsgüter und Trinkwasser in neun Orten. Ärzte ohne Grenzen nimmt für die Hilfsprojekte in Somalia keinerlei Regierungsgelder an. Sämtliche Mittel stammen von privaten Spendern.