„Die Situation wird für viele der Betroffenen immer schlimmer“

10.09.2010
James Kambaki ist Projektkoordinator in Belutschistan und berichtet aus der Stadt Dera Murad Jamali

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James Kambaki ist Projektkoordinator in Belutschistan und berichtet aus der Stadt Dera Murad Jamali

"Wir waren mit einer Mobilen Klinik draußen am Land, ungefähr 80 km von Dera Murad Jamali entfernt, als wir an einer Familie vorbeikamen, die am Straßenrand saß. Alle anderen Menschen waren geflohen. Alles war überflutet, aber diese Gruppe bewegte sich nicht von der Stelle. Der Vater war ungefähr 50 Jahre alt und sah total erschöpft aus. Er erzählte mir, er sei ein Bauer aus einem ca. 200 km entfernten Dorf. Als die Fluten kamen, ging er zu Fuß mit seiner Familie in eine andere Stadt. Aber dann wurde auch diese Stadt überflutet und sie waren gezwungen weiterzuziehen. Das ist ihm fünf Mal passiert: Jedes Mal als er irgendwo ankam, war er innerhalb weniger Tage auf Grund der sich ausbreitenden Fluten gezwungen weiter zu marschieren, bis er schließlich hier landete. Der Mann war seit Wochen zu Fuß unterwegs und total erschöpft. Er sah mich an und sagte: „ Ich bin so müde vor dieser Flut davonzulaufen, ich kann einfach nicht mehr laufen.“

Wenn man mit Menschen wie diesem Mann spricht, wird einem bewusst, dass die Situation für viele der Betroffenen immer schlimmer wird, obwohl sie sich für einige andere verbessert hat.

Wir sehen nun tatsächlich immer mehr Fälle von Unterernährung. Das war schon vor den Fluten ein Problem, aber seit den Überschwemmungen verschlimmert sich die Situation. Wir haben mit einem Hilfsprogramm begonnen und bis jetzt 722 unterernährte Kinder behandelt. Zuerst war das Ernährungszentrum in einem Krankenhaus, aber jetzt haben wir es in unsere mobilen Kliniken integriert. Das war eine Herausforderung, denn wir müssen sicherstellen, dass wir ein Follow-up bei jedem Kind machen. Wenn wir also am Montag an einem Ort sind und dort ein Kind behandeln, bedeutet dies am nächsten Montag wieder dort zu sein und das Kind wieder zu versorgen.

Wenn man diese Kinder sieht, ist ihre Unterernährung offensichtlich. Sie sind dünn und geschwächt und bei manchen Kindern hat sich die Haarfarbe verändert. Statt dunkel ist das Haar jetzt seltsam braun. Ihre Augen sind so groß und traurig. Gestern haben wir 53 Kinder in das Programm aufgenommen, am Tag davor waren es 52 und am Tag davor 55. Die meisten Kinder werden mindestens 40 Tage im Ernährungsprogramm bleiben und es wird lange dauern, bevor man ihnen große Fortschritte ansieht. Die Ernte der Menschen wurde komplett zerstört und so wird das Problem nicht so schnell gelöst sein. Unser Ernährungsprogramm ist ziemlich ausgelastet, aber wir haben die Ressourcen darauf zu reagieren und planen die Hilfe zu erweitern.

Die Anzahl der Durchfallerkrankungen ist immer noch besorgniserregend. Wir haben bisher 713 Menschen behandelt. Die Zahlen haben sich stabilisiert aber ich bin immer noch beunruhigt. Das Wasser zieht sich zurück und der Wasserstand sinkt. Ein großes Problem ist aber          , dass die Menschen jetzt nach Hause zurück gehen. Sie werden anfangen schmutziges Wasser zu trinken. In Dera Murad Jamali chlorinieren wir Wasser und verteilen bis zu 450 Kubikmeter pro Tag mittels Tankern. Diese Menge ist die Mindestmenge an Wasser für ca. 45.000 Menschen. Zusätzlich bauen wir Latrinen.

Wir bereiten uns darauf vor, dass die Menschen wieder zurück aufs Land gehen. In dem verbleibenden Wasser werden überall Moskitos brüten und Malaria und Dengue Fieber könnten ausbrechen. Malaria hat es hier bisher nicht gegeben, das heißt, wenn es dazu kommt, wird es schlimm sein. Wegen dieses Risikos haben wir die Hygiene Kits, die wir ausgeben, um Moskitonetze erweitert.

Abgesehen von diesen Herausforderungen werden wir unsere bisherige Arbeit in der Region fortsetzen. Obwohl wir schon vor den Überschwemmungen in Beluchistan waren, war vielen Menschen unsere medizinische Hilfe nicht bewusst. Die Menschen sehen und kennen uns jetzt. Sie schätzen, was wir tun. Das ist gut für uns und beflügelt uns, noch viel mehr zu tun."